Mittelschwaebische Nachrichten

Sie schaffen Freiraum für Pflegende und Kranke

Seit zehn Jahren gibt es den Gesprächsk­reis für Angehörige von Alzheimer-Erkrankten und die Begegnungs­gruppe für Demenzkran­ke. Was in diesen Gruppen gemacht wird

- VON ANGELIKA STALLA

Krumbach Freiraum schaffen – für beide Seiten. Darum geht es beim Gesprächsk­reis für Angehörige von Alzheimer-Erkranken und verwirrten älteren Menschen in Krumbach und der Begegnungs­gruppe für Demenzkran­ke. Die Selbsthilf­egruppen treffen sich nunmehr seit zehn Jahren in den Räumen des Altenheims der Arbeiterwo­hlfahrt in Krumbach. Hier soll nun auch am Freitag, 30. September, ab 16 Uhr gefeiert werden.

Regina Schütz von der Fachstelle für pflegende Angehörige und Initiatori­n der Gruppe, Kooperatio­nspartneri­n Monika Drexler vom Hospizvere­in Krumbach sowie Dr. Anneliese Hösch, die im Klinikum Krumbach die Leitung der Akutgeriat­rie innehat und Vorsitzend­e des Hospizvere­ins ist, blicken zu den Anfängen der Gruppe zurück. „Die Nachfrage einer pflegenden Angehörige­n bei uns in der Seniorenfa­chstelle im Landratsam­t gab damals den Anstoß“, erinnert sich Regina Schütz. In Günzburg existierte bereits seit zwei Jahren eine Gruppe, in Krumbach wurde in Zusammenar­beit mit dem Hospizvere­in zunächst nach Räumen gesucht. Gefunden wurden diese im Altenheim der Arbeiterwo­hlfahrt. Noch immer treffen sich dort jeden Dienstag von 14.15 bis 17 Uhr Demenzkran­ke mit den ehrenamtli­chen Helfern im Speisesaal des Altheims, einmal im Monat treffen sich außerdem die Angehörige­n ebenfalls dienstags im Schulungsr­aum. „Heimat“, nennt Dr. Anneliese Hösch die bereits so vertraut gewordenen Räume des Altenheims, die für die Gruppen „ideal“seien.

In der Begegnungs­gruppe kümmern sich ehrenamtli­che Helfer um die Demenzkran­ken. Es wird gemeinsam Kaffee getrunken, Kuchen gegessen, gelesen und gesungen. „Die Kranken sollen aktiviert werden“, erklärt Monika Drexler. Singen beispielsw­eise sei etwas, das viele Demenzkran­ke anspreche und zum Mitmachen motiviere. In der Gruppe bleibt der Demenzkran­ke für einen Nachmittag. So entstehe Freiraum, nicht nur für den Pflegenden, sondern auch für den Kranken, erklärt Regina Schütz. Der Pflegende könne zumindest für einige Stunden seine Angelegenh­eiten erledigen und lerne, den Gepflegten auch abzugeben. Aber auch der Demenzkran­ke könne in der Gruppe neue Seiten entwickeln, die er im Alltag vielleicht nicht hat.

80 Helfer und 20 interkultu­relle Helfer hat Regina Schütz im gesamten Landkreis mittlerwei­le um sich versammelt. Wer helfen will, muss eine 40-stündige Basis-Schulung mitmachen und jedes Jahr an einem achtstündi­gen Auffrischu­ngskurs teilnehmen. Ein Teil der Helfer ist auch im Krumbacher Hospizvere­in aktiv. Zunächst können die Demenzkran­ken am Dienstagna­chmittag zur Begegnungs­gruppe gebracht werden. Geht dies nicht mehr, gibt es auch einen Helferkrei­s zur stundenwei­sen Entlastung pflegender Angehörige­r.

Die Angehörige­ngruppe trifft sich jeweils am ersten Dienstag im Monat zur gleichen Zeit wie die Begegnungs­gruppe, damit die an einer Demenz Erkrankten in dieser Zeit betreut sind. Es kommen Partner von Demenzkran­ken, aber auch Söhne und Töchter. Worum es in dieser Gruppe geht? „Es findet ein Austausch statt, wie es zu Hause läuft, man spricht über Erfahrunge­n und Experten referieren zu verschiede­nen Themen“, fasst Monika Drexler zusammen. Man lerne, die Situation anzunehmen. „Und die Angehörige­n lernen die Helfer kennen und erfahren: Da ist jemand, an den ich mich wenden kann“, sagt Dr. Anneliese Hösch. Was ihr ganz wichtig ist: „Betroffene können ihre Probleme schildern und können sich gegenseiti­g helfen und stützen.“Jemand der das Problem kenne, habe ein ganz anderes Verständni­s dafür. Gerade beim Umgang mit Demenzkran­ken hält Dr. Hösch diesen Austausch für wichtig, da die Demenz alle Bereiche des Alltags betreffe und Betroffene die „Experten des Alltags“seien. Wer selbst erlebt hat, wie es sich anfühlt, wenn der Partner nachts jede Stunde aufsteht, um sich für die Arbeit fertigzuma­chen, weiß wie belastend das ist. Wer erlebt hat, dass der Vater nicht mehr dass er eine Tochter hat, kann auch das nachvollzi­ehen. „Es wird ganz ehrlich gesprochen und manchmal auch geheult“, berichtet Monika Drexler. Regina Schütz ergänzt, dass aber auch der Spaß nicht zu kurz kommen dürfe. Humor ist deshalb auch das Thema des Vortrages auf der Feier zum zehnjährig­en Bestehen. Humorthera­peut Markus Proske referiert zum Thema „Demenz – Humor kann helfen“.

Die Selbsthilf­egruppen in Krumbach bestehen seit zehn Jahren, in Günzburg seit zwölf Jahren und in Ichenhause­n seit zwei Jahren. Was sich geändert hat in der Zeit: Das Thema Demenz ist mittlerwei­le in der Öffentlich­keit bekannt. Darin sind sich die drei Expertinne­n einig. Man wisse auch, dass nicht nur die Erkrankten eine besondere Hilfe brauchen, sondern auch die Pflegenden bis an die Belastungs­grenze gehen, wenn Eltern oder Partner gepflegt werden müssen. „Die Angehörige­n sind heute viel informiert­er“, fasst Regina Schütz zusammen.

Doch nach wie vor werde das Thema Demenz in der Familie oft ignoriert oder verdrängt. Erst wenn die Belastungs­grenze überschrit­ten ist, werde nach Unterstütz­ung gesucht. Noch immer sei eine Schwelle da, bestehende Angebote anzunehwei­ß, men. „Oft sind die Angehörige­n so eingebunde­n, dass sie gar nicht dazukommen“, nennt Dr. Hösch eine Ursache. „Es fehlt die Kraft rauszukomm­en“, ergänzt Regina Schütz. Der Pflegende ist so beschäftig­t, dass er gar nicht zum Nachdenken kommt. Auch das sei eine Folge der Krankheit. Durch die Teilnahme an der Selbsthilf­egruppe oder die Betreuung in der Begegnungs­gruppe entstehen für die Betroffene­n übrigens keine Kosten.

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Symbolbild: Patrick Pleul, dpa Nicht nur die Erkrankten brauchen eine besondere Hilfe, sondern auch die Pflegenden, die bis an die Belastungs­grenze gehen, wenn Eltern oder Partner gepflegt werden müssen. Doch nach wie vor wird das Thema Demenz in der Familie oft ignoriert oder...
 ?? Foto: Angelika Stalla ?? Seit zehn Jahren in Sachen Demenzgrup­pe aktiv: (von links) Regina Schütz von der Fachstelle pflegende Angehörige, Monika Drexler, Pflegedien­stleiterin bei der Hospizinit­iative Krumbach und Dr. Anneliese Hösch, leitende Geriaterin der Klinik Krumbach...
Foto: Angelika Stalla Seit zehn Jahren in Sachen Demenzgrup­pe aktiv: (von links) Regina Schütz von der Fachstelle pflegende Angehörige, Monika Drexler, Pflegedien­stleiterin bei der Hospizinit­iative Krumbach und Dr. Anneliese Hösch, leitende Geriaterin der Klinik Krumbach...

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