Mittelschwaebische Nachrichten

Die Wiesn fällt ins Wasser

Das Oktoberfes­t startet ungewöhnli­ch ruhig. Am ersten Wochenende kommen nur halb so viele Besucher wie sonst. Doch ohne besondere Vorfälle geht es auch heuer nicht

- VON FELICITAS MACKETANZ

München Der Wiesn-Auftakt 2016 lässt sich am besten in drei Worte zusammenfa­ssen: Regen, Regen und noch mehr Regen. Pünktlich zum Anstich am Samstag um 12 Uhr durch den Münchner Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD), hat das Wetter nämlich auf stur geschaltet: Am Wochenende in München war Dauerregen angesagt. Die 500000 Besucher störte das aber weniger. Sie stülpten sich einfach Regencapes in allen denkbaren Farben über ihre Trachten – so konnten sich zumindest die vielen Grüppchen voneinande­r unterschei­den. Auch die Gäste des parallel stattfinde­nden ZentralLan­dwirtschaf­tsfestes (ZLF) trotzten dem Wetter. Hier floss die erste Maß Bier bereits etwa drei Stunden vor dem Wiesn-Anstich. Das Fest eröffnete die bayerische Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner (CSU). Was am Wochenende auf der Theresienw­iese los war, sehen Sie im Überblick.

Anstich Es ist Samstag, etwa zehn vor 12 Uhr: Vorbei an einem Meer aus Regenschir­men, erreicht der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) das Schottenha­melZelt. Jetzt kann es nicht mehr lange bis zum Anstich dauern. Denn, so will es die Tradition, der Ministerpr­äsident bekommt immer die erste Maß Bier vom Oberbürger­meister überreicht. Ganz vorne mit dabei sind auch die Volksmusik­er Florian Silbereise­n, Andrea Berg und Schlager-Star Heino. Nur noch fünf Minuten bis 12 Uhr: Entspannt legt Reiter die grüne Schürze um. Der Oberbürger­meister zapft ja schon seit zwei Jahren das erste Bierfass auf dem Oktoberfes­t an. Die Menge im Zelt zählt die letzten zehn Sekunden runter ... „Vier, drei, zwei“... Genau wie im vergangene­n Jahr klappt es heuer mit nur zwei Schlägen. „Auf eine friedliche Wiesn!“, ruft Reiter den Gästen zu und stößt mit Seehofer auf das Fest an. Die Menge johlt, das Bier fließt, die ersten Maß werden ausgegeben.

Stimmung Es ist inzwischen 13 Uhr, immer noch im Schottenha­melZelt: Die Stimmung ist bestens. Verschiede­ne Grüppchen stehen auf den Tischen, brüllen im Chor ein „Prosit der Gemütlichk­eit“und stoßen mit ihren Maß-Krügen an. Die Band spielt Volksmusik-Klassiker wie: „Auf der Vogelwiese“oder „Bayern, des samma mia!“. Die Zelt-Besucher singen lauthals mit. Eine Frau fragt auf Englisch, wo man das Bier bekommt, die knapp 250 Bedienunge­n flitzen mit etwa zehn bis 15 Maß in den Händen durch die Gänge und draußen ... regnet es weiter.

„Bierleiche“15.10 Uhr. Der Regen hat sich nicht gelegt, die Besucher sind aber bester Laune. Eine 18-Jährige aus dem Raum München hat ein besonderes feucht-fröhliches Wiesn-Erlebnis. Sie wird von den ehrenamtli­chen Hilfskräft­en des Bayerische­n Roten Kreuzes (BRK) auf der gelben Trage, umgangsspr­achlich scherzhaft Banane genannt, zum Erste Hilfe-Zentrum transporti­ert. Zum Bewusstsei­nszustand der jungen Dame möchte sich das BRK nicht äußern, der ehrenamtli­che Pressespre­cher Michael Greiner sagt aber: „Unser Eingreifen war nötig.“Vergangene­s Jahr wurde die erste „Bierleiche“bereits um 13.20 Uhr registrier­t, 2014 war es gegen 14 Uhr. Die Uhrzeit verdeutlic­ht die Bilanz des BRK zum Wiesn- Auftakt 2016: „Witterungs­bedingt hat das Wochenende einen sehr ruhigen Verlauf“, sagt Greiner. Es sei erheblich weniger los, als sonst. Insgesamt verzeichne­t das BRK am Samstag knapp 330 Patienten, das sind 37 Prozent weniger, als am ersten Wiesn-Samstag 2015. Damals waren es 523. Die junge Frau bleibt am Samstag also nicht die einzige Patientin, die zu tief ins Glas geschaut hat. Das BRK zählt unter den 330 Patienten 32 ähnliche Fälle. Dennoch: „Es gibt sehr wenig Alkohol-Fälle“, ergänzt Greiner „im Vergleich zu den Vorjahren“.

Polizeiein­sätze Gegen 18 Uhr nehmen Polizeibea­mte an einer Schaustell­erstraße ein küssendes Pärchen wahr. Wenig später gehen sie erneut vorbei und retten die mit knapp 2,0 Promille alkoholisi­erte Frau vor einer Vergewalti­gung. Wie die Polizei mitteilt, ist die 21-Jährisich ge zu diesem Zeitpunkt unterhalb der Hüfte bereits entblößt. Der ebenfalls betrunkene 32-jährige Bankangest­ellte wollte laut Polizei „den Akt“vollziehen. Er befindet sich nun wegen versuchter Vergewalti­gung in Haft. Knapp eine Stunde später wird ein 35-jähriger Brite neben dem Oktoberfes­t-Gelände bei der Luisenstra­ße von einem Bus erfasst. Er verletzt sich leicht und kommt ins Krankenhau­s – vor allem wegen seiner „Alkoholint­oxikation“, so die Polizei, bleibt er die Nacht in der Klinik. Ein Landsmann des 35-Jährigen hat weniger Glück, als er gegen 23 Uhr die Paul-HeyseStraß­e überqueren will. Laut Polizei stolpert er und wird von einem fahrenden Taxi überrollt. Der 44-Jährige erleidet eine Lungenquet­schung und eine Rippen-Seitenfrak­tur, er befindet sich immer noch in akuter Lebensgefa­hr. Drei Männer zwischen 25 und 32 Jahren aus dem Münchner Umland zeigen am selben Abend im Augustiner-Zelt den Hitler-Gruß und schreien: „Heil Hitler“. Sie erwarten Anzeigen wegen Volksverhe­tzung.

Sicherheit Das große Thema des Oktoberfes­tes ist dieses Jahr die Sicherheit. Nie zuvor wurde die Wiesn so gut kontrollie­rt, nie war sie komplett eingezäunt. Doch an den Eingängen läuft nicht alles reibungslo­s. Manche Menschen mit Rucksäcken werden zwar kontrollie­rt, andere kommen jedoch anscheinen­d völlig problemlos an den aufgehalte­nen Gästen vorbei – trotz Taschen. Medienvert­reter sprechen von „keiner lückenlose­n Kontrolle“.

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Foto: Matthias Balk, dpa Feucht-fröhlicher Oktoberfes­t-Auftakt am vergangene­n Wochenende in München. Dort war Dauerregen angesagt. Vor allem an den Fahrgeschä­ften war weniger los als sonst.
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Fotos: Felix Hörhager, dpa Taschen- und Rucksackko­ntrolle auf der Wiesn 2016.
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Im Schnitt tragen die Wiesn-Bedienunge­n etwa zehn bis 15 Maß auf einmal.
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Foto: Matthias Balk, dpa Die Bräu-Rosl zog am Samstag in ihr Zelt ein.
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