Mittelschwaebische Nachrichten

Wie man zu Hause am Computer Geld verdient

Ob Programmie­ren oder Übersetzen: Viele Firmen vergeben über das Internet Aufträge. Das nennt sich Crowdworki­ng

- VON MARCEL ROTHER

Augsburg Den Cappuccino in der linken Hand, die Augen auf dem Bildschirm, und die Maus in der rechten: Klick, klick, und wieder ein paar Cent verdient. Egal ob Videos auswerten, Produkte beschreibe­n oder Daten sortieren – über das Internet lässt sich von der Couch aus Geld verdienen. Doch was verlockend klingt, hat auch seine Schattense­iten.

Die neue Arbeitsfor­m nennt sich „Crowdworki­ng“. Jeder Arbeiter ist Teil einer Masse, einer „Crowd“, die für Firmen Aufgaben erledigt. Das Prinzip ist einfach: Unternehme­n vergeben über Online-Plattforme­n diverse Projekte, Interessen­ten können sich auf der entspreche­nden Plattform anmelden und sich für eine der Aufgaben melden. Das Spektrum der Tätigkeite­n reicht von einfach bis hochkomple­x, die Bezahlung variiert von ein paar Cent bis hin zu mehreren tausend Euro.

Zu den Arbeitgebe­rn zählen neben Großkonzer­nen wie der Deutschen Bank, die ein neues ServiceKon­zept für ihre Kunden sucht, oder Coca-Cola, wo Designidee­n für wiederverw­endbare Getränkekä­sten gesammelt werden, vor allem kleine und mittelstän­dische Unternehme­n. Sie suchen in der Crowd Mitarbeite­r, die Adressen recherchie­ren, Apps testen oder Produkte für den Onlineshop beschreibe­n.

„Crowdwork hat in den vergangene­n Jahren ein erstaunlic­hes Wachstum verzeichne­t, die Anzahl an Plattforme­n und Crowdworke­rn nimmt stetig zu“, schreiben Forscher um den Informatik­professor Jan Marco Leimeister von der Universitä­t Kassel. Sie haben im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung die aktuelle Studie „Crowdworke­r in Deutschlan­d“verfasst. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Plattforme­n, die in diesem Bereich Arbeit anbieten. Ein Viertel der 700000 Mitglieder auf der internatio­nalen Plattform „Clickworke­r“kommt den Forschern zufolge aus Deutschlan­d. Die Münchner Plattform „Testbirds“verzeichne­t über 100 000 sogenannte Klickarbei­ter. Und mit über 55 000 Mitglieder­n hat das bekannte deutschspr­achige Portal „Jovoto“bereits über 250 Projekte mit namhaften Unternehme­n realisiert.

Crowdworke­r sind häufig gut ausgebilde­t: Knapp die Hälfte hat einen Hochschula­bschluss, ergab die Kasseler Studie. Viele von ihnen nutzen demnach die Jobs im Internet als Zuverdiens­t, nur rund ein Fünftel verdient damit den Lebensunte­rhalt, etwa als Programmie­rer oder Designer. Der Verdienst der Crowdworke­r schwanke stark: Etwa 70 Prozent verdienten weniger als 500 Euro im Monat. Insgesamt liege das Einkommen derjenigen, die nebenberuf­lich als Crowdworke­r tätig sind, im Schnitt bei 326 Euro im Monat. Die hauptberuf­lichen – rund 20 Prozent der Befragten – verdienten im Schnitt rund 1 500 Euro. Dabei könne die wöchentlic­he Arbeitszei­t bis zu 80 Stunden betragen.

Überrasche­nd sind die Studienerg­ebnisse mit Blick auf die persönlich­e Altersvors­orge und Absicherun­g der hauptberuf­lichen Crowdworke­r: 66 Prozent versichern sich demnach selbst gegen Krankheit und Arbeitslos­igkeit, nur 53 Prozent sorgen für das Alter vor. Um die Arbeitsbed­ingungen von Crowdworke­rn zu verbessern, hatte die IG Metall im vergangene­n Jahr beschlosse­n, ihre Gewerkscha­ft für sie zu öffnen. „Es geht darum, Missbrauch dieser neuen Arbeitsfor­men zu unterbinde­n“, sagte Michael Ebenau, Mitglied der Satzungsbe­ratungskom­mission der IG Metall. Über ein Online-Portal der Gewerkscha­ft können sich Crowdworke­r austausche­n, beraten lassen und die Fairness von Arbeitgebe­rn bewerten. Denn laut Studie würden viele von ihnen weder Mindestloh­n noch Urlaubsans­pruch kennen.

Bis Ende 2016 will das Arbeitsmin­isterium Kernfragen zum Crowdworki­ng beantworte­n und vor allem die soziale Absicherun­g der Crowdworke­r verbessern. Die Vorhaben sind Teil des „Dialogproz­esses Arbeiten 4.0“zur Zukunft der Arbeitswel­t, dessen Ergebnisse im „Weißbuch Arbeiten 4.0“zusammenge­fasst und vorgestell­t werden sollen. „Im Rahmen dessen werden der Wandel von Erwerbsfor­men, Anpassunge­n des Arbeitsrec­hts und die soziale Absicherun­g von Solo-Selbststän­digen thematisie­rt und Handlungsb­edarfe analysiert“, sagt eine Sprecherin des Arbeitsmin­isteriums.

 ?? Foto: Rido, Fotolia ?? Arbeiten und Kaffee trinken: Crowdworki­ng macht´s möglich.
Foto: Rido, Fotolia Arbeiten und Kaffee trinken: Crowdworki­ng macht´s möglich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany