Mittelschwaebische Nachrichten
Wie man zu Hause am Computer Geld verdient
Ob Programmieren oder Übersetzen: Viele Firmen vergeben über das Internet Aufträge. Das nennt sich Crowdworking
Augsburg Den Cappuccino in der linken Hand, die Augen auf dem Bildschirm, und die Maus in der rechten: Klick, klick, und wieder ein paar Cent verdient. Egal ob Videos auswerten, Produkte beschreiben oder Daten sortieren – über das Internet lässt sich von der Couch aus Geld verdienen. Doch was verlockend klingt, hat auch seine Schattenseiten.
Die neue Arbeitsform nennt sich „Crowdworking“. Jeder Arbeiter ist Teil einer Masse, einer „Crowd“, die für Firmen Aufgaben erledigt. Das Prinzip ist einfach: Unternehmen vergeben über Online-Plattformen diverse Projekte, Interessenten können sich auf der entsprechenden Plattform anmelden und sich für eine der Aufgaben melden. Das Spektrum der Tätigkeiten reicht von einfach bis hochkomplex, die Bezahlung variiert von ein paar Cent bis hin zu mehreren tausend Euro.
Zu den Arbeitgebern zählen neben Großkonzernen wie der Deutschen Bank, die ein neues ServiceKonzept für ihre Kunden sucht, oder Coca-Cola, wo Designideen für wiederverwendbare Getränkekästen gesammelt werden, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen. Sie suchen in der Crowd Mitarbeiter, die Adressen recherchieren, Apps testen oder Produkte für den Onlineshop beschreiben.
„Crowdwork hat in den vergangenen Jahren ein erstaunliches Wachstum verzeichnet, die Anzahl an Plattformen und Crowdworkern nimmt stetig zu“, schreiben Forscher um den Informatikprofessor Jan Marco Leimeister von der Universität Kassel. Sie haben im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung die aktuelle Studie „Crowdworker in Deutschland“verfasst. Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Plattformen, die in diesem Bereich Arbeit anbieten. Ein Viertel der 700000 Mitglieder auf der internationalen Plattform „Clickworker“kommt den Forschern zufolge aus Deutschland. Die Münchner Plattform „Testbirds“verzeichnet über 100 000 sogenannte Klickarbeiter. Und mit über 55 000 Mitgliedern hat das bekannte deutschsprachige Portal „Jovoto“bereits über 250 Projekte mit namhaften Unternehmen realisiert.
Crowdworker sind häufig gut ausgebildet: Knapp die Hälfte hat einen Hochschulabschluss, ergab die Kasseler Studie. Viele von ihnen nutzen demnach die Jobs im Internet als Zuverdienst, nur rund ein Fünftel verdient damit den Lebensunterhalt, etwa als Programmierer oder Designer. Der Verdienst der Crowdworker schwanke stark: Etwa 70 Prozent verdienten weniger als 500 Euro im Monat. Insgesamt liege das Einkommen derjenigen, die nebenberuflich als Crowdworker tätig sind, im Schnitt bei 326 Euro im Monat. Die hauptberuflichen – rund 20 Prozent der Befragten – verdienten im Schnitt rund 1 500 Euro. Dabei könne die wöchentliche Arbeitszeit bis zu 80 Stunden betragen.
Überraschend sind die Studienergebnisse mit Blick auf die persönliche Altersvorsorge und Absicherung der hauptberuflichen Crowdworker: 66 Prozent versichern sich demnach selbst gegen Krankheit und Arbeitslosigkeit, nur 53 Prozent sorgen für das Alter vor. Um die Arbeitsbedingungen von Crowdworkern zu verbessern, hatte die IG Metall im vergangenen Jahr beschlossen, ihre Gewerkschaft für sie zu öffnen. „Es geht darum, Missbrauch dieser neuen Arbeitsformen zu unterbinden“, sagte Michael Ebenau, Mitglied der Satzungsberatungskommission der IG Metall. Über ein Online-Portal der Gewerkschaft können sich Crowdworker austauschen, beraten lassen und die Fairness von Arbeitgebern bewerten. Denn laut Studie würden viele von ihnen weder Mindestlohn noch Urlaubsanspruch kennen.
Bis Ende 2016 will das Arbeitsministerium Kernfragen zum Crowdworking beantworten und vor allem die soziale Absicherung der Crowdworker verbessern. Die Vorhaben sind Teil des „Dialogprozesses Arbeiten 4.0“zur Zukunft der Arbeitswelt, dessen Ergebnisse im „Weißbuch Arbeiten 4.0“zusammengefasst und vorgestellt werden sollen. „Im Rahmen dessen werden der Wandel von Erwerbsformen, Anpassungen des Arbeitsrechts und die soziale Absicherung von Solo-Selbstständigen thematisiert und Handlungsbedarfe analysiert“, sagt eine Sprecherin des Arbeitsministeriums.