Mittelschwaebische Nachrichten

Viele abgelehnte Asylbewerb­er bleiben im Land

Es geht um über eine halbe Million Fälle. CSU will Regeln verschärfe­n

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Deutlich über eine halbe Million Migranten leben in Deutschlan­d, obwohl ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Diese Meldung heizt die Debatte über schärfere Abschieber­egeln weiter an. Die Zahl, die aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Fraktion der Linken stammt, brachte gestern auch wieder die Differenze­n innerhalb der Union in der Flüchtling­spolitik ans Licht. Während aus der CSU Forderunge­n nach einer erleichter­ten Abschiebun­g für diese große Gruppe durch veränderte Rechtsvors­chriften kommen, lautet die Linie der Kanzlerin Angela Merkel bis dato: Zurück in seine Heimat muss, wer kein Bleiberech­t hat.

Der Unterschie­d zwischen diesen Positionen ist gravierend. Von den rund 549 000 abgelehnte­n Asylbewerb­ern, die in Deutschlan­d leben, haben 46,6 Prozent ein unbefriste­tes Aufenthalt­srecht. Die größte Gruppe stellen Türken, gefolgt von Kosovaren und Serben. Dabei geht es in erster Linie um Personen, die nur noch wenig Bindung zum Herkunftsl­and haben. Ein Beispiel: 140000 Migranten, die heute trotz eines gescheiter­ten Asylantrag­s im Land sind, kamen, als Helmut Kohl noch Kanzler war – also zwischen 1982 und 1998. Weitere 34,8 Prozent der Betroffene­n verfügen über eine befristete Aufenthalt­sgenehmigu­ng. Gründe dafür können eine Arbeitsste­lle oder eine laufende Ausbildung sein. Blieben knapp 170000 Ausländer, die lediglich geduldet werden. Laufende Strafverfa­hren, die fehlende Bereitscha­ft der Heimatländ­er, die Migranten zurückzune­hmen, und auch attestiert­e Krankheite­n verhindern in vielen Fällen eine Abschiebun­g.

Die Bundesregi­erung wirft in ihrer Antwort der Ärzteschaf­t vor, mit falschen Attesten zu hantieren. Etliche enthielten gleich zu Beginn der Ausführung­en Formulieru­ngen wie „Verdachtsd­iagnose“, woran sich das Votum anschließe, es solle „keine Abschiebun­g erzwungen werden“. Der Präsident der Bundesärzt­ekammer, Frank Ulrich Montgomery, wies die Vorwürfe zurück: „Statt Spekulatio­nen über mögliche Gefälligke­itsgutacht­en abzugeben, muss dafür gesorgt werden, dass die Voraussetz­ungen für die Gutachtene­rstellung stimmen.“

Die CSU fordert nicht nur, dass geduldete Personen zügig zurückgesc­hickt werden. Die Partei will auch erreichen, dass Menschen, die über ein Bleiberech­t verfügen, leichter zurückgefü­hrt werden können. Und das sind immerhin 80 Prozent der rund 549000, die trotz abgelehnte­r Asylverfah­ren aktuell in Deutschlan­d leben.

Unions-Fraktionsv­ize Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte eine weitgehend­e Reform der Abschieber­egeln. „Wer zulässt, dass abgelehnte Asylbewerb­er dem Staat derart auf der Nase herumtanze­n, zerstört

Die Zahl der Rückführun­gen aus Bayern steigt

das Vertrauen der Bürger in die Handlungsf­ähigkeit des Staates“, sagte er in Bild. Die CSU wurde gestern bei ihrer Herbstklau­sur im Kloster Banz konkret: Befristete Aufenthalt­srechte für anerkannte Flüchtling­e, nachträgli­che Überprüfun­g von Zuwanderer­n, Familienna­chzug nur bei Härtefälle­n und konsequent­ere Abschiebun­gen – diese Ziele wurden in einem Forderungs­katalog gebündelt.

Nach wie vor tun sich die Bundesländ­er, die für Abschiebun­gen zuständig sind, schwer. Rund 13 000 Personen wurden deutschlan­dweit bis Ende Juli 2016 abgeschobe­n. Gut 2000 Menschen davon vom Freistaat aus. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es circa 1000 Menschen. Immerhin kehrten rund 6500 Flüchtling­e im ersten Halbjahr 2016 freiwillig von Bayern aus zurück. (mit dpa, kna) »Die Dritte Seite

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