Mittelschwaebische Nachrichten
Ein kritischer Blick auf Martin Luther
Eine Schau im Erweiterungsbau des Ichenhauser Rathauses beschäftigt sich mit der Judenfeindlichkeit des Reformators
Ichenhausen Der Titel, der spricht eine deutliche Sprache: „Ertragen können wir sie nicht“schrieb Martin Luther über die Juden. Eine Ausstellung in Ichenhausen befasst sich mit Luthers Einstellung zu jenen Menschen, die einst einen bedeutenden Anteil an der Gesellschaft Ichenhausens hatten.
Gerade im Hinblick auf das Reformationsjubiläum – am 31. Oktober 2017 jährt sich der Anschlag seiner 95 Thesen in Wittenberg zum 500. Mal – solle die Ausstellung auch die kritische Seite des Reformators beleuchten, so Pfarrer Marcus Reichel von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Ichenhausen bei der Eröffnung am Dienstag.
Denn Martin Luther, das theologische Genie, war alles andere als ein Judenfreund. 17 Schautafeln der Ausstellung widmen sich dabei nicht nur dem Leben und Werk des Reformators. Vielmehr stellen sie, unbeschadet seiner großen Leistungen, seine doch rassistische Haltung ge- der jüdischen Bevölkerung entgegen.
Anfangs den Juden noch durchaus freundlich gesinnt, trug die Veröffentlichung seiner judenfeindlichen Schriften, drei Jahre vor seinem Tod, zum dem später aufkom- menden politischen Antisemitismus bei. Eine Ideologie, welche sich die Nationalsozialisten umso mehr zunutze machten. „Dass man ihre Häuser zerbreche und zerstöre. Man mag sie etwa unter ein Dach oder in einen Stall stecken, wie die Zigeugenüber ner, auf dass sie wissen, sie seien nicht Herren in unserem Lande“, heißt es unter anderem in Luthers Empfehlungen.
Weiter beschäftigt sich die Ausstellung mit Blütezeit und Vertreibungen, aber auch mit Legenden über das Judentum bis heute. Sie solle auch zugleich auf die Einstellung gegenüber Fremden und anderen ansprechen und damit zu einem neuen Dialog beitragen, so Pfarrer Reichel. Mit dem Standort im neuen Rathaus-Erweiterungsbau könne ein vielfach breiteres Publikum angesprochen werden als im Haus der Begegnung, der ehemaligen Synagoge. Erfreut zeigte sich Ichenhausens Bürgermeister Robert Strobel darüber, dass die Stadt mit der neu gebauten Erweiterung diesen Raum bieten könne.