Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn ein Selfie lebensgefährlich ist
Ein Polizist zeigte Schülerinnen des Maria-Ward-Gymnasiums, wie schnell eine leichtsinnige Aktion an der Bahnstrecke tragisch enden kann
Günzburg Zwei parallele Bahngleise als Fotosymbol für die ewige Freundschaft: Auf lebensgefährliche Einfälle wie diese kommen Jugendliche immer wieder. Besonders dann, wenn das außergewöhnliche Bildmotiv in den sozialen Netzwerken viel Aufmerksamkeit verspricht. Am Günzburger MariaWard-Gymnasium fand deshalb für die Schülerinnen der achten und neunten Klassen ein Informationstag zum Thema „Sicheres Verhalten an Bahnanlagen“statt. Der Augsburger Bundespolizist Timo Weber machte den Mädchen an alltäglichen Beispielen deutlich, wie gefährlich scheinbar harmlose Leichtsinnigkeiten sein und wie tragisch sie enden können.
Ob es das Selfie im Gleisbett war, wegen dem zwei Jugendliche einen Zug nicht mehr rechtzeitig bemerkten, die Unaufmerksamkeit durch Kopfhörer oder ein Kinderwagen, der hinter der weißen Linie am Bahnsteig stand, vom Sog eines vorbeifahrenden ICE erfasst und ins Gleisbett geschleudert wurde. Diese zwar gestellten aber deshalb nicht weniger erschreckenden Videos der Bahn und der Bundespolizei ließen die Mittelstufenschülerinnen nicht kalt. Wie verlockend ist schließlich die Abkürzung über die Bahngleise zum Fahrkartenautomat oder zum gegenüberliegenden Gleis, um den Zug zur Schule noch rechtzeitig zu erreichen.
Polizist Weber erklärte, dass an den kleineren Bahnübergängen, von denen es im Landkreis Günzburg viele gibt, die meisten Unfälle passieren. Besonders gefährlich werde es dann, wenn kurz vor einem Regionalzug ein ICE mit 200 Kilometern pro Stunde durch den Bahnhof rast. Auf die Frage, ob ein Lokführer nicht noch rechtzeitig bremsen könne, wenn er sieht, dass sich jemand auf den Gleisen aufhält, antwortete Weber mit einer ICE-Simulation. Dieses Video zeigt einen Zug auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke Nürnberg-Ingolstadt, wo die Züge zum Teil auf 300 Stundenkilometern beschleunigen – eine Geschwindigkeit, die für Menschen nicht mehr richtig einzuschätzen ist. Drei Kilometer braucht der ICE bei voller Fahrt, um bei einer Vollbremsung zum Stehen zu kommen.
Doch nicht nur fahrende Züge sind eine Gefahr, sagte Weber. Eines der Videos zeigte eine Gruppe Jugendlicher, die nachts an einem Güterbahnhof unterwegs war. Ein junger Mann stieg auf einen stehenden Waggon – und war dort der vollen Kraft der Oberleitungen ausgesetzt, die unter einer Spannung von 15 000 Volt stehen. „Da kommt man nicht lebend raus“, betonte Weber. Dabei sei es nicht einmal nötig, die Leitung zu berühren. „Ab einem Meter Abstand wird es lebensgefährlich.“Eine Schülerin erkundigte sich nach Filmstunts, bei denen Verfolgungsjagden auf Zugdächern fortgesetzt werden und Protagonisten bei voller Fahrt abspringen und sich abrollen. Es gebe zwar Streckenabschnitte ohne Oberleitungen, sagte Weber, allerdings warnte er auch dort eindringlich davor, auf einen Waggon zu steigen. Zweiteres gebe es wohl nur im Film.
Zwei tatsächlich passierte Beispiele hatte der Polizist aber auch noch im Gepäck: Eine Überwachungskamera zeichnete einen jungen Mann dabei auf, wie er bei geschlossener Schranke über die Gleise lief. Für ihn ging es um Haaresbreite glimpflich aus – der durchfahrende Zug riss ihm den Schuh vom Fuß, er kam mit dem Schrecken davon. Anders endete ein vermeintlicher Scherz für einen Buben namens Daniel. Dieser hatte sich von Freunden dazu überreden lassen, Steine auf die Schienen zu legen, damit diese zerplatzten, wenn der Zug darüber fährt. Ein Splitter traf Daniel am Kopf – sein Gehirn wurde dabei so stark beschädigt, dass er nun mit Hilfe eines Therapeuten wieder sprechen lernen muss. Er habe damals kein Angsthase sein wollen, steht in dem öffentlichen Brief, den Weber vorliest. Doch manchmal sei es gut, der Angsthase zu sein.