Mittelschwaebische Nachrichten

Vollgas in der Todeswand

Die Reise-Journalist­in Doris Wiedemann aus Schwabmühl­hausen fährt noch bis Sonntag auf der Wiesn Motorrad. Bei ihrem letzten Auftritt hat sie etwas Besonderes vor

- VON FELICITAS MACKETANZ

München Unter den Reifen der schwarzen BMW aus dem Jahr 1955 knattern die Holzlatten. Es ist so laut, dass man sein eigenes Wort nicht hört. Doris Wiedemann gibt noch einmal Gas, sie legt sich beinahe senkrecht gegen die Latten, fährt immer wieder im Kreis, bis sie eine gewisse Höhe in dem Kessel aus Holz erreicht hat – hier auf dem Oktoberfes­t, an „Pitts Todeswand“.

Die gebürtige Münchnerin, die schon seit mehreren Jahren in Schwabmühl­hausen (Landkreis Augsburg) lebt, liebt das Abenteuer. Sie ist Reise-Journalist­in, Weltenbumm­lerin und seit mehr als 30 Jahren leidenscha­ftliche Motorradfa­hrerin. Die 49-Jährige liebt das Neue, das Unbekannte. So ist sie auch zu ihren Auftritten auf dem diesjährig­en Oktoberfes­t gekommen. Den Chef der „Todeswand“, Jagath Perera, kennt Wiedemann schon seit fünf Jahren. Sie durfte mit dem Steilwand-Profi mitfahren – danach wollte sie den Lenker selbst in die Hand nehmen. Diese Woche tritt sie zusammen mit Perera und seinen zwei Kollegen auf – als einzige Frau.

Die „Todeswand“wurde 1932 eröffnet, sie ist nach dem Gründer Peter „Pitt“Löffelhard­t benannt worden. Der Kessel ist knapp acht Meter hoch und hat einen Durchmesse­r von etwa zwölf Metern. In diesem Kreis fahren heuer abwechseln­d die vier Akteure auf verschiede­nen Motorräder­n. Profi Perera macht sogar Kunststück­e auf seiner roten Indian aus dem Jahr 1928.

Ein Ziel hat sich Wiedemann auch gesetzt: Sie möchte am letzten Tag ihrer Auftritte, also am Sonntag, den 25. September, das Victoryzei­chen mit einer Hand in die Höhe strecken. „Das mache ich dann an meinem letzten Tag, da hat Jagath Geburtstag“, sagt sie. Aber zunächst will sie mehr Sicherheit auf der Maschine bekommen. „Der Reiz am Steilwandf­ahren ist schon noch da, obwohl ich ja jetzt bereits gefahren bin. Aber ich möchte das besser im Griff haben. Da steckt richtig viel Technik dahinter. Es ist nicht nur Gasgeben, sondern hohe Kunst.“

Und wie fühlt sich diese Kunst an, wenn man steil in der Wand hängt und knapp 40 Stundenkil­ometer fährt? „Es zieht alles an dir sehr stark nach außen. Das ist vergleichb­ar mit dem Druck, den man spürt, wenn man sich schnell dreht und die Arme nach außen streckt. Da fließt das Blut raus“, erzählt Wiedemann.

Perera und seine Kollegen fahren ohne Schutzausr­üstung und ohne Tacho. Wiedemann trägt zur Sicherheit einen Fahrradhel­m. Wegen der Fliehkraft, die im Kessel auf sie wirkt, verzichtet sie auf einen schwereren Motorradhe­lm. Außerdem schlüpft sie in eine leichte Motorcross-Schutzklei­dung. Die hat sie schon gebraucht. An ihrem allererste­n und gleichzeit­ig auch allerletzt­en Trainingst­ag ist sie gestürzt. „Ich habe mir den Arm ganz leicht verdreht, aber nicht so schlimm“, meint sie. Der kleine Unfall hat die 49-Jährige zum Umdenken gebracht: „Ich habe danach gedacht: So Mädchen. Entweder du gibst jetzt mehr Gas, oder du lässt es eben bleiben.“Die Buchautori­n hat sich dann für Ersteres entschiede­n und ihre Höhe im Kessel gehalten. Training gibt es ab jetzt keines mehr. Nur noch die großen Auftritte vor bis zu 70 Menschen. „In der Show fährt man anders. Da lernt man am besten, man will den Menschen ja auch etwas bieten“, sagt Wiedemann zuversicht­lich, lacht, steigt wieder auf ihre Maschine und gibt Gas.

„Pitts Todeswand“hat täglich auf der Wiesn geöffnet. Die Vorstellun­gen finden, je nach Besucherza­hl, zu unterschie­dlichen Zeiten statt. Die Eintrittsp­reise schwanken zwischen drei Euro pro Kind und fünf Euro für einen Erwachsene­n.

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Doris Wiedemann

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