Mittelschwaebische Nachrichten
Jahr der Rekorde für „Christoph 22“
Noch nie zuvor war der Rettungshubschrauber so gefragt wie im vergangenen Jahr
Ulm/Günzburg 1700 Einsätze rund um Ulm/Neu-Ulm flog der Rettungshubschrauber „Christoph 22“im vergangenen Jahr. Das ist der höchste Wert in der Geschichte des Luftrettungsstandorts und entspricht 90 Flügen mehr als 2015. Professor Lorenz Lampl, der Leiter der Abteilung Anästhesie und Intensivmedizin am Bundeswehrkrankenhaus (BWK) macht dafür mehrere Faktoren verantwortlich: Ein Punkt sei die Alterung der Bevölkerung, die dazu führe, dass eine immer größere Gruppe tendenziell anfälliger für Herzinfarkte und andere akute Notfälle werde. Außerdem erhöhten Versorgungslücken im ländlichen Raum die Bedeutung der Luftrettung. Deutlich mehr Einsätze seien etwa auf der Schwäbischen Alb zu verzeichnen gewesen. Zudem nehme die Spezialisierung der Krankenhäuser zu. Sämtliche Schlaganfall-Patienten etwa würden gleich in die Schlaganfall-Spezialeinheit, die Stroke Unit des RKU (Universitäts- und Rehabilitationskliniken), gebracht. Der Einsatzradius beträgt etwa 50 bis 75 Kilometer rund um Ulm.
Durch die Indienststellung von „Christoph 40“in Augsburg und „Christoph 65“in Dinkelsbühl, deren Einsatzgebiete sich teilweise überschneiden, habe sich die Situation der Luftrettung im Osten Ulms – also dem Landkreis Neu-Ulm – deutlich verbessert. „Erstaunlicherweise“, so Lampl, hätten die neuen Rettungshubschrauber aber nicht die Einsatzzahlen von „Christoph 22“gesenkt.
Lediglich 6,8 Prozent der 1700 Einsätze waren letztlich sinnlos. Wie Lampl betonte, gilt diese Quote in Fachkreisen als geradezu herausragend. Unter Rettern würden Fehleinsatzquoten von bis zu 15 Prozent als tolerabel gelten. Schließlich würden oft Minuten über Tod oder Leben entscheiden, da bleibe zum Überlegen kaum Zeit.
Bei 70,4 Prozent der Einsätze des regionalen Rettungshubschraubers ging es um eine latent lebensbedrohliche Situation. 46 Prozent der Einsätze hätten ihren Ursprung in schweren Unfällen, 47 Prozent in Herz-Kreislauf-Problemen wie Herzinfarkten, neun Prozent in Schlaganfällen und der Rest seien Notfälle von Kindern und Babys.
Aus der Reihe fiel im vergangenen Jahr der Einsatz beim Amoklauf beim Olympia-Einkaufszentrum in München. „Die Situation war nicht überschaubar“, sagt Pilot Marc Rothenhäusler, der an jenem Juliabend in die bayerische Landeshauptstadt flog.
Als „Störfaktor“bezeichnete der Pilot, dass bei Einsätzen immer öfters Zeugen der Geschehnisse zum Handy greifen und ohne Rücksicht auf die Privatsphäre der Unfallopfer filmen. Noch dieses Jahr wird der alte „Christoph 22“nach Neuseeland verkauft und durch einen neuen Hubschrauber ersetzt. Zwischen 8,5 und neun Millionen Euro investiert die ADAC-Luftrettung in einen leiseren und besser ausgestatteten „H145“. Dr. Ralf Hoffmann, Chefarzt am Bundeswehrkrankenhaus betonte die „Win-win-Situation“der Zusammenarbeit von Bundeswehr und ADAC. Die Piloten der Bundeswehr würden so Gutes tun und zugleich für Auslandseinsätze der Bundeswehr üben können.
Unter dem Titel „Tag des Helfens“kamen im HubschrauberHangar des BWK nicht nur Akteure der Luftrettung, sondern auch die „Gelben Engel“des ADAC zusammen. Defekte Batterien waren einmal mehr die häufigste Pannenursache – bei rund einem Drittel aller Einsätze. Über 900 000 Mal leistete die Straßenwacht in Baden-Württemberg Starthilfe, wie Michael Prelop, der Bereichsleiter des ADAC Württemberg mitteilte.
Weitere technische Ursachen wie Motordefekte, Reifenschäden oder Probleme mit der Zündanlage gehörten ebenfalls zu den häufigeren Pannenursachen.