Mittelschwaebische Nachrichten
Der letzte Wikinger
Harald Sigurdsson, der letzte Wikinger, war tot. Ein Engländer namens Harold Godwinson besiegte den Norweger, als der mal wieder die britische Insel überfiel. Das war im Jahr 1066. Danach war Schluss mit den ständigen Wikinger-Überfällen, die jahrhundertelang die Inselbewohner in Furcht und Schrecken versetzt hatten.
Nicht nur die Bewohner der britischen Inseln: Harald Sigurdsson wagte sich – wie viele seiner Lands- leute vor ihm – auf seinen Raubfahrten auch tief hinein in den europäischen Kontinent. Er war ein Wikinger mit königlichen Ambitionen, aber es trieb ihn zunächst einmal hinaus in die Welt und in ein abenteuerliches Leben.
Harald verdingte sich auf viele Jahre bei den Russen in Kiew. Dort brachte er es zum Militärkommandanten. Dann zog es ihn noch weiter nach Südost. In Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, befehligte er die kaiserliche Garde. Eineinhalb Jahrzehnte verbrachte er als Legionär fern seiner skandinavischen Heimat. Das hatte einen politischen Grund: Sein Geburtsland Norwegen befand sich in dänischer Hand. Und Harald wartete auf den rechten Zeitpunkt, um in einem befreiten Norwegen den Königsthron zu besteigen. Als ihm das schließlich gelang, war ihm das bald nicht mehr genug. Er wollte den Spieß umdrehen und von Norwegen aus auch den dänischen Thron besteigen. Aber er schaffte es nie ganz, die Dänen in die Knie zu zwingen. Bedauerlich für ihn; aber da lag ja noch – eine gemütliche LangschiffReise in westlicher Richtung – ein verlockendes Inselkönigreich. Harald zog es nicht nur wegen der Beute nach England: Er wollte auch dort nach der Königskrone greifen. Diesem Ziel galt seine letzte Attacke, die ihn über die Inseln Shetland und Orkney nach Nordengland führte. Harald hielt sich für den legitimen Nachfolger des gerade verstorbenen englischen Königs Edward. Aber noch ehe er die Insel erreichte, hatte sich sein englischer Namensvetter Harold die Krone aufs Haupt gesetzt. Es kam zur Entscheidungsschlacht. Harald wurde von einem Pfeil tödlich getroffen. Harold blieb der Sieger – für den Moment. Noch im gleichen Jahr eroberte ein gewisser William, ein in Frankreich niedergelassener Skandinavier, von der Normandie aus das englische Königreich. In England begann 1066 eine neue Zeitrechnung. In Skandinavien endete die Zeit der Wikinger.