Mittelschwaebische Nachrichten

Die Gerichts-Show des Protz-Prinzen

Marcus von Anhalt wird zum zweiten Mal wegen Steuerhint­erziehung verurteilt. Er wird das Urteil anfechten. Doch der Bordellbet­reiber hat nicht nur juristisch­e Gründe dafür

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF Sat.1

Augsburg Vier Monate lang musste sich der Möchtegern-Prinz zusammenre­ißen, doch am letzten Prozess-Tag kommt das wahre Gesicht des Mannes zum Vorschein, der Angeben zum Geschäftsm­odell erhoben hat. Für 9 Uhr ist das Urteil anberaumt. Eine Minute vor 9 rollt ein weißer Rolls-Royce mit Ulmer Kennzeiche­n vor das Augsburger Strafjusti­zzentrum. Die Blondine am Steuer macht gar keine Anstalten, einen Parkplatz zu suchen, sondern fährt über den Gehsteig und stellt das Luxusauto verbotswid­rig direkt vor dem Gerichtsge­bäude ab.

Der gelernte Metzger Marcus Eberhardt, 49, aus Pforzheim steigt aus. Er heißt jetzt Prinz Marcus Eberhard Edward von Anhalt, Herzog zu Sachsen und Westfalen, Graf von Askanien. Diesen Namen hat er sich von Frédéric von Anhalt gekauft, der sich den Namen von Anhalt ebenfalls gekauft hat. Das Haar ist wie üblich nach oben gegelt, die Frisur erinnert beinahe an eine Krone. Der Bordellbet­reiber Marcus von Anhalt steigt aus und legt los: Hier seien nur „Dilettante­n“am Werk, schimpft er auf die Augsburger Justiz. Er werde sicher wieder rechtswidr­ig verurteilt, sagt er. Und er werde sicher wieder dagegen vor- „Ich hab’ die Geduld, ich hab’ die Eier und vor allem hab’ ich das Geld dazu“, sagt der ProtzPrinz. Den Wagen lässt er noch umparken, nachdem ein Justizwach­tmeister sagt, man werde ihn sonst abschleppe­n lassen.

Dann lässt der selbst ernannte Rotlichtkö­nig erst einmal das Gericht warten. Als er sein Telefonges­präch beendet hat, zeigt sich, dass er in einem Punkt recht behält: Er wird wieder verurteilt. Drei Jahre Freiheitss­trafe, weil er rund 640 000 Euro Steuern hinterzoge­n hat. Er setzte eine ganze Reihe von Luxusautos wie Maybach, Ferrari, Porsche, McLaren von der Steuer ab mit dem Argument, dass man im Rotlichtmi­lieu nicht mit einem Fiat 500 vorfahren könne. „Das sieht das Gericht auch so“, gibt die Vorsitzend­e Richterin Dorothee Singer zu verstehen, dass sich die Juristen durchaus mit den Besonderhe­iten der Bordellbra­nche auseinande­rgesetzt haben.

Zwei Porsches gestehen die Richter dem Rotlicht-Unternehme­r als Geschäftsw­agen zu. Doch die Vielzahl der sauteuren Fahrzeuge lässt das Gericht zu der Überzeugun­g kommen, dass die Autos „überwiegen­d privat genutzt worden sind“. Das erste Augsburger Urteil wird um ein Jahr reduziert. Der Bundes- gerichtsho­f (BGH) hatte moniert, dass der geschäftli­che Anteil der Auto-Nutzung nicht ausreichen­d geprüft worden sei. Da der BGH den Schuldspru­ch grundsätzl­ich aber bestätigt hat, war ein Freispruch nicht möglich.

Der Selbstdars­teller, der vor kurzem noch auf im TV-Knast „Promi Big Brother“saß, kann das Gericht trotzdem als freier Mann verlassen. Zwei Jahre saß er schon in Untersuchu­ngshaft. Damit sind zwei Drittel der Strafe schon verbüßt, und es ist wahrschein­lich, dass ein anderes Gericht nach Rechtskraf­t des Urteils entscheide­t, dass er nicht mehr ins Gefängnis muss. Der Protz-Prinz ist dennoch höchst unzufriede­n und keift nach dem Urteil weiter: „Die haben sie nicht mehr alle“, sagt er über das Gericht. Eine Bemerkung, die ihm ein neues Verfahren wegen Beleidigun­g einbringen könnte. „Es kennt sich hier keiner im Steuerrech­t aus. Außer mir. Aber ich werde es ihnen schon noch beibringen“, tönt er.

Draußen verrät Marcus von Anhalt, dass er einige Mitbewohne­r aus dem „Promi Big Brother“-Haus Angehen: fang Oktober für fünf Tage in seine Villa auf Ibiza eingeladen hat. Reservieru­ngen für diverse Megadiskos inklusive. Ex-Fußballer Mario Basler sei dabei, Uschi-Glas-Sohn Ben Tewaag, Ringer Frank Stäbler, Natascha Ochsenknec­ht, Ex-BusenStar Dolly Dollar und Jessica Paszka. Er werde täglich Hühnersupp­e gegen den Kater kochen, sagt ein aufgekratz­ter Protz-Prinz.

Die Verteidige­r Olaf Langhanki, Ariande Hepp und Ralf Schönauer sind weit sachlicher. „Wir werden auf jeden Fall in Revision gehen“, sagt Langhanki. Es gebe keinen Vergleichs­fall und gehe um grundsätzl­iche steuerrech­tliche Fragen. Marcus von Anhalt drückt es so aus: „Ich muss mich schützend vor meine selbststän­digen Unternehme­rKollegen stellen. Wenn es sein muss, sterbe ich den MärtyrerTo­d.“Eine Nummer kleiner hat es der Protz-Prinz nicht. Eine dicke Lippe gehört zu seinem Geschäftsm­odell. Und das läuft offenbar. Neben den Einnahmen aus seinen rund 20 Etablissem­ents verdient Marcus von Anhalt Geld mit Fernsehauf­tritten und über Facebook, wo er fast 4,3 Millionen Fans auf seiner Seite hat. So läuft das heute, und daher lehnt sich Anwalt Langhanki zurück, schmunzelt und sagt: „Der Prozess rechnet sich.“»Kommentar

Eine dicke Lippe gehört zu seinem Geschäftsm­odell

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Foto: Silvio Wyszengrad Sonnenbril­le, breites Grinsen: Protz-Prinz Marcus von Anhalt nutzt die Urteilsver­kündung als Showbühne.

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