Mittelschwaebische Nachrichten
Offenbarung im Brötchen
08/15-Fast-Food ist out. Hamburgeressen muss heute ein fettiges Event sein. Eine Suche nach dem besten Fleischerlebnis
Der beste Burger. Darum sind wir hier, denn gleich ums Eck soll es ihn geben. Berlin Kreuzberg, am Görlitzer Park vorbei, wo junge Männer einem „etwas“verkaufen wollen. Dann entlang an mit Graffiti besprühten Läden, noch eine Straße überqueren – und da ist es: das Mekka der Burgergläubigen. Sehnsuchtsort für alle, die auf ein luftiges Brötchen beißen, saftiges Hackfleisch zwischen ihren Zähnen mahlen und mit einem schweren Völlegefühl den Heimweg antreten wollen. Dieses Erlebnis suchen sie längst nicht mehr bei McDonald‘s oder Burger King. Sondern an Orten wie diesem hier: einem ehemaligen Toilettenhäuschen.
Die Burger-Pilger, darunter auch viele Touristen, tummeln sich tatsächlich um ein Klohaus. Nicht, weil sie alle vor dem langersehnten Genuss noch Platz schaffen wollen, sondern weil darin das Fleisch gewendet wird. In einem alten Toilettenhaus, wunderbar eisern, um die Jahrhundertwende gebaut. Durch ein Fenster, aus dem Fett und Wasser dampfen, reicht ein Mitarbeiter die Burger raus. Über dem Häuschen scheppert die U-Bahn vorbei. Lange Wartezeit, Teer, Lärm, Stehplätze – und der Burger, schmeckt der? „Geil.“Ein Biss, und die Burger-Touristen sind begeistert: „Geil, viel Fett.“„Das Brötchen darf nicht zu knusprig sein, es ist perfekt weich.“Und das Fett tropft auf den Asphalt vor dem „Burgermeister“-Toilettenhaus.
In Berliner Szenevierteln, in München, in Ulm und auch in kleineren Orten: Überall schießen sie aus dem Boden, die alternativen Burgerlokale, die auf Slowfood setzen, auf ein bewusstes Burger-Erlebnis anstatt auf einen schnellen Sättigungsprozess. Hans im Glück, Holy Burger und Co. werden in Internet-Foren und in Gourmet-Führern angepriesen. In diesen Läden suchen Liebhaber nach dem besten Burger. Und wir auch.
Die erste Feststellung: Fett ist wichtig. Also doch nicht böse. Dabei wollte sogar Burger-Riese McDonald‘s seinen Kunden eine Zeit lang das Gefühl vermitteln, sie würden gesünder essen. Mit einem Bioprodukt – dem McB. Ein Versuch, aus der Krise zu kommen. 2014 gingen die Verkaufszahlen des Burger-Riesen erstmals seit langem wieder zurück. Nur noch knapp drei Milliarden Euro. 2012 waren es noch 3,25 Milliarden. Die Berichte von sinkenden Quartalszahlen häuften sich. Eine Trendwende musste her, darum kam 2015 der Bio-Burger. Vier Monate hat er durchgehalten, dann verschwand er von der Bildfläche. „Wir haben uns die Verkaufszahlen und die Reaktionen unserer Gäste genau angesehen“, sagt ein Sprecher. War wohl doch nichts. McDonald‘s ist auch irgendwie nicht der richtige Ort für „bio“und Co. Menschen, die eher den gesunden Burger suchen, gehen in Läden, die eine frisch-grüne Fassade und hippe Holzbänke haben. Auf der Suche nach so einem Laden landet man vielleicht irgendwann im kleinen Meitingen im nördlichen Landkreis Augsburg. „Freshman“gibt es in dem 11 000-Einwohner-Ort schon seit fünf Jahren. Die Philosophie des Unternehmens: „Alles ein bisschen besser machen als die anderen.“Das heißt: Ökologie, Qualität und Transparenz sollen im Vordergrund stehen. Freshfood statt Fastfood eben.
Auch dort gibt es das Original, den klassischen Hamburger – er heißt dort „großer, eckiger Riese“. Wobei – Ecken können auch zum Problem werden. Ein Tester sagt, ein Burger gehört nicht auf ein Ciabatta. Er besteht auf das weiche, mehlige Gefühl, das man hat, wenn man in ein industriell gefertigtes Brötchen beißt. Was gut ankommt, ist die vegetarische Alternative: ein Burger mit Haloumi-Käse, der zwischen den Zähnen quietscht. Doch das führt zu weit weg vom eigentlichen Ziel …
Dennoch, das zweite Fazit: Die Burger-Vielfalt wächst. Doch der runde Klassiker ist noch immer die Nummer eins. Vor allem was das fettreiche, saftige Geschmackserlebnis betrifft. Dieses gilt es also zu bewahren. Der Geschmacksträger – das Fleisch – sollte daher keinem Zustand ausgesetzt werden, der dem Geschmackserlebnis schadet. Wie zum Beispiel das Einfrieren. Sagt jetzt zum Beispiel auch McDonald‘s. Das Unternehmen geht in die Offensive – in die Frischfleischoffensive.
Vierzehn texanische Filialen im Stadtgebiet von Dallas haben im Mai einen Testlauf gestartet. Noch wird nicht verraten, wie es weitergeht. Wenn es gut läuft, könnte es vielleicht auch hierzulande bald Frischfleisch geben. Schließlich gibt es bereits Fast-Food-Ketten im Niedrigpreissegment, die mit Frische werben. Wendy’s zum Beispiel. Motto: „Qualität ist unser Rezept.“
Und auch die Optik der McDonald’s-Filialen steht auf dem Prüfstand. Nichts mehr mit schwarzweiß karierten Fliesenböden: Weiß, silber, sehr hell – so sieht McDonald‘s „Restaurant der Zukunft“aus. Eines gibt es bereits am Frankfurter Flughafen. Dort wirft der Burger-Riese das amerikanische Flair über Bord und setzt auf den klinischen Apple-Look. Gleichzeitig entdecken kleinere deutsche Unternehmer wieder den alten Ami-Look für sich.
Auf der Suche nach dem echten amerikanischen Burger-RundumFeeling landen wir bei „Damn Burger“in Ulm. An der Außenfassade Graffiti, innen ein schwarzer verschrammter Boden, eine bekritzelte Wand und urige Holztische. Seit fünf Jahren gibt es den Slowfood-Burgerladen
und mit tausend Gästen pro Wochenende ist er gut besucht. Tendenz steigend. Auf der Karte stehen keine Experimente. Stattdessen der Damn Big Beef, der „Verdammt Große mit Rind“also, der Damn Cheese, der Damn Classic und doch noch eine Alternative: der Damn Veggie mit frittierter Gemüse-Bulette. Chef Drinjak Admin setzt auf Produkte aus der Region. Er holt das Fleisch bei Metzgerei Pappe ums Eck. Auch viele Kunden wissen, woher das Fleisch kommt, aus dem die Patties, die Fleischklöpse, gemacht werden. Den meisten schmeckt’s auch. Dennoch: „Der Burger ist super, aber er ist es noch nicht ganz“, sagt eine Kundin. Ihre Suche nach dem Burger-Mekka geht weiter.
In der Serie „How I met Your Mother“glauben Ted und seine Freunde in New York auf den weltbesten Burger gestoßen zu sein. Doch letztendlich weiß man nie, ob nicht noch was Besseres kommt. Wir konnten immerhin ein paar Schlüsse ziehen: Ein Burger ist ein Erlebnis, ein Original. Da ist kein Raum für weiße Tische oder eckiges Ciabatta. Dazu gehören Fett, Geschmack und eine besondere Atmosphäre. Dann kann auch der einfachste Burger – Fleisch, Brot, Zwiebeln, Soße, Käse – zur Offenbarung werden.
Der McDonald’s-Laden der Zukunft sieht klinisch rein aus wie einer von Apple