Mittelschwaebische Nachrichten

Immer mehr Rentr haben einen Job

Gerade auch in Bayern steigt die Zahl der Senioren, die eizahlten Tätigkeit nachgehen. Ist es wirklich immer die finanziell­e Not, die dazu zwingt? Warum Experten damit rechne s in Zukunft immer mehr Ältere arbeiten müssen

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Die Rente reicht einfach nicht – diesen Satz hört Bettina Schubarth oft. Nach Einschätzu­ng der Sprecherin des Sozialverb­ands VdK Bayern, der rund 650 000 Mitglieder zählt, kämpfen vor allem Frauen mit zu niedrigen Renten, „leider holen die Männer bei dem Thema aber auf“. Fest steht: Immer mehr Deutsche arbeiten auch nach ihrem 65. Lebensjahr. Das belegen Zahlen des Gesamtverb­andes der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft, kurz GDV. Demnach hatten 2015 etwa 665 000 von rund vier Millionen 65- bis 70-Jährigen noch einen Job. Das seien 300000 mehr als noch im Jahr 2000. Damit hat sich der Anteil der Beschäftig­ten in dieser Altersgrup­pe von acht auf 16,6 Prozent mehr als verdoppelt.

Und der GDV gibt auch gleich die Begründung für die steigende Erwerbstät­igkeit der Rentner an: „Für die meisten arbeitende­n Rentner ist das Geld weniger wichtig. Spaß an der Arbeit und menschlich­e Kontakte stehen im Vordergrun­d.“Auch Heribert Engstler vom Deutschen Zentrum für Altersfrag­en betont, dass es viele Gründe gibt, warum immer mehr Rentner einen Job haben. Finanziell­e Überlegung­en sollte man dabei nicht abtun. In Umfragen zeigt sich nach Angaben von Engstler, dass das Geld vermehrt als Motiv angegeben wird. Der Spaß an der Arbeit und der Kontakt zu anderen Menschen spiele aber auch eine große Rolle. Nach Ansicht von Engstler wachse auch der Wunsch, weiter eine Aufgabe zu haben. Der Soziologe beobachtet eine veränderte Vorstellun­g vom Alter: „Der Ruhestand ist heute eine lange Phase.“Die Menschen sind im Schnitt gesünder, wenn sie in Rente gehen, höher gebildet und anders orientiert: „Die Vorstellun­g, dass ich in den wohlverdie­nten Ruhestand gehe, in dem ich nichts mehr zu tun habe, hat sich hin zu einem aktiven Altern verändert.“Auch darf nach Meinung von Engstler nicht vergessen werden: „Arbeiten im Ruhestand ist nicht vergleichb­ar mit dem Arbeiten vorher.“Die überwiegen­de Zahl der Rentner ist in Teilzeit oder geringfügi­g beschäftig­t. Die Arbeit ist damit nur ein Aspekt von mehreren im Leben. Engstler ist aber auch überzeugt davon: Die Zahl der arbeitende­n Rentner wird weiter steigen. Und es werde verstärkt aus finanziell­er Notwendigk­eit sein. Schließlic­h hätten gerade Neurentner weniger Geld zur Verfügung.

Das Absinken des Rentennive­aus in den vergangene­n Jahren sieht auch Bettina Schubarth vom VdK Bayern kritisch. Sie spricht von ei- ner „Spaltung“bei den Rentne „und die Unterschie­de wer spürbarer“. Erwin Helmer wa sogar vor einer „Zeitbombe“. Sprecher der Betriebsse­elsorge Bayern befürchtet, dass künf noch viel mehr Rentner im Al arm sein werden. Als Gründe ne der Präses der Katholisch­en Arb nehmer-Bewegung (KAB) die Z nahme der prekären Beschäftig­u die er auch in Bayern mit gro

„Doch gilt es, im Alter nic können, sondern so viel G haben, dass ein Mindestma Teilhabe möglich ist.“

Sorge beobachtet. Also Leiharb befristete Verträge, Werksvertr und das Arbeiten im Niedriglo sektor. Die Entwicklun­g, dass i mer mehr Rentner arbeiten, sieh daher skeptisch. Denn die deutl steigende Zahl zeigt für ihn, dass vor allem auch finanziell­e Grü sind, die Ältere einen Job ergrei lassen. Als besonders besorgnise­r gend empfindet Helmer die Tat che, dass Menschen, die bereits 50 plus ihre Arbeit verlieren, ka wieder auskömmlic­h bezahlte V zeitstelle­n erhalten. „Diese M schen stecken oft in einem Teufe

is aus befristete­n und schlecht ahlten Jobs, die eine ausreichen­Rente nicht mehr ermögliche­n.“ch in der Region hätten viele Äle ihren Arbeitspla­tz verloren. Als spiele nennt Helmer die Untermen Manroland und Weltbild. Von Altersarmu­t erheblich stärbetrof­fen sind seiner Meinung h Frauen. Sie verdienen nicht im Schnitt oft weniger, sie arten auch öfter in ilzeit oder Minijobs, was sich in nten auswirkt, die kaum zum Lereichten. Der Mindestloh­n ist ner Ansicht nach zwar ein überiger Schritt gewesen. „Doch gilt im Alter nicht nur überleben zu nnen, sondern so viel Geld zur rfügung zu haben, dass ein Mintmaß an gesellscha­ftlicher Teile möglich ist.“Das aber ist seiBeobach­tung nach immer öfter ht der Fall. „Wer zum Beispiel Leben lang zum gesetzlich­en ndestlohn von 8,84 Euro Stunlohn arbeitet, erwirbt einen ntenanspru­ch weit unter der Grundsiche­rung im Alter“, erklärt Helmer. Laut Bundesarbe­itsministe­rium wären etwa 11,50 Euro Stundenloh­n nötig, „um sich wenigstens den Gang zum Sozialamt zu sparen. Die Rente läge dann bei 800 Euro“.

Auch Bettina Schubarth vom VdK spricht vom „Extrageld“, das immer mehr Senioren motiviert, arbeiten zu gehen. Ihnen genüge die Rente zwar zur Existenzsi­cherung, „aber wenn es darum geht, mal Kaffee trinken zu gehen oder Eintritt zu bezahlen, reicht das Budget eben nicht“. Nicht wenige gehen laut Schubarth auch in Rente und müssten beispielsw­eise noch ein Darlehen abbezahlen – für das die Rente dann zu knapp ist.

Wie Betriebsse­elsorger Helmer verfolgt auch Schubarth die Entwicklun­g am Arbeitsmar­kt mit großer Sorge: Menschen, die mit 50 plus ihre Stelle verlieren, haben auch ihrer Meinung nach kaum Chancen am Arbeitsmar­kt. „Die Arbeitsmar­ktpolitik hat diese Altersgrup­pe abgeschrie­ben. Ich sehe hier keine Anstrengun­gen. Diese Menschen benötigen natürlich auch viel mehr Beratung.“Wer mit 60 plus noch dringend einen Job braucht, schlägt sich nach Schubarths Einschätzu­ng oft nur noch so durch. Geht es nach ihr, müssten die Unternehme­r, die nach Fachkräfte­n rufen, viel mehr in den Betrieben präventiv tun, damit die Arbeitskra­ft länger erhalten bleibt.

Rund 82500 Menschen über 50 waren im August in Bayern ohne Arbeit. Damit ist die Zahl der älteren Arbeitslos­en im Vergleich zum Vorjahresm­onat um 2,1 Prozent zurückgega­ngen. „Und die Zahl der Arbeitslos­en über 50 Jahren ist stärker als die Zahl aller Arbeitslos­en im Freistaat gesunken“, betont Markus Schmitz. Der Chef der Regionaldi­rektion Bayern der Bundesarbe­itsagentur macht aber deutlich, dass er hier mit Angeboten zur Weiterqual­ifizierung eine wichtige Aufgabe für die Arbeitsage­nturen sieht. „Auf der anderen Seite sind aber auch Arbeitgebe­r aufgerufen, das Potenzial, das erfahrene Mitarbeite­r mitbringen, zu erkennen und zu nutzen“, sagt Schmitz. Bei der Einstellun­g können die Arbeitsage­nturen beispielsw­eise mit Einglieder­ungszuschü­ssen unterstütz­en. „Dazu ist es wichtig, dass wir den älteren Mitarbeite­rn auch in der Beschäftig­ung mit Qualifizie­rungsprogr­ammen wie WeGebAU ermögliche­n, auf dem neuesten Stand zu bleiben.“

Doch die größten Verlierer sind nach Ansicht von Schubarth vom VdK Bayern diejenigen, die es gar nicht schaffen, länger zu arbeiten, sondern frühzeitig krank werden: „Die Erwerbsmin­derungsren­te ist ein großes Armutsrisi­ko.“

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Fotos: Ulrich Wagner Enes Catovic, der seit 1981 (linkes Bild) bei dem Familienun­ternehmen Kleiner in Mindelheim arbeitet, ist noch heute mit über 66 zur Stelle, wenn die Firma ruft.
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Betrger Erwin Helmer

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