Mittelschwaebische Nachrichten
Ingolstadt scheitert an Neuer
Der Außenseiter macht dem deutschen Meister das Leben schwer, kann seine Chancen aber nicht nutzen. Das liegt im Wesentlichen am Nationaltorwart im Bayern-Tor
München Dass Manuel Neuer ein außergewöhnlicher Torwart ist, ist hinlänglich bekannt. Lobeshymnen auf den Keeper wiederholen sich in regelmäßigen Abständen. Überraschend mutet es aber an, wenn Bayern-Trainer Carlo Ancelotti nach einem Bundesligaspiel, einem in der heimischen Arena noch dazu, Fragen nach seinem Keeper beantworten muss. „Jeder weiß“, sagte der Italiener, „dass er der beste Torwart der Welt ist.“„Manchmal“, so Ancelotti humorvoll, „müssen wir mit unseren Fehlern zeigen, dass er sehr gut ist.“
Ancelotti hätte nach dem 3:1-Erfolg gegen den FC Ingolstadt lieber andere Dinge gelobt. Seine zweite Reihe etwa, oder funktionierende Automatismen. So aber musste Ancelotti über Neuer sprechen. Gewöhnlich kann sich der Nationaltorwart in der Bundesliga das Spiel seiner Vorderleute entspannt anschauen, sieht die gegnerischen Offensivspieler nur aus der Ferne. Diesmal war alles anders. Neuer zeigte seine Fähigkeiten, als er etwa mit einem Reflex in Manier eines Handballtorwarts den 2:2-Ausgleich durch Mathew Leckie verhinderte (53.).
Dieser ist nicht als Torjäger be- kannt. Ganze drei Mal war er in der Bundesliga erfolgreich. Insgesamt hat Ingolstadt seit seinem Aufstieg vor einem Jahr 35 Treffer erzielt. Auf die gleiche Anzahl bringt es in dieser Zeit allein schon BayernStürmer Robert Lewandowski, der auch am Samstag mit einem überlegten Lupfer zum 1:1 (12.) seine Extraklasse demonstrierte. Umso ungewöhnlicher wirkten daher Leckies Aussagen nach der Partie. „Wenn wir unsere Chancen genutzt hätten“, sagte er, „hätten wir sechs Tore gegen Bayern München erzielen können.“
Leckie versah die Aussage nicht mit einem Schmunzeln, er blickte traurig drein. Es wäre mehr möglich gewesen. Ein Sieg, zumindest ein Unentschieden. Letztlich blieben den Ingolstädtern Komplimente für einen couragierten Auftritt, mit dem sie deutlich aufgezeigt hatten, dass die Münchner derzeit verwundbarer sind, als der Eindruck auf den ersten Blick erscheinen mag.
2:0, 5:0, 6:0, 2:0, 5:0, nun 3:1 – der FC Bayern überrollt die Konkurrenz in dieser Saison, national wie international. Sechs Pflichtspiele, sechs Siege. Die Ergebnisse stimmen unter Ancelotti. Und doch ist da dieses Gefühl, dass die Münchner noch lange nicht dort sind, wo sie sein wollen. Hatten sich die Bayern in den vergangenen Jahren als fehlerlose Passmaschine präsentiert, verfehlten am Samstag einige Zuspiele ihre Adressaten. „Manche Automatismen stimmen noch nicht“, sagte Neuer. „Beim Spiel von hinten heraus haben wir Probleme, das hat man auch schon gegen Schalke gesehen.“
Auch die Abwehr agierte löchrig. Neben Leckie tauchten Lukas Hinterseer (68.) und Stefan Lex (91.) allein vor Neuer auf – und vergaben kläglich. Die Bayern hätten sich zudem über einen Elfmeterpfiff nach einem Foul von Thiago an Leckie nicht beschweren dürfen (76.). „Wir waren ganz nah dran“, wusste nicht nur Ingolstadts Kapitän Marvin Matip, „eine Überraschung lag in der Luft.“
Die personell gebeutelten Bayern, die auf die erkrankten Philipp Lahm, Mats Hummels, David Alaba und Thomas Müller verzichten mussten, bekamen aufgezeigt, dass auch ihr großer Kader nicht alle Ausfälle problemlos kompensieren kann. Klasse besaß die Elf dennoch. Distanzschüsse von Xabi Alonso (50.) und Rafinha (84.) entschieden die Partie, in der Jerome Boateng noch sein Comeback gab. Eine Rückkehr, über die Ancelotti gerne sprach und die ihm gerade nach der Vorstellung vom Samstag gelegen kommen dürfte. Bayern München Neuer – Rafinha, Kimmich, Javi Martinez, Bernat – Xabi Alonso – Ar. Vidal, Sanches (61. Thiago) – Coman (46. Douglas Costa (83. Boateng)), Lewandowski, F. Ribéry FC Ingolstadt 04 Nyland – Levels, Matip, Tisserand, Suttner – Roger – Groß, Morales (63. Hinterseer) – Mo. Hartmann (71. Lex), Lezcano, Leckie (81. Cohen) Tore 0:1 Lezcano (8.), 1:1 Lewandowski (12.), 2:1 Xabi Alonso (50.), 3:1 Rafinha (84.) Schiedsrichter Patrick Ittrich (Hamburg) Zuschauer 75 000 (ausverkauft)