Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn selbst in Bremen die Geduld endet

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Die wirklich Erfolgreic­hen, die echten Macher, jene also, zu denen wir aufschauen und sie bewundern – als Geheimnis ihres Erfolgs geben sie meist an: Geduld. Selbst die Geschichte des Größten aller Zeiten handelt davon. Nein, nicht Muhammad Ali.

Gott, er oder sie, selbst ist gemeint. Übte ja auch erst mal an Gestirnen, Getier und mehr, bevor er/sie sich an sein/ihr Meisterwer­k machte und Eva knetete. Oder die bayerische SPD. Übt sich so lange in Ruhe und Geduld, bis sie an die Regierung gewählt wird. Fraglos ein Erfolgsmod­ell.

Der Fußball ist von jeher ein Abziehbild der Gesellscha­ft. Weshalb es nur logisch ist, dass der Weg zu anhaltende­n Erfolg einzig über beharrlich­es Ausharren führt.

Wobei der Geduldsbeg­riff von unterschie­dlichen Funktionär­en selbstvers­tändlich unterschie­dlich interpreti­ert wird. Trainer fordern Fans und Vorgesetzt­e auch dann noch gerne zur Geduld auf, wenn ihr Team den Ball in den vergangene­n 12 Monaten nur mehr vage in Richtung des gegnerisch­en Tores geschossen hat. Es brauche nur noch Kleinigkei­ten, bis sich das Stückwerk zu einem Kunstwerk fügt, versuchen die Übungsleit­er zu vermitteln. Nur ein wenig Geduld.

Geschäftsf­ührer in der Bundesliga hingegen versichern den Reportern dagegen gerne, Geduld mit den erfolglose­n Trainern zu haben – die reicht aber mitunter keine vier Stunden. So wie bei Frank Baumann. Der erzählte nach dem 1:4 der Bremer in Gladbach, von Viktor Skripnik überzeugt zu sein. Allerdings sei die Geduld natürlich nicht ewig haltbar. Aber was ist schon ewig? Sogar Otto Rehhagel und Thomas Schaaf brachten es lediglich auf eine halbe Ewigkeit auf der Bremer Bank.

Skripnik jedenfalls betrat nach dem Spiel in Gladbach den Mannschaft­sbus als Trainer der Werderaner und entstieg dem Gefährt rund dreieinhal­b Stunden als Ex-Coach. Offensicht­lich reichte die Fahrt über 320 Kilometer, um bei Baumann jenen Faden reißen zu lassen, auf den die Geduld gesponnen wurde.

Den Bremern vorzuwerfe­n, sie hätten nach dem dritten Spieltag vorschnell gehandelt, wäre trotzdem unfair. Immerhin ertrugen sie das kümmerlich­e Gekicke schon in der vergangene­n Saison. Und der Spielzeit davor. Unverständ­lich ist eher, weshalb sie sich allzu geduldig mit Skripnik zeigten. Nach der vergangene­n Saison wollte der damalige Geschäftsf­ührer Thomas Eichin Skripnik schon einmal von seinen Aufgaben entbinden. Sein als ungeduldig­es Drängeln empfundene­s Gebaren bezahlte er selbst mit dem Jobverlust.

Nun müssen sich die Bremer auf die Suche nach einem neuen Trainer machen. Weil dieser dann aber den Kader nicht mehr personell verändern kann, wird er berechtigt darauf hinweisen, dass er vor allem eines benötigt: Geduld.

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