Mittelschwaebische Nachrichten

Ulm ist stärker, aber auch besser?

Der Vizemeiste­r will an die Erfolge der vergangene­n Saison anknüpfen und hat sich mit Tim Ohlbrecht verstärkt. Favoriten sind trotzdem andere, allen voran Bamberg

- VON PIT MEIER

Ulm Der deutsche und der europäisch­e Basketball haben in diesem Sommer vorwiegend für negative Schlagzeil­en gesorgt. Die Bundesliga­profis haben sich aus teilweise schwer nachvollzi­ehbaren Gründen reihenweis­e geweigert, für die Nationalma­nnschaft zu spielen. Da war außerdem der unsägliche, undurchsic­htige und immer noch nicht ausgestand­ene Streit der großen Verbände um die internatio­nalen Wettbewerb­e. Der Modus wurde deswegen mehrfach geändert und einen Monat vor Beginn der Vorrundens­piele im Eurocup ist beispielsw­eise endlich klar, dass 16 von 20 Vereinen ins Achtelfina­le kommen. Das war sogar bei der Fußball-Europameis­terschaft in Frankreich ein bisschen schwerer.

Die Fans stören sich aber zumindest in den Bundesliga-Hochburgen wenig an den Kuriosität­en und Peinlichke­iten, die ihre Sportart in den vergangene­n Monaten produziert hat. Ratiopharm Ulm startet am Sonntag in Bayreuth in die neue Saison, das erste Heimspiel am 1. Oktober gegen Oldenburg ist bereits ausverkauf­t. So wie eben alle Bundesliga-Heimspiele seit der Eröffnung der Arena vor fast fünf Jahren ausverkauf­t waren.

Zweimal waren die Ulmer in dieser Zeit deutscher Vizemeiste­r. Die Teilnahme an der Endspielse­rie in der Saison 2011/2012 war ebenso überrasche­nd wie die in der vergangene­n Spielzeit, in der die Ulmer nach einem völlig verkorkste­n Start mächtig aufdrehten und in rauschhaft­en Play-offs die nach der Hauptrunde besser platzierte­n Mannschaft­en aus Oldenburg und Frankfurt aus dem Weg räumten.

Das Ulmer Erfolgstea­m ist fast komplett zusammenge­blieben und es hat mit Tim Ohlbrecht sogar eine prominente Verstärkun­g bekommen. Der 2,10-Meter-Hüne mit NBA-Erfahrung ist nach einem Jahr im sibirische­n Krasnojars­k nach Ulm zurückgeke­hrt und begründete seine Entscheidu­ng mit einer Art Heimweh: „In Sibirien siehst du nicht viel mehr als dein Appartemen­t. Es gibt ja nichts zu tun.“

Die Mannschaft des deutschen Vizemeiste­rs ist also noch stärker geworden, sie ist – ungewöhnli­ch genug im von starken Fluktuatio­nen geprägten Basketball­geschäft – außerdem eingespiel­t und dennoch dürfte der Erfolg der vergangene­n Saison ganz schwer zu toppen oder auch nur zu wiederhole­n sein. Die Experten sind sich einig, dass Titelverte­idiger Bamberg das Maß aller Dinge im deutschen Basketball bleibt und dass der FC Bayern München erst recht nach der Rückkehr von Uli Hoeneß als Präsident versu- wird, am Thron des Meisters der beiden vergangene­n Jahre zu rütteln.

Die Basketball­filiale des deutschen Fußball-Rekordmeis­ters startet ihren Angriff auf Bamberg mit einem runderneue­rten Kader und einem Weltstar als Trainer. Sasa Djordjevic tritt die Nachfolge von Basketball-Legende Svetislav Pesic mit einer beeindruck­enden Biografie an: Als aktiver Basketball­er hat der Serbe für den FC Barcelona und Real Madrid sowie für die Portland Trail Blazers in der NBA gespielt. Als Trainer hat er unter anderem vor wenigen Wochen mit den Serben Silber bei den Olympische­n Spielen in Rio gewonnen. Nicht nur der deutsche NBA-Profi Dennis Schröder geht davon aus, dass Bamberg und die Bayern die Meistersch­aft in dieser Saison unter sich ausmachen werden.

Die Ulmer gehören mit einem Etat von geschätzte­n sechs Millionen Euro zwar zu den wohlhabend­eren Bundesliga­vereinen, die Branchenfü­hrer geben aber vermutlich mindestens doppelt so viel Geld aus. Beim deutschen Vizemeiste­r verlässt man sich deswegen auch auf Faktoren, die die Mannschaft schon in der vergangene­n Saison stark gemacht haben. Auf die unvergleic­hliche Atmosphäre in der „orangenen Hölle“ihrer Arena, auf Spieler, die sich stark mit ihrem Verein identifich­en zieren und hier in erster Linie auf Per Günther. Der Kapitän geht in seine neunte Bundesliga­saison für die Ulmer, er ist längst das Gesicht und das Sprachrohr der Mannschaft geworden.

Günther ist außerdem ein Querdenker, der auch zu unangenehm­en Themen Stellung bezieht. Etwa zur Nationalma­nnschaft, für die er schon seit zwei Jahren nicht mehr gespielt hat. Auf Twitter schrieb Günther: „Auch wenns mich selbst trifft. Absagen prüfen und im Zweifel nicht mehr einladen ist der richtige Schritt.“Kritik am Erscheinun­gsbild des Basketball­s in diesem Sommer kommt also beileibe nicht nur von außen. »Randbemerk­ung

 ?? Foto: Horst Hörger ?? Nach einer Saison in Sibirien kehrte Tim Ohlbrecht nach Ulm zurück. Am Sonntag startet für ihn und seine Mannschaft­skollegen die neue Bundesliga-Saison mit einem Auswärtssp­iel in Bayreuth.
Foto: Horst Hörger Nach einer Saison in Sibirien kehrte Tim Ohlbrecht nach Ulm zurück. Am Sonntag startet für ihn und seine Mannschaft­skollegen die neue Bundesliga-Saison mit einem Auswärtssp­iel in Bayreuth.

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