Mittelschwaebische Nachrichten
„Eiserne Neelie“im Zwielicht
Was wollte die frühere EU-Kommissarin mit einer Briefkastenfirma?
Augsburg Es gab eine Zeit, da trieb Neelie Kroes den Top-Managern der Wirtschaftswelt die Schweißperlen auf die Stirn. Als oberste Wettbewerbshüterin der Europäischen Union legte sie sich mit den ganz Großen an und zwang selbst Konzerne wie Microsoft oder Eon in die Knie. Kurz gesagt: Die Niederländerin war zuständig dafür, dass alles mit rechten Dingen zuging. Und so kommt es recht überraschend, dass ihr Name nun auf einer Liste von Personen auftaucht, die Briefkastenfirmen auf den Bahamas betrieben haben. Noch erstaunlicher ist ihre Begründung dafür.
Kroes war sogar Direktorin einer Briefkastenfirma. Das ist an sich noch kein Problem. Solche Unternehmen sind nicht verboten, obwohl sie sehr häufig nur einem einzigen Zweck dienen: der Verschleierung von Steuerhinterziehung. Problematisch wird die Sache für Frau Kroes (gesprochen Kruus) deshalb, weil ihre Tätigkeit im „Briefkastengeschäft“nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung während ihrer Amtszeit in Brüssel erfolgte. Damit verstieß die heute 75-Jährige zumindest gegen den Brüsseler Verhaltenskodex, nach dem Mitgliedern der EU-Kommission jegliche Nebentätigkeiten verboten sind.
Kroes räumt die Vorwürfe ein und spricht von einem „Versehen“. Nun könnte man spöttisch anmerken: Klar, jeder von uns kennt das ja, da ist man plötzlich Direktor einer Briefkastenfirma in einem Steuerparadies irgendwo auf einer Atlantik-Insel und kriegt davon gar nichts mit. Oder man vergisst schlicht und einfach, ein solches Unternehmen rechtzeitig wieder abzumelden. Genau so erklärt die Politikerin nun ihr Vergehen: Sie sei davon ausgegangen, dass die Firma schon gar nicht mehr existierte, als sie EU-Kommissarin wurde.
Bleibt die Frage: Was hatte die gestrenge Wettbewerbshüterin – Spitzname „Steely Neelie“(eiserne Neelie) – überhaupt auf den Bahamas verloren? Ihr Anwalt teilt mit, das Briefkasten-Unternehmen sei für ein geplantes Milliardengeschäft mit einem US-Energiekonzern gegründet worden, das dann allerdings geplatzt sei. Mag sein. Für Kroes ist die Sache damit aber noch lange nicht erledigt. Ihr droht sogar der Verlust von Pensionsansprüchen. EU-Kommissionspräsident JeanClaude Juncker sieht jedenfalls noch Gesprächsbedarf.
Da dürfte es für die ins Zwielicht geratene Politikerin wenig tröstlich sein, dass auf der ominösen Bahamas-Liste noch andere illustre Namen stehen. Darunter sind etwa der kolumbianische Minenminister, Kanadas Finanzminister und der Vize-Präsident von Angola.