Mittelschwaebische Nachrichten
Der Teufelsaustreiber ist tot
Pater Gabriele Amorth warnte vor den Harry-Potter-Büchern, verurteilte Yoga und sah selbst im Vatikan Besessene. Bis zuletzt kämpfte der bekannteste Exorzist der Welt gegen das Böse
Er war der bekannteste Exorzist der Welt, warnte vor Harry Potter und vermutete Besessene selbst im Vatikan: Pater Gabriele Amorth. Nun ist Chef-Teufelsaustreiber der Stadt Rom im Alter von 91 Jahren gestorben.
Rom Der Teufel steckte für ihn überall. Sogar in der Harry-PotterReihe. „Die Menschen glauben, es ist nur ein Kinderbuch – aber es führt zur Zauberei und damit zum Bösen“, sagte er: Pater Gabriele Amorth, ehemaliger Chef-Exorzist der Stadt Rom, der bekannteste Vertreter seiner Zunft und zweifellos ein Original. Am vergangenen Freitag ist er im Alter von 91 Jahren an einem Lungenleiden gestorben.
Wer ihn noch vor ein paar Jahren in seinem schlichten Zimmer in einem römischen Priesterwohnheim besuchte, begegnete einem alten Mann, der durchaus kurzweilig von seiner Lebensaufgabe erzählen konnte. Allein Amorths Erscheinung machte bereits Eindruck. Nicht besonders groß, ein kahler, wuchtiger Kopf, eine Brille mit silbernem Rand. Aus dem Mund dieses katholischen Kirchenmannes sprudelten Erzählungen vom Teufel – die ihn teilweise selbst zum Schmunzeln brachten. Seine Aufgabe allerdings und die täglichen Rendezvous mit den Dämonen, nahm Amorth jedoch bis zum Schluss todernst.
1986 wurde der in Modena geborene Priester vom römischen Kardinalvikar zum offiziellen Exorzisten der Diözese Rom ernannt. Gegen seinen Willen. Amorth, der nach dem Krieg im Widerstand gegen das faschistische Regime in Italien aktiv war, hatte zuvor noch nie einen Exorzismus betrieben, seinem Vorgesetzten zufolge aber das dafür notwendige Talent. Wie er später erklärte, zählte dazu vor allem eine so überraschend wie plausibel klingende Eigenschaft: Man müsse an den Teufel glauben, sonst sei es verständlicherweise schwer, ihm entgegen zu treten.
Auch die Kirche, insbesondere ihre Spitze, sei nicht gefeit gegen die Angriffe des Bösen, sagte Amorth. Ein Kardinal habe ihm einst gestanden, dass er nicht an die Existenz des Teufels glaube. Sein Fazit: „Will man den Glauben verlieren, dann genügt es, in den Vatikan zu gehen!“
Pater Gabriele Amorth, der der italienischen Christdemokratie und deren Nestor Giulio Andreotti eng verbunden war, hat seine Teufelsaustreibungen nie exakt gezählt. Manche behaupten, er habe seit 1986 70000 Exorzismen betrieben, andere sprechen von 160 000. Er selbst rückte diese Zahlen einmal zurecht, indem er erklärte, nicht bei allen Begegnungen habe es sich um regelrechte Exorzismen gehandelt. Die große Menge seien „Befrei- ungsgebete“gewesen. „Große Exorzismen“wegen akuter Besessenheit eines Menschen durch den Teufel seien in seiner Karriere vielleicht hundertmal notwendig gewesen.
In diesen Fällen, erzählte Amorth, sei es wild zugegangen. Die Besessenen hätten ihn bespuckt, getreten, bedroht. Nicht nur einmal habe einer seiner Klienten mehrere Nägel ausgespuckt, für den weltweit bekanntesten Exorzisten ein eindeutiges Zeichen der Präsenz von Dämonen.
Teufelsaustreiberei ist höchst umstritten und wird von vielen für Unfug beziehungsweise für eine gefährliche Dämonisierung psychischer Leiden gehalten. Amorth hatte dennoch bis zuletzt alle Hände voll zu tun. Eine Sendung auf Radio Maria verschaffte ihm zusätzliche Popularität, seine zahlreichen Bücher wurden in 28 Sprachen übersetzt, in manchen Kirchen Roms liegen sie bis heute aus. Die Titel: „Memoiren eines Exorzisten“, „Der letzte Exorzist“oder „Ich habe Satan getroffen“, weckten bei vielen
Im Vatikan könne man den Glauben verlieren, meinte er In Italien gibt es einen wahren Exorzisten-Boom
Skepsis, aber auch Neugier. Amorth konnte mit Medien umgehen, das verschaffte ihm zusätzliche Bekanntheit.
Eine Videokassette des drastischen US-Spielfilms „Der Exorzist“von 1973 hatte einen festen Platz in seinem Regal. Roms Chefexorzist schätzte den Streifen: „Dem Film haben wir zu verdanken, dass wieder über Exorzismen gesprochen wurde.“Amorth selbst sorgte weltweit für Diskussionen, als er Yoga, Fernsehen und eben Harry Potter für Teufelszeug erklärte.
1990 gründete er die Internationale Exorzisten-Vereinigung, die 2014 vom Vatikan offiziell anerkannt wurde. In der katholischen Kirche sind Exorzisten bis heute erwünscht. Benedikt XVI. dankte den Exorzisten explizit für seinen „wertvollen Dienst“. Amorth behauptete, Paul VI., Johannes Paul II. und Franziskus hätten selbst Befreiungsgebete oder Exorzismen durchgeführt. Zuletzt war gar von einem Exorzisten-Boom in Italien die Rede. Nach Schätzungen sind allein in Italien 250 Teufelsaustreiber im Dienst, mehrere Diözesen ernannten in den vergangenen Jahren zusätzliche Exorzisten.
An einer der päpstlichen Universitäten Roms werden jährlich Exorzisten-Kurse für Priester veranstaltet. Eine der dort gelehrten Lektionen lag auch Pater Amorth am Herzen. Der Teufel sei raffiniert, sagte er: Seine effizienteste Strategie sei es, die Leute glauben zu machen, dass er überhaupt nicht existiere.