Mittelschwaebische Nachrichten
Bis nächstes Jahr, liebe Fruchtfliege
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Veränderungen, auch positive, fallen ihm eher später als früher auf. Deshalb haben auch wir es erst mit einiger Verzögerung festgestellt: dass etwas plötzlich anders ist. Wir sind wieder allein. Unsere Sommer-Begleiter sind weg. Krabbeln nicht mehr über die Schranktüren. Drängen sich nicht mehr um die Obstschale. Belagern nicht mehr unsere Kaffeetassen wie eine Armee im Miniaturformat.
Sie wissen sicher, von wem wir reden. Von Fruchtfliegen, die mit den fallenden Temperaturen plötzlich wieder aus unserem Leben verschwunden sind. Vorbei also die Zeit, in der jedes Stück Obst sofort in den Kühlschrank verbannt wurde. Vorbei auch die Gespräche mit den Kollegen über die besten Fliegenfallen (Apfelsaft, Essig, Spülmittel).
Jetzt, wo sie weg sind, hätten wir gern mehr über sie erfahren: Wo kommen sie her? Und vor allem: Wo gehen sie hin? Angeblich sind sie sehr schlau, lernfähig bis ins hohe Alter. Was uns nicht verwundert, wenn man bedenkt, wie listig sie sich in unseren Alltag schleichen. Offenbar kopieren sie uns sogar: Sie schlafen dann, wenn wir schlafen. Und können uns tagsüber ganz ausgeruht plagen.
Ihre einzige Schwäche lässt sie noch ein wenig menschlicher erscheinen: Sie mögen alles, was süß ist. Sobald sie Zuckriges wittern, lassen sie alle Vorsicht fahren. Das ist freilich ziemlich gefährlich. Und macht ihr kurzes Leben meist noch ein wenig kürzer (siehe oben). Aber um Nachwuchs muss sich die Fruchtfliege keine Sorgen machen. Sie legt gut und gerne 300 bis 400 Eier in unseren Wohnungen und Häusern ab. Für uns heißt das: Es ist nur ein Abschied auf Zeit. Nächstes Jahr, liebe Fruchtfliege, sehen wir uns wieder.