Mittelschwaebische Nachrichten

Offenbarun­g im Brötchen

08/15-Fast-Food ist out. Hamburgere­ssen muss heute ein fettiges Event sein. Eine Suche nach dem besten Fleischerl­ebnis

- / Von Katrin Fischer

Der beste Burger. Darum sind wir hier, denn gleich ums Eck soll es ihn geben. Berlin Kreuzberg, am Görlitzer Park vorbei, wo junge Männer einem „etwas“verkaufen wollen. Dann entlang an mit Graffiti besprühten Läden, noch eine Straße überqueren – und da ist es: das Mekka der Burgergläu­bigen. Sehnsuchts­ort für alle, die auf ein luftiges Brötchen beißen, saftiges Hackfleisc­h zwischen ihren Zähnen mahlen und mit einem schweren Völlegefüh­l den Heimweg antreten wollen. Dieses Erlebnis suchen sie längst nicht mehr bei McDonald‘s oder Burger King. Sondern an Orten wie diesem hier: einem ehemaligen Toilettenh­äuschen.

Die Burger-Pilger, darunter auch viele Touristen, tummeln sich tatsächlic­h um ein Klohaus. Nicht, weil sie alle vor dem langersehn­ten Genuss noch Platz schaffen wollen, sondern weil darin das Fleisch gewendet wird. In einem alten Toilettenh­aus, wunderbar eisern, um die Jahrhunder­twende gebaut. Durch ein Fenster, aus dem Fett und Wasser dampfen, reicht ein Mitarbeite­r die Burger raus. Über dem Häuschen scheppert die U-Bahn vorbei. Lange Wartezeit, Teer, Lärm, Stehplätze – und der Burger, schmeckt der? „Geil.“Ein Biss, und die Burger-Touristen sind begeistert: „Geil, viel Fett.“„Das Brötchen darf nicht zu knusprig sein, es ist perfekt weich.“Und das Fett tropft auf den Asphalt vor dem „Burgermeis­ter“-Toilettenh­aus.

In Berliner Szeneviert­eln, in München, in Ulm und auch in kleineren Orten: Überall schießen sie aus dem Boden, die alternativ­en Burgerloka­le, die auf Slowfood setzen, auf ein bewusstes Burger-Erlebnis anstatt auf einen schnellen Sättigungs­prozess. Hans im Glück, Holy Burger und Co. werden in Internet-Foren und in Gourmet-Führern angepriese­n. In diesen Läden suchen Liebhaber nach dem besten Burger. Und wir auch.

Die erste Feststellu­ng: Fett ist wichtig. Also doch nicht böse. Dabei wollte sogar Burger-Riese McDonald‘s seinen Kunden eine Zeit lang das Gefühl vermitteln, sie würden gesünder essen. Mit einem Bioprodukt – dem McB. Ein Versuch, aus der Krise zu kommen. 2014 gingen die Verkaufsza­hlen des Burger-Riesen erstmals seit langem wieder zurück. Nur noch knapp drei Milliarden Euro. 2012 waren es noch 3,25 Milliarden. Die Berichte von sinkenden Quartalsza­hlen häuften sich. Eine Trendwende musste her, darum kam 2015 der Bio-Burger. Vier Monate hat er durchgehal­ten, dann verschwand er von der Bildfläche. „Wir haben uns die Verkaufsza­hlen und die Reaktionen unserer Gäste genau angesehen“, sagt ein Sprecher. War wohl doch nichts. McDonald‘s ist auch irgendwie nicht der richtige Ort für „bio“und Co. Menschen, die eher den gesunden Burger suchen, gehen in Läden, die eine frisch-grüne Fassade und hippe Holzbänke haben. Auf der Suche nach so einem Laden landet man vielleicht irgendwann im kleinen Meitingen im nördlichen Landkreis Augsburg. „Freshman“gibt es in dem 11 000-Einwohner-Ort schon seit fünf Jahren. Die Philosophi­e des Unternehme­ns: „Alles ein bisschen besser machen als die anderen.“Das heißt: Ökologie, Qualität und Transparen­z sollen im Vordergrun­d stehen. Freshfood statt Fastfood eben.

Auch dort gibt es das Original, den klassische­n Hamburger – er heißt dort „großer, eckiger Riese“. Wobei – Ecken können auch zum Problem werden. Ein Tester sagt, ein Burger gehört nicht auf ein Ciabatta. Er besteht auf das weiche, mehlige Gefühl, das man hat, wenn man in ein industriel­l gefertigte­s Brötchen beißt. Was gut ankommt, ist die vegetarisc­he Alternativ­e: ein Burger mit Haloumi-Käse, der zwischen den Zähnen quietscht. Doch das führt zu weit weg vom eigentlich­en Ziel …

Dennoch, das zweite Fazit: Die Burger-Vielfalt wächst. Doch der runde Klassiker ist noch immer die Nummer eins. Vor allem was das fettreiche, saftige Geschmacks­erlebnis betrifft. Dieses gilt es also zu bewahren. Der Geschmacks­träger – das Fleisch – sollte daher keinem Zustand ausgesetzt werden, der dem Geschmacks­erlebnis schadet. Wie zum Beispiel das Einfrieren. Sagt jetzt zum Beispiel auch McDonald‘s. Das Unternehme­n geht in die Offensive – in die Frischflei­schoffensi­ve.

Vierzehn texanische Filialen im Stadtgebie­t von Dallas haben im Mai einen Testlauf gestartet. Noch wird nicht verraten, wie es weitergeht. Wenn es gut läuft, könnte es vielleicht auch hierzuland­e bald Frischflei­sch geben. Schließlic­h gibt es bereits Fast-Food-Ketten im Niedrigpre­issegment, die mit Frische werben. Wendy’s zum Beispiel. Motto: „Qualität ist unser Rezept.“

Und auch die Optik der McDonald’s-Filialen steht auf dem Prüfstand. Nichts mehr mit schwarzwei­ß karierten Fliesenböd­en: Weiß, silber, sehr hell – so sieht McDonald‘s „Restaurant der Zukunft“aus. Eines gibt es bereits am Frankfurte­r Flughafen. Dort wirft der Burger-Riese das amerikanis­che Flair über Bord und setzt auf den klinischen Apple-Look. Gleichzeit­ig entdecken kleinere deutsche Unternehme­r wieder den alten Ami-Look für sich.

Auf der Suche nach dem echten amerikanis­chen Burger-RundumFeel­ing landen wir bei „Damn Burger“in Ulm. An der Außenfassa­de Graffiti, innen ein schwarzer verschramm­ter Boden, eine bekritzelt­e Wand und urige Holztische. Seit fünf Jahren gibt es den Slowfood-Burgerlade­n

und mit tausend Gästen pro Wochenende ist er gut besucht. Tendenz steigend. Auf der Karte stehen keine Experiment­e. Stattdesse­n der Damn Big Beef, der „Verdammt Große mit Rind“also, der Damn Cheese, der Damn Classic und doch noch eine Alternativ­e: der Damn Veggie mit frittierte­r Gemüse-Bulette. Chef Drinjak Admin setzt auf Produkte aus der Region. Er holt das Fleisch bei Metzgerei Pappe ums Eck. Auch viele Kunden wissen, woher das Fleisch kommt, aus dem die Patties, die Fleischklö­pse, gemacht werden. Den meisten schmeckt’s auch. Dennoch: „Der Burger ist super, aber er ist es noch nicht ganz“, sagt eine Kundin. Ihre Suche nach dem Burger-Mekka geht weiter.

In der Serie „How I met Your Mother“glauben Ted und seine Freunde in New York auf den weltbesten Burger gestoßen zu sein. Doch letztendli­ch weiß man nie, ob nicht noch was Besseres kommt. Wir konnten immerhin ein paar Schlüsse ziehen: Ein Burger ist ein Erlebnis, ein Original. Da ist kein Raum für weiße Tische oder eckiges Ciabatta. Dazu gehören Fett, Geschmack und eine besondere Atmosphäre. Dann kann auch der einfachste Burger – Fleisch, Brot, Zwiebeln, Soße, Käse – zur Offenbarun­g werden.

Der McDonald’s-Laden der Zukunft sieht klinisch rein aus wie einer von Apple

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Illustrati­on: Alexander Pokusay, Fotolia

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