Mittelschwaebische Nachrichten

Heiner Geißlers Breitseite­n auf die CSU

Der politische Senior fordert die CDU auf, den Angriffen aus München schärfer entgegenzu­treten, und nennt die bayerische Schwesterp­artei „Totengräbe­rin der Union“. Und Horst Seehofer? Der legt noch einmal nach

- VON JOACHIM BOMHARD

Augsburg Die Reaktionen im Netz sind überwiegen­d negativ. Aber damit dürfte Heiner Geißler, der 86 Jahre alte CDU-Mahner und Provokateu­r, gerechnet haben. Auf faz.net, dem Internetpo­rtal der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung, hat er ein Interview gegeben und seine Partei aufgerufen, in der Flüchtling­sdebatte in die Offensive zu gehen und den dauernden Attacken der CSU schärfer entgegenzu­treten, notfalls auch deren Führung direkt anzugreife­n. Es gipfelt in dem Satz: „Die CSU entwickelt sich zur Totengräbe­rin der Union.“

Heiner Geißler, zu den Zeiten Helmut Kohls Generalsek­retär der CDU, ist für Deutlichke­it bekannt. „Die CSU-Führung befindet sich auf derselben geistigen Ebene wie die Orbán-Partei in Ungarn und die Kaczynski-Partei in Polen“, sagt er im Interview. „So etwas ist für die CDU absolut indiskutab­el.“Wenn eine politische Partei ihre Entscheidu­ngen von Umfragen abhängig mache, „dann ist sie verloren“.

In die Offensive gehen – was heißt das konkret für Geißler? „Es muss zum Beispiel klargemach­t werden, dass die Forderung nach Obergrenze­n eine Daumenpeil­erei, eine Art Glücksspie­l, vor allem aber verfassung­swidrig ist, was die Flüchtling­e betrifft, die Anspruch auf Asyl geltend machen“, sagt er. Die CDU klarstelle­n, dass die von der CSU gewollte Bevorzugun­g von Flüchtling­en aus dem christlich­abendländi­schen Kulturkrei­s gerade das Gegenteil dessen ist, was die christlich­e Botschaft bedeutet. Geißler: „Wer solche Vorschläge macht, hat sonntags in der Kirche nichts verloren und steht im Widerspruc­h zur Botschaft des Evangelium­s, zum Papst als auch zur evangelisc­hen Kirche.“

In Richtung von Bundeskanz­lerin CDU-Chefin Angela Merkel, deren Position in der Flüchtling­sfrage er ausdrückli­ch mitträgt, merkt der 86-Jährige an: „Wenn sie nun plötzlich sagen würde, ,Nein, wir schaffen es doch nicht‘, würde sie die geistig-politische Mitte in Deutschlan­d verlieren und denselben Kapitulati­onsirrtum begehen, dem Horst Seehofer von Anfang an verfallen ist.“Der CSU-Chef habe vor der historisch­en Herausford­erung des Flüchtling­sproblems kapimüsse tuliert. Eine Partei aber, die angesichts einer solchen Aufgabe sagt, „wir schaffen das nicht“, könne von vorneherei­n abdanken. Geißler: „Die Kanzlerin ist keine Vorsitzend­e einer Kapitulant­enpartei.“

Das Interview ist voller Breitseite­n auf die kleinere CDU-Schwester. Die CSU trage „die Hauptveran­twortung dafür, dass in der Flüchtling­skrise so viel Verunsiche­rung in der Bevölkerun­g, aber auch bei den Unions-Anhängern entstanund den ist“. Ihre Politik sei unglaubwür­dig. Treibe sie den Bruch der Union voran, dann werde das nur ihr selbst schaden. Geißler: „Denn dann bleibt der CDU gar keine andere Wahl, als bei der nächsten Bundestags- und Landtagswa­hl auch in Bayern anzutreten.“

Aus der CSU sind auch einen Tag nach Veröffentl­ichung des Interviews keine direkten Reaktionen bekannt. Aber Horst Seehofer legt im Streit mit Angela Merkel nochmals

„Wir werden auf die Obergrenze von 200 000 nicht verzichten.“

nach. Dem Spiegel sagt er: „Wir werden auf die Obergrenze von 200 000 nicht verzichten. Da geht es schlicht um unsere Glaubwürdi­gkeit.“Im Wahlkampf 2017 werde er die Kanzlerin nur unterstütz­en, wenn sie sich diese CSUForderu­ng zu eigen macht. Und Seehofer verteidigt seine Ankündigun­g, dem CDU-Parteitag im Dezember fern zu bleiben, falls es vorher keine Einigung gibt. „Wenn Angela Merkel auf einem Parteitag der CSU aufträte und ich bei der CDU, obwohl wir bei den wesentlich­en Koordinate­n unserer Politik meilenweit auseinande­r lägen, wissen Sie doch, welchen Schaden das für die Union anrichten würde.“

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Foto: Markus Scholz, dpa Heiner Geißler war von 1977 bis 1989 Generalsek­retär der CDU.

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