Mittelschwaebische Nachrichten

Jahr der Rekorde für „Christoph 22“

Noch nie zuvor war der Rettungshu­bschrauber so gefragt wie im vergangene­n Jahr

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Ulm/Günzburg 1700 Einsätze rund um Ulm/Neu-Ulm flog der Rettungshu­bschrauber „Christoph 22“im vergangene­n Jahr. Das ist der höchste Wert in der Geschichte des Luftrettun­gsstandort­s und entspricht 90 Flügen mehr als 2015. Professor Lorenz Lampl, der Leiter der Abteilung Anästhesie und Intensivme­dizin am Bundeswehr­krankenhau­s (BWK) macht dafür mehrere Faktoren verantwort­lich: Ein Punkt sei die Alterung der Bevölkerun­g, die dazu führe, dass eine immer größere Gruppe tendenziel­l anfälliger für Herzinfark­te und andere akute Notfälle werde. Außerdem erhöhten Versorgung­slücken im ländlichen Raum die Bedeutung der Luftrettun­g. Deutlich mehr Einsätze seien etwa auf der Schwäbisch­en Alb zu verzeichne­n gewesen. Zudem nehme die Spezialisi­erung der Krankenhäu­ser zu. Sämtliche Schlaganfa­ll-Patienten etwa würden gleich in die Schlaganfa­ll-Spezialein­heit, die Stroke Unit des RKU (Universitä­ts- und Rehabilita­tionsklini­ken), gebracht. Der Einsatzrad­ius beträgt etwa 50 bis 75 Kilometer rund um Ulm.

Durch die Indienstst­ellung von „Christoph 40“in Augsburg und „Christoph 65“in Dinkelsbüh­l, deren Einsatzgeb­iete sich teilweise überschnei­den, habe sich die Situation der Luftrettun­g im Osten Ulms – also dem Landkreis Neu-Ulm – deutlich verbessert. „Erstaunlic­herweise“, so Lampl, hätten die neuen Rettungshu­bschrauber aber nicht die Einsatzzah­len von „Christoph 22“gesenkt.

Lediglich 6,8 Prozent der 1700 Einsätze waren letztlich sinnlos. Wie Lampl betonte, gilt diese Quote in Fachkreise­n als geradezu herausrage­nd. Unter Rettern würden Fehleinsat­zquoten von bis zu 15 Prozent als tolerabel gelten. Schließlic­h würden oft Minuten über Tod oder Leben entscheide­n, da bleibe zum Überlegen kaum Zeit.

Bei 70,4 Prozent der Einsätze des regionalen Rettungshu­bschrauber­s ging es um eine latent lebensbedr­ohliche Situation. 46 Prozent der Einsätze hätten ihren Ursprung in schweren Unfällen, 47 Prozent in Herz-Kreislauf-Problemen wie Herzinfark­ten, neun Prozent in Schlaganfä­llen und der Rest seien Notfälle von Kindern und Babys.

Aus der Reihe fiel im vergangene­n Jahr der Einsatz beim Amoklauf beim Olympia-Einkaufsze­ntrum in München. „Die Situation war nicht überschaub­ar“, sagt Pilot Marc Rothenhäus­ler, der an jenem Juliabend in die bayerische Landeshaup­tstadt flog.

Als „Störfaktor“bezeichnet­e der Pilot, dass bei Einsätzen immer öfters Zeugen der Geschehnis­se zum Handy greifen und ohne Rücksicht auf die Privatsphä­re der Unfallopfe­r filmen. Noch dieses Jahr wird der alte „Christoph 22“nach Neuseeland verkauft und durch einen neuen Hubschraub­er ersetzt. Zwischen 8,5 und neun Millionen Euro investiert die ADAC-Luftrettun­g in einen leiseren und besser ausgestatt­eten „H145“. Dr. Ralf Hoffmann, Chefarzt am Bundeswehr­krankenhau­s betonte die „Win-win-Situation“der Zusammenar­beit von Bundeswehr und ADAC. Die Piloten der Bundeswehr würden so Gutes tun und zugleich für Auslandsei­nsätze der Bundeswehr üben können.

Unter dem Titel „Tag des Helfens“kamen im Hubschraub­erHangar des BWK nicht nur Akteure der Luftrettun­g, sondern auch die „Gelben Engel“des ADAC zusammen. Defekte Batterien waren einmal mehr die häufigste Pannenursa­che – bei rund einem Drittel aller Einsätze. Über 900 000 Mal leistete die Straßenwac­ht in Baden-Württember­g Starthilfe, wie Michael Prelop, der Bereichsle­iter des ADAC Württember­g mitteilte.

Weitere technische Ursachen wie Motordefek­te, Reifenschä­den oder Probleme mit der Zündanlage gehörten ebenfalls zu den häufigeren Pannenursa­chen.

 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Posieren am „Tag des Helfens“vor dem „Christoph 22“: Michael Prelop (ADAC); Lo renz Lampl (Leiter Intensivme­dizin), Thomas Kassner, Vorstand Technik/Umwelt beim ADAC Württember­g, BWK Chefarzt Ralf Hoffmann und Pilot Marc Rothenhäus ler.
Foto: Andreas Brücken Posieren am „Tag des Helfens“vor dem „Christoph 22“: Michael Prelop (ADAC); Lo renz Lampl (Leiter Intensivme­dizin), Thomas Kassner, Vorstand Technik/Umwelt beim ADAC Württember­g, BWK Chefarzt Ralf Hoffmann und Pilot Marc Rothenhäus ler.

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