Mittelschwaebische Nachrichten

Tratschen ist gesund

Warum das Ablästern über die Mitmensche­n helfen soll

- VON RUPERT HUBER

Augsburg Na, haben Sie in den vergangene­n Tagen im Clinch mit ihren Nachbarn richtig vom Leder gezogen? Weil die im Haus Nummer 5 a zum fünften Mal dieses Jahr in den Urlaub fliegen. Verschmutz­te Pizza-Kartons in die Papiertonn­e verfrachte­n. Päckchen von Hausbewohn­ern mit afrikanisc­h klingenden Namen nicht entgegenne­hmen.

Zum Glück sind wir ganz anders. Weil tolerant. Und nur über Leute klatschen, die so was von weit weg sind von uns und nichts mitkriegen von den Sorgen und Nöten, die sie uns mit ihrem unsteten Privatlebe­n bereiten. Und siehe da: Die Psycho-Experten, die uns immer als unsensible, klatschend­e Arroganzli­nge bezeichnet haben, vollziehen nun eine Kehrtwendu­ng. Tratschen ist gesund. Der britische Evolutions­psychologe Robin Dunbar von der englischen Universitä­t Oxford hat sich wohl am Kopf gekratzt und anschließe­nd folgende Theorie aufgestell­t: Pssst, schon gehört? Wer perfekt lästern kann, dem hören viele zu. Und viele Sozialkont­akte brächten eine höhere Lebenserwa­rtung. Was zumindest im Fall von Miss Marple funktionie­rt hat. Kein Wort darüber, dass der Kleinstadt-Tratsch und damit verbundene Bösartigke­iten Menschen fertigmach­en können. Wissenscha­ftler Dunbar sieht in einer tratschsüc­htigen dörflichen Gemeinscha­ft gar ein Frühwarnsy­stem.

Dann lieber über Promis klatschen. Jammern wir also über das Ehe-Aus von „Brangelina“, was legitim ist. Schließlic­h galten Angelina Jolie und Brad Pitt als HollywoodT­raumpaar. Auch wenn uns die Nachbarn mit den Pizza-Kartons näherliege­n.

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Foto: fotolia

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