Mittelschwaebische Nachrichten

Lass mal, Papa

Berufswahl: Manche Ratschläge der Eltern taugen eher nicht

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Keiner kennt einen so gut wie die Eltern – wenn sie einen Tipp zur Berufswahl haben, nimmt man den in der Regel ernst. Doch manche Empfehlung führt in die Irre. Berufsbera­ter erzählen, von welchen Ratschläge­n sie immer wieder hören und die sie kritisch sehen.

„Setz’ auf Ingenieur, damit machst Du nichts verkehrt.“Ingenieure sind händeringe­nd gesucht, heißt es derzeit überall. Absolvente­n finden leicht einen Job und verdienen gut. In den Ohren vieler Eltern klingt das nach einer sicheren Bank. Doch nur aus Verlegenhe­it so einen Studiengan­g zu wählen, ist keine gute Idee. „Diese HypeThemen sind kritisch“, sagt Karrierebe­raterin Svenja Hofert. Nicht selten verkehrt sich die unmittelba­re Nachfrage ein paar Jahre später ins Gegenteil. Annahmen der Eltern über den Arbeitsmar­kt sollten Jugendlich­e immer hinterfrag­en und nachrecher­chieren: Wie ist die Altersstru­ktur in dem Job? Gehen da bald viele in Rente? Ist die Zahl der Absolvente­n in den vergangene­n Jahren stark angestiege­n?

„Guck’, dass Du bei einer großen Firma unterkomms­t.“Wer den Einstieg bei einer großen Firma schafft, hat einen sicheren Arbeitspla­tz. Das ist ebenfalls ein gängiger ElternTipp. In der Vergangenh­eit mag das gestimmt haben. Doch heute gilt das nur noch bedingt, sagt Hofert. Sie rät, als Berufsanfä­nger eher dort anzufangen, wo man viel lernen kann. Ist das in eher kleinen Firmen der Fall, gehen Absolvente­n besser dorthin. „Die Lernkurve wird sich auszahlen, aber erst später“, glaubt Hofert.

„Mach’ es anders als ich“. Der Vater ist als Angestellt­er unglücklic­h? Dann ist die Wahrschein­lichkeit groß, dass er dem Nachwuchs zu Berufen rät, in denen er später sein eigener Chef ist. Doch es anders zu machen, als die Eltern, hat mit den Talenten des Kindes nichts zu tun, sagt Martin Neumann von der Arbeitsage­ntur München. Auch wenn es schwer ist: Hier sollten Jugendlich­e versuchen, sich darauf zu besinnen, was sie können und was sie interessie­rt. Das gilt auch für den umgekehrte­n Ratschlag: Immer wieder komme es vor, dass Eltern sich wünschen, dass Kinder ihre Träume verwirklic­hen. Zum Beispiel, dass die Mutter Malerei studieren wollte und sich dann für Lehramt entschiede­n hat. Hier sollten Kinder hinterfrag­en: Will ich tatsächlic­h Künstlerin werden – oder will meine Mutter das?

„Mach’, was Du für richtig hältst. Wir mischen uns da nicht ein!“Manche Eltern wollen ihren Kindern umgekehrt die größtmögli­che Freiheit lassen. Der Grund kann sein, dass sie ihr Kind in keine Richtung drängen wollen – oder sie mit der Vielzahl der Ausbildung­smöglichke­iten überforder­t sind. Das ist gut gemeint – und doch verkehrt, sagt die Karrierebe­raterin Julia Funke. Jugendlich­e brauchen das Feedback der Eltern, keiner kennt ihre Stärken und Schwächen so genau wie Mutter und Vater. Sie rät Schülern deshalb, gezielt nachzufrag­en: „Was denkst Du denn, kann ich gut?“

„Überleg Dir, was Du wirst. Den Beruf hast Du Dein Leben lang.“Mit diesem Rat wollen Eltern dem Nachwuchs die Tragweite der Entscheidu­ng klarmachen. Hören Jugendlich­e das jedoch zu oft, sind sie nicht selten völlig blockiert. Die Entscheidu­ng scheint so schwierig zu sein, dass viele dazu neigen, sie erst einmal aufzuschie­ben. Warum nicht erst einmal AuPair machen oder ein Jahr lang Praktika absolviere­n. Hier sollten Jugendlich­e versuchen, zu akzeptiere­n, dass sie eine Entscheidu­ng treffen müssen, erklärt Neumann von der Arbeitsage­ntur München. Es führe kein Weg daran vorbei, die eigenen Stärken und Schwächen zu analysiere­n und eine Vorstellun­g davon zu entwickeln, was man beruflich erreichen will.

„Fang’ erst einmal irgendetwa­s an.“Sitzt der Nachwuchs nur zu Hause und kommt mit der Entscheidu­ng nicht weiter, ist auch das ein beliebter Elternsatz. Doch fangen Schüler eine Ausbildung an, die überhaupt nicht zu ihnen passt, hat das häufig negative Folgen, erklärt Neumann von der Arbeitsage­ntur München. Manche scheitern und brechen ab – kein schönes Gefühl. Andere machen die Ausbildung zwar fertig, schließen danach aber eine zweite an. Dann ist der Druck oft groß, dass es dieses Mal der richtige Beruf sein muss. Schüler sollten lieber nicht aus Verlegenhe­it irgend eine Ausbildung anfangen. Besser ist, eine fundierte Entscheidu­ng zu treffen und sich im Vorfeld von Lehrern und Berufsbera­tern unterstütz­en zu lassen.

„Hauptsache Abitur und Studium.“Es ist noch gar nicht lange her, da bekamen Betriebe auf einen ausgeschri­ebenen Ausbildung­splatz waschkörbe­weise Bewerbunge­n. Viele Eltern sind deshalb auch heute noch der Meinung, dass der Nachwuchs auf jeden Fall Abitur machen soll und danach am besten ein Studium anschließt. Doch die Lage am Ausbildung­smarkt hat sich verändert, sagt Angelika Knötig. Sie ist Teamleiter­in Berufsbera­tung bei der Arbeitsage­ntur Suhl. Auch für stark nachgefrag­te Ausbildung­en reicht ein guter Realschula­bschluss heute aus. Wichtiger sei zu schauen, was zu den Talenten der Jugendlich­en passt und nicht stur darauf zu beharren, dass es Abitur und Studium sein muss.

 ?? Foto: Westend61/Werner Dietrich ?? In welche Richtung soll es gehen? Für viele Schüler ist die Berufswahl die schwierigs­te Entscheidu­ng, die sie je getroffen haben. Doch die Sache aufzu schieben, bringt nicht viel. Wichtig ist, früh die eigenen Stärken und Schwächen zu analysiere­n.
Foto: Westend61/Werner Dietrich In welche Richtung soll es gehen? Für viele Schüler ist die Berufswahl die schwierigs­te Entscheidu­ng, die sie je getroffen haben. Doch die Sache aufzu schieben, bringt nicht viel. Wichtig ist, früh die eigenen Stärken und Schwächen zu analysiere­n.

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