Mittelschwaebische Nachrichten
„Ich war ein lächerlicher Idiot“
Für Status Quo beginnt die Zeit des Abschieds. Sänger Francis Rossi spricht sehr offen über die Sünden von einst, das Altern und die Selbstironie
Francis, ihr habt in Deutschland eine große, sehr treue Fangemeinde. Wie kommt das?
Francis Rossi: Das ist wahr, wir gehören bei euch so ein bisschen zur Familie. Wir spielen seit vielen Jahrzehnten bei euch, und Deutschland ist das Land, in dem ich fast alle meine Klamotten kaufe. Und ich liebe die deutschen Frikadellen. Alle sagen immer „Oh, das Schnitzel, das Schnitzel“, sicher, das Schnitzel schmeckt auch, aber die deutsche Frikadelle, wow. Sie ist das Allerbeste an eurem Land.
Anfang der Sechziger habt ihr noch nicht Status Quo, sondern „The Scorpions“geheißen. Eure deutschen Kollegen gleichen Namens, etwa in eurem Alter, befinden sich seit Jahren auf ihrer sogenannten Abschiedstournee. Ihr habt jetzt kundgetan, dass die kommende Konzertreise die letzte mit Verstärkern und elektrischen Instrumenten sein soll, die Tour heißt auch entsprechend. Bist du sicher, dass danach Schluss ist mit lautem Rock’n’Roll?
Rossi: Doch, Stand jetzt lautet die Antwort: Ich bin mir sicher.
Und in zwei, drei Jahren steht ihr doch wieder auf der Matte?
Rossi: Im Moment sage ich „Nein“. Keine Ahnung, was in Zukunft passiert, aber wir haben diese Entscheidung nicht leichthin, mal eben so, getroffen. Wir sind alte Männer. Rick (Parfitt, Gitarrist und CoFrontmann, Anmerkung der Redaktion) hatte vor Jahren einen Herzinfarkt, bei mir kräuselt sich die Haut, der Nacken tut weh, das Fleisch hängt nach unten. Seit Rick krank war, fällt uns alles schwerer.
Warum tut ihr euch die Auftritte dann überhaupt noch an?
Rossi: Erstens, um unsere Familien zu versorgen. Zweitens, weil es uns guttut. Wir mögen unsere Arbeit. In den vergangenen Jahren wechselten wir ja ab zwischen elektrisch verstärkten und akustischen Konzerten, die akustischen Auftritte werden wir auch weitermachen. Wir sind eine faule, genügsame, desinteressierte Band geworden. Wenn ich auf der Bühne stehe und einen Akkord ein klein wenig anders spiele als sonst, dann fühle ich mich fast wieder jung.
Wärst du gerne noch mal 20?
Rossi: Nein, überhaupt nicht. Ich mag den jungen Mann nicht, der ich war. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass jungen Männern, nachdem man ihr Sperma eingefroren hat, die Eier abgeschnitten gehören. Dann gäbe es viel weniger Stress auf der Welt.
Standen dir deine Eier damals im Weg?
Rossi: Ja. Ich war ein lächerlicher, verdammter Idiot. Mit Anfang 20 war ich total ätzend, ich war unreif und bis oben voll mit der Scheiße, die man als den „Rock’n’Roll-Lifestyle“bezeichnet. Alkohol, Kokain, Weiber, ich lebte das alles aus bis zum Exzess. Wir waren schon erfolgreich und konnten uns alles erlauben.
Gehört als Rockmusiker solch ein Verhalten nicht irgendwie zum Job?
Rossi: Exakt. Das ist ja der Mist. Für die meisten jungen Leute ist es ein attraktives Freizeitverhalten, sich zuzudröhnen und miteinander Sex zu haben. Aber im Büro kannst du so was nicht bringen. Rockmusiker hingegen werden für dieses Arschlochbenehmen auch noch gefeiert.
Du stehst auf der Bühne, seit du 13 bist. Ist Rock’n’Roll auch eine Sucht?
Rossi: Ja! Es ist nie genug. Du hast einen Hit, dann willst du den nächsten, dann den nächsten, und immer so weiter. Nach 30 Hits willst du den Einundreißigsten. Bei Konzerten ist es genauso. So funktioniert das menschliche Belohnungssystem. Wegen unseres Ehrgeizes, der übrigens bis heute anhält, liefen wir nie Gefahr, ein OneHit-Wonder zu werden. Weil wir immer weitermachten.
Es gab auch nie eine zehnjährige oder noch längere Pause wie bei vielen Kollegen.
Rossi: Richtig. Wir hätten nichts mit uns anzufangen gewusst. Wir hatten auch Angst, dass es nicht mehr funktionieren würde nach einer Auszeit.
Man darf gespannt sein, wie das mit dem Kürzertreten funktioniert.
Rossi: Wir setzen darauf, dass das Alter uns die Entscheidung leicht macht. Ich kann mir das Ende aber nicht richtig ausmalen. Ich habe auch Angst vor diesem Moment. Wird es nach dem letzten Rockkonzert dann so ein Gefühl sein, als bekommt man eine Goldmedaille umgehängt, und eine Stimme flüstert: „Junge, das hast du gut gemacht?“Ich bin gespannt.
Ihr habt, gelinde gesagt, einen unverwechselbaren Sound geschaffen. Status Quo erkennt man immer gleich sofort. Ist es als Band wichtig, einmalig zu klingen?
Rossi: Nun, aus naheliegenden Gründen suchen sehr viele Musiker nach einem stilistischen Merkmal, das sie charakterisiert. Bei uns ist das aus Versehen passiert. Wir haben einfach an unserem Sound festgehalten, die einen finden das geil und die anderen meckern, dass wir seit hundert Jahren ein und denselben Song spielen. Aber guck dir AC/DC an. Die machen wirklich immer dasselbe, und sie sind die geilste, besonderste Band der Welt.
Zu AC/DC gehen mindestens drei Generationen von Rockfans. Blickst du auch bei euren Konzerten in junge Gesichter?
Rossi: In das ein oder andere. Neulich kam ein Mädchen zu mir und sagte: „Ich bin hier, weil du mich so an meinen Vater erinnerst.“Ich finde es aber blöd, wenn eine Rockband meint, sie sei nur valide, wenn junge Fans nachwachsen.
Ihr habt vor einigen Jahren sogar eine Techno-Version von „Whatever You Want“mit Scooter aufgenommen. Macht ihr euch gern über euch selbst lustig?
Rossi: Das geht nicht anders. Du musst schon viel Ironie haben, sonst macht das alles keinen Spaß. Wir nehmen unsere Musik ernst, aber wir selbst nehmen uns nicht zu wichtig. Sonst werden wir wie Beyoncé.
Du magst Beyoncé nicht?
Rossi: Sie ist schon toll, aber sie wirkt schon sehr in den Glauben an ihre eigene Bedeutung verliebt.
Du bist benannt nach Franz von Assisi, genau wie der Papst. Lustig, was?
Rossi: Jau. Und es geht noch lustiger: Mein Bruder hat im letzten Film von Sacha Baron Cohen den Papst sogar gespielt – weil er total genauso aussieht wie Franziskus.
Ihr habt vor drei Jahren einen Film in der Südsee gedreht, er heißt „Boka Quo!“. Sollte man den sich ansehen?
Rossi: Nein, lass es. Ehrlich. Ich habe zwei oder drei Leute getroffen, denen der Film gefallen hat. Ich schlug denen dringend vor, dass sie einen Arzt aufsuchen.
Termine Status Quo spielen auf ihrer Tour unter anderem am 29.11. in der Stuttgarter Porsche Arena und am 30.11. in der Münchner Olympiahalle. Rick Parfitt wird aufgrund seines Gesundheitszustands nicht dabei sein.