Mittelschwaebische Nachrichten

Rechtsanwä­ltin landet auf der Anklageban­k

Warum sich eine Juristin vor Gericht verantwort­en muss

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Neu-Ulm Sie kennt die Anklageban­k des Neu-Ulmer Amtsgerich­tes nur zu gut. Als Verteidige­rin sitzt sie regelmäßig dort, um ihren Mandanten juristisch­en Beistand zu leisten. Diese Woche musste die Neu-Ulmer Rechtsanwä­ltin erneut im Gerichtssa­al Platz nehmen – diesmal allerdings als Angeklagte.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft der 46-Jährigen vor, einem Mandanten nach einem Drogenfund in dessen Wohnung Tipps gegeben zu haben, wie er die Straftat am besten einem Kumpel unterschie­ben könnte. Dieser hatte das dem heute 26-Jährigen als Freundscha­ftsdienst angeboten, weil er wegen mehrerer Straftaten ohnehin gerade auf einen Prozess wartete – da kommt es dann auf die paar Gramm Ecstasy auch nicht mehr an, war die Idee des 17-Jährigen. Er spann daraufhin eine Geschichte, wie und wo er die Drogen denn gekauft und warum er sie dann in der Wohnung seines Kumpels versteckt habe. Bei einem Gespräch mit der Anwältin soll diese ihm dann – angeblich wohlwissen­d, dass er eigentlich unschuldig ist – erklärt haben, dass er sich vor Polizei und Gericht möglichst jugendlich lässig geben und eine Baseballca­p tragen soll, um seine Version der Geschichte möglichst glaubhaft zu verkaufen. So steht es jedenfalls im Vernehmung­sprotokoll eines Hauptkommi­ssars der Neu-Ulmer Polizei, der den 17-Jährigen damals vernommen hatte – und der damit einen Stein ins Rollen brachte, der nun, drei Jahre später, die Anwältin wegen versuchter Strafverei­telung und Beihilfe zum Vortäusche­n einer Straftat vor das Amtsgerich­t brachte.

„Das ist absurd, die Anklage ist schlichtwe­g falsch“, erklärte die Rechtsanwä­ltin dort im Beisein ihres Verteidige­rs. Sie habe dem 17-Jährigen weder entspreche­nde Tipps gegeben, noch habe sie gewusst, dass dessen Geschichte eigentlich gelogen war.

Dies sei erst kurz vor der damaligen Hauptverha­ndlung gegen den 26-Jährigen aufgekomme­n, in der dieser schließlic­h auch alles zugab. Für ihn hatte die ausgedacht­e Lügengesch­ichte damit schlussend­lich gar keine Relevanz mehr, wohl aber für die Rechtsanwä­ltin, die bereits ins Visier der Staatsanwä­lte geraten war.

Vor dem Amtsgerich­t musste nun Richter Thomas Mayer darüber befinden, ob die Anwältin tatsächlic­h wissentlic­h beinahe ein falsches Spiel mitgespiel­t hätte. Ihr damaliger Mandant, bei dem die Drogen gefunden worden waren, nahm sie jedoch in Schutz. Er habe seiner Anwältin damals erzählt, dass sein Kumpel alles auf sich nehmen werde. Sie habe nicht gewusst, dass es sich dabei um eine Lüge handelte. Und auch der heute 21-jährige Kumpel belastete die Anwältin nicht mehr. Er könne sich an die Gespräche nicht mehr wirklich erinnern, ebenso wenig an die vermeintli­chen Tipps der Anwältin. Er wisse aber noch gut, dass der Polizist ihn damals regelrecht ausgequets­cht habe: „Der wollte unbedingt von mir was hören, egal was.“Besagter Hauptkommi­ssar soll nun an einem zweiten Verhandlun­gstag in den Zeugenstan­d treten. Während Richter Mayer Zweifel daran äußerte, dass dieser nach drei Jahren noch Erhellende­s beitragen könne, ließ sich der Staatsanwa­lt von der Fortsetzun­g der Verhandlun­g nicht abbringen. Seine Anklage stützt sich im Wesentlich­en auf das Protokoll des Polizisten. (bmi)

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