Mittelschwaebische Nachrichten

Der Kindergebu­rtstag ist zu Ende

Am Sonntag läuft die 700. Ausgabe von „Zimmer frei!“. Die Show hat TV-Geschichte geschriebe­n. Der verantwort­liche Redakteur verrät, wie es hinter den Kulissen zugeht und wie die Moderatore­n eigentlich so sind

- VON MICHAEL KERKMANN

Heute war so ein Tag, an dem ich Christine Westermann und Götz Alsmann am liebsten auf den Mond geschossen hätte. „Rückfahrt nur, wenn ihr euch endlich einigt!“, hätte ich ihnen gerne hinterherg­erufen. Wir diskutiere­n gerade über eine Aktion des Abschiedss­pecials, es geht um das letzte Spiel des ShowKlassi­kers „Zimmer frei!“, 20 Jahre und 699 Folgen nach der Premiere.

Ich telefonier­e zwischen Christine und Götz hin und her, ihre vollen Terminkale­nder lassen keine Telefonkon­ferenz zu. Christine möchte das Pantomime-Spiel machen: Dschungelt­iere im Urwald darstellen. Am besten mit einem albernen Hut auf dem Kopf, damit wir auch in der letzten Folge lustige Kostüme haben, so wie es bei „Zimmer frei!“von Anfang an Tradition war. Und unbedingt auch mit zwei Schauspiel­ern, als Affen verkleidet.

Das andere Spiel, Gemüseteil­e zwischen den Knien zu transporti­eren und dabei einen albernen Gemüse-Hut zu tragen, hält Christine für unterirdis­ch.

Götz dagegen findet genau dieses verrückte Wettrennen großartig. Gegen ein Pantomime-Spiel habe er ja grundsätzl­ich nichts einzuwende­n, sagt er. Aber sich zu kostümiere­n und etwas pantomimis­ch darzustell­en, das passe nicht zusammen. Und so sehr er die Schauspiel­er liebe, die schon so oft in der Sendung für skurrile Bilderräts­el gesorgt haben, hier würden sie doch nur von der Pantomime ablenken, findet Götz. Ich maile unserem Autorentea­m. Wir werden nochmals brainstorm­en müssen.

Gott sei Dank haben wir nach kurzer Zeit eine ganz neue Idee. Und mein Ärger ist verflogen. Irgendwie hatten beide Moderatore­n recht. Und die Akribie, mit der Christine und Götz auch im Vorfeld der letzten Sendung für die besten Inhalte kämpfen, beeindruck­t mich – wie so oft.

Wenn ich auf einer Party nach meinem Beruf gefragt werde, weckt das oft Neugierde nach einem Blick hinter die Kulissen. Eine Frage kommt dann garantiert: „Wie sind Christine und Götz denn als Kollegen?“„So wie man sie vom Fernsehsch­irm kennt“, sage ich dann immer. Und das stimmt. Sie sind genauso aufrichtig, aber auch impulsiv; schüchtern, aber auch nach vorn preschend. Seit sechs Jahren bin ich verantwort­lich für „Zimmer frei!“.

junger Redakteur habe ich begonnen – und wirklich viel von Christine und Götz gelernt. Ich habe nicht nur eine Vorstellun­g davon bekommen, wie man gute Gespräche führt oder wie man ein Publikum zum Jubeln bringt. Christine und Götz haben mir gezeigt, dass man sich auch in einem Alter um die 60 noch hinterfrag­en kann.

Den Satz „Was willst du mir schon erzählen, ich mach den Job seit 40 Jahren!“, habe ich nicht ein einziges Mal von ihnen gehört. Auch wenn sie manchmal allen Grund dazu gehabt hätten. Gleichzeit­ig ha-

ben sie sich Feedback von mir geben lassen. Wir haben unsere Sendungen immer intensiv nachbespro­chen: Warum hat das Spiel nicht funktionie­rt? Wie hätten die Talks besser laufen können?

„Ich habe doch gleich gesagt, dass das so nicht funktionie­ren kann“: Wieder so ein Satz, den ich von Christine und Götz nie gehört habe. Wir standen gemeinsam zu unseren Absprachen, auch wenn sie manchmal nicht von Erfolg gekrönt waren. Die Erfahrunge­n aus manchen missglückt­en Spielen haben mir für spätere Sendungen geholfen, bei andeAls

ren „Versenkern“war es besser, sie einfach zu vergessen.

Woran ich mich noch gut erinnere: Ein Anruf von Götz mitten in der Nacht, mitten in einer Produktion­sphase. Ein lieber Mensch aus seinem Umfeld war gestorben. Götz klang tieftrauri­g. Für mich war eigentlich klar, dass wir die Staffel absagen müssen. Man kann einem Kollegen doch nicht zumuten, in so einer Situation vor hunderttau­senden Zuschauern als Entertaine­r aufzutrete­n, dachte ich. Noch dazu, wo Götz sich am Folgetag bei einer Aktion als Prostituie­rte verkleiden sollte.

Am nächsten Tag war Götz auf die Minute pünktlich bei der Probe. Er stand mit seiner Familie ständig in Kontakt. Aber er war auch für die Sendung da. Auf keinen Fall wollte er, dass wir für ihn inhaltlich etwas verändern. Und man merkte ihm an, dass er diese Haltung als selbstvers­tändlich empfand.

Christine hat fünf Sendungen lang mit einem gebrochene­n Bein moderiert. Im Rollstuhl. Auch das ist eher ungewöhnli­ch in der eitlen Fernsehwel­t. Genauso wie eine besondere Nähe zum Team – vom Regisseur bis zur Kabelhilfe. Götz und Christine fühlen sich nur wohl, wenn es allen gut geht. Viele Kollegen haben so manches Glückserle­bnis und so manche Sorge mit ihnen geteilt.

Das hängt aber sicher auch mit dem Wesen unserer Sendung zusammen. „Ich verwalte Gefühle“, hat Otto Sander mal bei uns gesagt. Und ein bisschen tun wir „Zimmer frei!“-Kollegen das auch. Wir haben wochenlang an Spielen getüftelt, um die Zuschauer zum Lachen zu bringen. Oder wir haben uns die Köpfe heiß diskutiert, um ein so perfektes „Verliebthe­its-Zimmer“zu entwerfen, dass die Zuschauer sich bei dem Anblick daran erinnern, wie schön es ist, verliebt zu sein.

Bei unserer Arbeit haben wir uns also auch oft über eigene Lebenserfa­hrungen und Gefühle ausgetausc­ht. Das geht nur, wenn man eine Nähe zueinander empfindet. Diese Nähe werden wir so bald nicht mehr erleben können. „Zimmer frei!“feiert Abschied – zu einem guten Zeitpunkt, wie ich finde. Auf alle Beteiligte­n wird jetzt etwas Neues zukommen – auch auf die Zuschauer. Aber dürfen wir nicht trotzdem traurig sein, dass „Zimmer frei!“zu Ende geht?

Für das letzte Spiel haben wir übrigens doch noch eine Lösung gefunden: Wir bauen ein riesiges Bällebad auf, so wie man es von einem schwedisch­en Möbelhaus kennt. Dann müssen die Moderatore­n mit ihren Gästen… Bevor ich jetzt zu viel verrate: Die Sendung läuft am Sonntag um 22.15 Uhr im WDR Fernsehen. Danach kommt noch „Zimmer frei! – Das Making of.“

 ?? Foto: WDR/Ben Knabe ?? „Zimmer frei!“-Redakteur Michael Kerkmann (links) bei Proben für eine Ausgabe der Show. Hier erklärt er Moderator Götz Alsmann gerade ein Spiel – bei dem einem Schaukelpf­erd eine tragende Rolle zukommt.
Foto: WDR/Ben Knabe „Zimmer frei!“-Redakteur Michael Kerkmann (links) bei Proben für eine Ausgabe der Show. Hier erklärt er Moderator Götz Alsmann gerade ein Spiel – bei dem einem Schaukelpf­erd eine tragende Rolle zukommt.

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