Mittelschwaebische Nachrichten
Traditionswerk von Kaffee Hag wird geschlossen
Der Gründer des bekannten „Schonkaffees“ließ sogar ein Geschirr kreieren. Heute kämpft die Marke
Bremen Wer ein Papiertaschentuch braucht, fragt oft nach einem „Tempo“, und wer einen koffeinfreien Kaffee trinken möchte, bestellt im Café gerne einen „Kaffee Hag“– auch wenn es durchaus eine andere Sorte sein dürfte. Manche Markennamen sind zu einer generellen Gattungsbezeichnung geworden. Eine Ehre, die bei „Kaffee Hag“inzwischen an den Realitäten vorbeigeht: In Deutschland stammt nur noch etwa jede 40. Tasse Schonkaffee tatsächlich von dem traditionsreichen Bremer Hersteller, der seit 2015 zu dem Konzern Jacobs Douwe Egberts (JDE) gehört.
Und weil der Marktanteil von derzeit 2,4 Prozent kontinuierlich weiter sinkt, will JDE im ersten Quartal 2017 das Hag-Stammwerk am Bremer Holzhafen schließen. Soweit die schlechte Nachricht für die rund 50 Beschäftigten, für die jetzt eine „sozial verträgliche Lösung“gesucht wird. Die gute Nachricht für Hag-Liebhaber: Das Produkt bleibt samt seiner Markenbezeichnung erhalten. Was sich ändert, ist der Produktionsablauf, wie Konzernsprecher Dirk Friedrichs erläutert. Bisher ist das Bremer Werk dafür zuständig, dem importierten Rohkaffee das Koffein zu entziehen, sowohl für die Marke Hag als auch für weitere herzschonende Sorten des Konzerns. Anschließend wird die Ware zum Rösten, Mahlen und Verpacken an andere Werke weitertransportiert. Künftig soll der zentrale Arbeitsschritt der Entkoffeinierung nicht mehr in Eigenregie, sondern von Fremdfirmen erledigt werden.
Für die Hansestadt geht damit eine große Tradition zu Ende. 110 Jahre ist es jetzt her, dass der Bremer Kaufmann Ludwig Roselius (1874 bis 1943) die „Kaffee-Handels-Aktiengesellschaft“gründete, kurz Hag genannt. Der umtriebige und energische Hanseat, damals auch „König Ludwig“genannt, hatte zuvor gemeinsam mit Chemikern ein Verfahren entwickelt, um Koffein zu entfernen. Sein Motiv war angeblich der Herztod seines Vaters, eines Kaffeehändlers, der womöglich an zu vielen Probeschlückchen starb. Roselius ließ die rohen Kaffeebohnen zunächst mit Wasserdampf aufquellen. Dann entzog ein Lösungsmittel, nämlich Benzol, ihnen den Wachmacher, und am Ende wurde die Chemikalie durch Abdampfen wieder entfernt. 1907, ein Jahr nach der Firmengründung, startete die Produktion. Heute verwendet das Werk längst nicht mehr Benzol, sondern Kohlensäure aus natürlichen Quellen. Die Entkoffeinierung ist aber immer noch ein „sehr komplexes und kostenintensives Verfahren“, erläutert Konzernsprecher Friedrichs. Andere Hersteller, weiß Dieter Nickel von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG), arbeiten mit einer „chemischen Behandlung“, die wesentlich weniger aufwändig sei und „um Dimensionen billiger“. Falls also JDE künftig solche externen Entkoffeinierer für sich arbeiten lässt, kann der Konzern vermutlich viel Geld sparen. Dabei hätte er das aus NGG-Sicht gar nicht nötig. „Gier frisst Arbeitsplätze“, behauptet Gewerkschafter Nickel. Er wirft den Eignern vor, zu wenig für ihr Traditionsprodukt zu werben. Zu wenig Reklame: Diesen Vorwurf hätte man nicht dem Firmengründer machen können. Er inszenierte eine für damalige Verhältnisse unglaubliche Werbekampagne. Als Markenzeichen fungierte ein Rettungsring; 1926 kam ein rotes Herz hinzu. Roselius ließ auch ein passendes Kaffeegeschirr kreieren. 1929 brachte er sein zweites Erfolgsprodukt auf den Markt: den Kakaotrank „Kaba“.