Mittelschwaebische Nachrichten
Geschenk des Himmels
Vor ihren zwei Auftritten in Bad Wörishofen spricht die weltberühmte Sängerin über Frauen in der Musik, über künftige Engagements – und über ihre beiden Buben
Luzern Diese soeben in München und Frankfurt zu Ende gegangene Konzert-Tournee mit Diana Damrau und dem Bayerischen Staatsorchester München, die auch durch etliche Hauptstädte Europas führte (Mailand, Paris, Luxemburg, Wien), stand ganz unter dem Zeichen des haarscharfen Hinhörens und der minutiösen Begutachtung: Kirill Petrenko, der künftige Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, wollte und musste zeigen, was er draufhat, wenn er demnächst dieses weltweit verehrte und tief respektierte Orchester leitet, das seine Chefs selbst wählt. Auch beim Luzerner Auftritt war die Spannung hoch. Das erfahrene, kritische Auditorium mochte sozusagen wissen: Hat Petrenko diese Position verdient? Es kam nach der „Sinfonia domestica“von Richard Strauss via Ovationen zu einem eindeutigen Ergebnis. Und Ovationen erhielt überbordend auch Diana Damrau, der sich Petrenko und das Staatsorchester ja versichert hatten für diese Tournee. Sie sang „Vier letzte Lieder“von Strauss ehrfurchtsvoll, kostbar, nobel – nachgerade überirdisch. Wir sprachen mit dem Weltstar aus Günzburg am Ufer des Vierwaldstätter Sees.
Das Festival Luzern widmete sich 2016 unter dem Titel PrimaDonna insbesondere der Frau in der Musik. Sie sangen „Vier letzte Lieder“von Richard Strauss in der Orchesterfassung. Fühlen Sie sich als Primadonna? Immerhin wurden Sie ja schon in New York als der führende Koloratur-Sopran unserer Tage bezeichnet. Diana Damrau: Wenn man mit solchen Aufgaben wie „Vier letzte Lieder“betraut wird, sind das Aufgaben einer Primadonna. Diese Stücke verlangen künstlerische Reife; da muss man stimmlich im Vollbesitz seiner Kräfte sein. Es sind Stücke für erste Sängerinnen. Das muss Qualität haben.
Es gibt immer noch eine Ungleichstellung zwischen Frau und Mann in der Musik, deshalb auch das Thema in Luzern. Es betrifft wohl am wenigsten die Sängerinnen – ganz klar aber die Dirigentinnen und Komponistinnen. Dennoch an Sie die Frage: Ist es Ihnen in Ihrer Laufbahn schon einmal passiert, dass Sie sagen mussten, als Mann wäre ich im Vorteil gewesen? Und, zweiter Teil der Frage: Waren Sie – ohne ins Detail zu gehen – schon einmal unsittlichen Anträgen ausgesetzt? Diana Damrau: Nein, ist mir beides nicht passiert. Gott sei Dank! Da habe ich wirklich Glück gehabt. Toi, toi, toi. Im Falle des Falles muss man vor der berüchtigten „Besetzungscouch“Reißaus nehmen. Aber: Ohne dass ich es beweisen kann, haben es Frauen schwerer in unserem Beruf. Eindeutig werden sie nach wie vor schlechter bezahlt. Was mich betrifft: Ich bin geschützt vor der Frauenfeindlichkeit, ich muss ja sein als Sängerin. Insofern bin ich an der Emanzipationsbewegung vorbeigeschrammt.
Schmunzeln Sie nicht bei der nächsten Frage: Ist es eigentlich ausgeschlossen, dass Sie noch einmal dirigieren werden? So, wie etliche andere Solisten – Stichwort Barbara Hannigan – auch zum Pult strebten? Diana Damrau: Dirigieren ist ein Beruf, den man erlernen muss. Das würde mich schon interessieren, aber ich glaube nicht, dass ich dazu geboren bin; ich glaube nicht, dass ich das könnte. Wenn man mal etwas Blödes sagt, will das Orchester nicht mehr spielen. Nein, wenn, dann in meiner nächsten Inkarnation. Dann würde ich Sänger begleiten oder Oper dirigieren wollen – Musik, bei der das Wort dabei ist.
Haben Sie schon einmal mit den Berliner Philharmonikern musiziert? Diana Damrau: Ja, in Gustav Mahlers zweiter Sinfonie.
Das könnte sich ja mit Kirill Petrenko, dem künftigen dortigen Chefdirigen- ten, mit dem Sie schon einiges zusammen gemacht haben, fortsetzen, oder? Diana Damrau: Ja, da kommt was. Mehr darf ich noch nicht sagen.
Aus der Erfahrung Ihrer Zusammenarbeit mit Petrenko: Was meinen Sie, warum die Berliner Philharmoniker ihn zu ihrem Chef wählten? Diana Damrau: Er arbeitet im Detail und kann sich in Worten unglaublich präzise und poetisch ausdrücken. Er trifft mündlich und dirigentisch den Kern – also das, um was es geht. Aber neben allen Details und Feinheiten wird er nicht verkopft. Er bleibt Musiker und Mensch. Er hat unglaubliche Qualitäten. Man hört bei ihm so viel mehr. Ich schätze ihn in allem. Er lässt nicht nach und ist immer inspiriert.
Sie sangen jetzt also unter ihm „Vier letzte Lieder“, im Oktober folgt in Mailand die Figaro-Gräfin, jeweils Partien für erfahrenere, gereiftere Frauen. Deutet sich da eine neue Wendung in Ihrer Laufbahn an? Diana Damrau: Vielleicht geht es jetzt von den „-chens“zu den Frauen. Ja, was Strauss und Mozart betrifft, geht es einen Schritt weiter. Das ist eine ganz normale Entwicklung. Gleichzeitig singe ich ja weiter Belcanto.
Heißt das, dass in Sachen Strauss solche Partien wie die Feldmarschallin aus dem „Rosenkavalier“und die Danae kommen werden? Diana Damrau: Ja, auf jeden Fall. Und die Arabella noch dazu. Alle drei. Ich muss gucken, wo meine Stimme hingeht und wie ich das in mein Repertoire einbetten kann. Darüber hinaus schaue ich nicht weiter.
Wie geschehen denn solche NeulandErkundungen? Geben Sie ein Signal, dass Sie sich reif dafür fühlen, oder fragen Dirigenten/Intendanten an, die Sie als reif dafür erachten? Diana Damrau: Beides. Das geht Hand in Hand. In Sachen „Vier letzte Lieder“, die ich schon seit längerem geplant hatte, die ich ja auch schon mit Klavierbegleitung sang, war es so: Ich saß im Betriebsbüro der Münchner Staatsoper und nebenan wurde über das künftige Programm gesprochen, eben auch über „Vier letzte Lieder“. Und dann wurde zu mir rübergerufen: „Hättest du da Zeit?“Es war ein Geschenk des Himmels!
Sie sangen mit jedem denkbaren Einsatz die leichtlebige Zerbinetta, die Sie ja wohl in Wirklichkeit nicht sind; Sie werden die Figaro-Gräfin singen, deren Erfahrungen man keiner Frau wünscht: Wie schwierig ist es, sich in diese sozusagen „fremden“Figuren hineinzuversetzen? Diana Damrau: Schauspieler haben es diesbezüglich viel schwerer … Wenn man eine Rolle erarbeitet, geht man nicht vom Standpunkt unserer Zeit aus. Man muss das historisch, aus der Geschichte heraus entwickeln. Dann versucht man sich in diese Situation hineinzuversetzen, in solche Gefühle wie Liebe, Hass, Eifersucht … Die Figaro-Gräfin ist eine Super-Frau. Sie weiß sich – wie die Rosina aus dem Barbier von Sevilla – zu wehren. Sie ist schnell, sie gibt nicht auf. Sie kommt in gefährliche Situationen und reißt das Segel immer wieder rum. Sie verschmilzt auch musikalisch fast mit Susanna. Die beiden kämpfen Seite an Seite wie Freundinnen, wie Komplizen. Es ist schön für mich, jetzt die ganze Oper aus der Perspektive der Gräfin zu hören. Natürlich benutze ich dafür nun andere Farben als für die Susanna.
„Wenn also jemand einen Schlager braucht, dann kriegt er ihn auch …“
Das Programm Ihrer beiden Konzerte in Bad Wörishofen beim diesjährigen Festival der Nationen ist offiziell noch gar nicht bekannt. Verraten Sie es an dieser Stelle? Diana Damrau: Bei der Operngala singe ich Werke aus dem französisch-italienischen Repertoire – etwa Massenet, Gounod, Rossini, Bellini, Donizetti, Verdi. Im Liederabend mit Helmut Deutsch am Flügel stehen eben „Vier letzte Lieder“auf dem Programm und dazu „Ellens Gesänge“von Schubert mit dem berühmten Ave Maria. Wenn also jemand einen Schlager braucht, kriegt er ihn auch …
Noch etwas Privates zum guten Schluss: Ihre beiden Söhne müssten wohl bald das Lesen, Schreiben, Rechnen lernen. Wie werden Sie und Ihr Mann das organisieren? Leben Sie noch in Südfrankreich? Diana Damrau: Wir wohnen offiziell in der Schweiz. Das Haus in Südfrankreich ist lediglich ein Ferienhaus, weil wir dort im Umkreis von 300 Kilometern keine Arbeit finden… Aber im Prinzip leben wir ja eigentlich aus dem Koffer. Wir haben bereits mit Home-Schooling für die beiden Vorschul-Buben, die demnächst vier und sechs werden, angefangen. Bislang mit wechselnden Privatlehrern, aber das hat sich nicht bewährt. Es wird wohl jetzt auf einen ständigen Privatlehrer hinauslaufen, der mit uns mitreist.