Mittelschwaebische Nachrichten

Mit Wurstgabel­n durchs Weltall

TV-Kult „Raumpatrou­ille Orion“ist Nostalgie-Fernsehen zum Liebhaben. Der Serie waren nur sieben Folgen beschieden, aber das Team und ein Haushaltsg­erät spielten die Hauptrolle

- VON RUPERT HUBER

Augsburg Es war das Jahr, als Fußball-Deutschlan­d die WembleySch­mach erlitt. Als die Beatles ihre letzten Live-Konzerte gaben. Als am Samstagnac­hmittag immer Onkel Franz kam, mit seinen Peter Stuyvesant die Wohnung verstank und gegen den Beatclub anwetterte.

Es war 1966. Da begann auch eine kleine TV-Revolution, natürlich in Schwarz-Weiß. Die „Raumpatrou­ille Orion“startete am 17. September, also vor 50 Jahren, in das unendliche Weltall, unterstütz­t von der Münchner Produktion­sfirma Bavaria. Die siebenteil­ige Staffel, produziert von der ARD und samstags nach der „Tagesschau“zu sehen, verhalf dem damals 40-jährigen Dietmar Schönherr (1926-2014) zu bleibendem Ruhm.

Der Österreich­er überzeugte als sturköpfig­er „Orion“-Kommandant Cliff Allister McLane. Neun Tage zuvor hatte sich in den USA das „Raumschiff Enterprise“in ferne Galaxien aufgemacht. Von Rivalität kann trotzdem keine Rede sein. Zum einen kamen Captain Kirk und Co. erst 1973 deutsch synchronis­iert ins deutsche Fernsehen. Zum anderen kann ein Raumschiff Orion, dem aus finanziell­en Gründen keine Fortsetzun­g beschieden war, nicht mit einem Jahrhunder­tprojekt konkurrier­en.

Es war ohnedies unglaublic­h, was „Raumpatrou­ille – Die phantastis­chen Abenteuer des Raumschiff­es Orion“, so der frühere Titel, mit schlagfert­igen Dialogen, einer witzig-altbackene­n Technikspr­ache, angestreng­ter Bildmontag­e und einem großartige­n Team aufbot.

So meldet sich in der ersten Folge Dietmar Schönherr so: „Hier ist die Orion 7 unter Commander Cliff Allister McLane. An Oberste Raumbehörd­e, Sektion 12, Abteilung Astrotechn­ik über Jupiter außen und EAS 3.“Wenig später wird er strafverse­tzt und muss mit der neuen Chefin Tamara Jagellowsk (Eva zusammenar­beiten. Was ist denn nun das Besondere an dieser Orion, die die Erde von Bedrohunge­n aus dem All schützen soll?

Es ist die Crew, zu der unter anderem Hasso Sigbjörnso­n (Claus Holm), Mario de Monti (Wolfgang Völz), Atan Shubashi (Friedrich G. Beckhaus) und Helga Legrelle (Ursula Lillig) gehören. Skurrile Namen, die die Internatio­nalität an Bord illustrier­en sollen. „Liebes Kind“sagt McLane einmal zu der gestandene­n Jagellowsk. Wer jetzt glaubt, was von frauenfein­dlich sagen zu müssen, dem sei eine der Kultnächte empfohlen, die hin und wieder in Kinos stattfinde­n. Wo fast jeder Dialog mitgesproc­hen wird und die mit einer Art merkwürdig quergesche­itelter Courrèges-Frisur ausgestatt­eten TV-Frauen schnell von Begriff sind.

Eine vor allem hatte es den jungen Männern wie den Frauen angetan. Lydia van Dyke, Befehlshab­erin der Schnellen Raumverbän­de, gespielt von Charlotte Kerr – messerscha­rfer Intellekt, streng und fähig zu PingPong-Dialogen. Es war eine verrückte Welt. Im „Starlight Casino“ tanzte die Crew am Feierabend so verrenkt zappelig, dass man darin nur eine Parodie auf die frühe Disco-Ära sehen konnte.

Für Lacher sorgte auch die technische Ausstattun­g. Womit wir vor allem bei jenem legendären Bügeleisen wären, das eine bedeutende Rolle bei der Steuerung spielte. Wasserhähn­e, Bleistifts­pitzer und Garnrollen vervollstä­ndigten des Arsenal des Orion-Kampfstand­s. Roboter griffen mit Wurstgabel­n und TeePflug) löffeln zu. Vermutlich ein Albtraum für jeden Kuka-Mitarbeite­r.

Berühmt ist der Eingangssa­tz der Serie: „Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichke­it sein... es gibt keine Nationalst­aaten mehr.“Wohlgemerk­t, die Serie spielt im Jahr 3000. Die Vision mit der Auflösung der Nationalst­aaten wird wohl nach heutiger Kenntnis Science-Fiction bleiben. Uns bleibt eine vergnüglic­he Erinnerung.

Für eine Fortsetzun­g fehlte das Geld

 ?? Foto: WDR/Bavaria ?? Die Besatzung des Raumkreuze­rs (von links): Mario de Monti (Wolfgang Völz), Major Cliff Allister McLane (Dietmar Schönherr), Tamara Jagellowsk (Eva Pflug), Atan Shubashi (Friedrich G. Beckhaus) und Helga Legrelle (Ursula Lillig).
Foto: WDR/Bavaria Die Besatzung des Raumkreuze­rs (von links): Mario de Monti (Wolfgang Völz), Major Cliff Allister McLane (Dietmar Schönherr), Tamara Jagellowsk (Eva Pflug), Atan Shubashi (Friedrich G. Beckhaus) und Helga Legrelle (Ursula Lillig).
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Foto: Oliver Berg, dpa Josef Hilger betreibt in Nordrhein-Westfalen ein Orion-Museum. Hier zeigt er das Bügeleisen, das im Raumschiff als Steuergerä­t diente

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