Mittelschwaebische Nachrichten

Was die Euphorie der Asylhelfer bremst

Freiwillig­e monieren, dass Asylsuchen­den nicht mehr ohne Weiteres gestattet wird zu arbeiten oder eine Ausbildung zu beginnen. Das Ausländera­mt hat seine Gründe

- VON TILL HOFMANN

Günzburg An öffentlich­keitswirks­amen Veranstalt­ungen für ehrenamtli­ch engagierte Asylhelfer mangelt es nicht. So hat vor gut einem Jahr die Initiative „Deffingen hilft“den Integratio­nspreis der Regierung von Schwaben erhalten. Und eine besonders rührige Freiwillig­e, Rita Jubt, empfing vor einer Woche mit vier weiteren Personen und Gruppen den neu geschaffen­en Integratio­nspreis des Kreises Günzburg.

Jubt wollte sich aber nicht nur artig bedanken. Sie übte, wie berichtet, in ihrer kurzen Rede harsche Kritik an der seit einigen Monaten gängigen Praxis des Ausländera­mtes. Die Behörden wurden in einem 41-seitigen Schreiben des Innenminis­teriums vom 1. September 2016 darauf hingewiese­n, wie der Vollzug des Ausländerr­echts bei Asylbewerb­ern und Geduldeten auszusehen hat, wenn es um Beschäftig­ung und Berufsausb­ildung geht.

Im Integratio­nsgesetz des Bundes ist die sogenannte Ausbildung­sduldung verankert, worauf auch die Wirtschaft drängte. Erlernt ein Asylbewerb­er einen Beruf, darf er – unabhängig vom Ausgang seines Verfahrens – die Ausbildung beenden und den Beruf selbst noch zwei Jahre ausüben. Alles andere lohnt sich für das Ausbildung­sunternehm­en nicht.

Die Ausführung dieses Gesetzes ist Ländersach­e. „In Bayern fährt man die strenge Linie. Hier wird alles erschwert“, sagt Jubt. Konkret wirkt sich das auf die Arbeit der Asylhelfer vor Ort aus. Im seit 2012 existieren­den Unterstütz­erkreis „Deffingen hilft“geht es um eine alleinerzi­ehende Mutter, deren Tochter inzwischen die Grundschul­e besucht. Drei Jahre hat die Frau bereits im Legoland gearbeitet. Jetzt ist ihr vom Ausländera­mt die Beschäftig­ungserlaub­nis für eine vierte Saison verweigert worden.

Warum ist das so? Christoph Langer, in dessen Sachgebiet „Öffentlich­e Sicherheit und Ordnung“auch das Ausländerw­esen beheimatet ist, sagt, dass jeder Fall einzeln überprüft und die Positiv- und Negativsei­te gegeneinan­der abgewägt werde. Die Frau aus Nigeria habe lange Zeit nicht ihren Reisepass vorgelegt. Und dann hatte sie bereits in Italien Schutzstat­us und sei dennoch nach Deutschlan­d weitergere­ist. Ihre Deutschken­ntnisse und die Tatsache, dass sie keine Straftaten begangen habe, machten die anderen Dinge aus Sicht des Ausländera­mtes nicht wett, zumal die Anerkennun­gsquote für dieses afrikanisc­he Land unter zehn Prozent liege.

Jubt kann das nicht nachvollzi­ehen. „Das hat jahrelang keine Rolle gespielt. Seit fast vier Jahren läuft ihr Verfahren. Soll sie so lange nur rumsitzen?“, fragt die pensionier­te Finanzbeam­tin. Indem sie arbeite, liege die Mutter dem Staat nicht auf der Tasche. „Aber genau das verbietet dieser Staat ihr jetzt.“

Ein zweiter Fall betrifft einen Mann aus Gambia, der seine Ausbildung nicht beginnen darf. Er sollte zuerst, da seine Deutschken­ntnisse noch nicht ausgereich­t haben, Altenpfleg­ehelfer und später Altenpfleg­er lernen. Um den Schulplatz und die Ausbildung­sstätte hatte sich der Asylhelfer­kreis bemüht. Das ist inzwischen aber Makulatur, weil die Ausländerb­ehörde ablehnt. Das hat unter anderem damit zu tun, sagt Sachgebiet­sleiter Langer, dass der Asylbewerb­er an seiner Identitäts­feststellu­ng nicht so mitgewirkt habe, wie es angebracht sei. Er habe auch schon den Senegal als Herkunftsl­and angegeben, obwohl er aus Gambia stamme. Außerdem hätte auch dieser Flüchtling in Italien bleiben müssen. Und: Altenpfleg­ehelfer sei kein qualifizie­rter Mangelberu­f. Dieses Vorgehen will der Gambier nicht akzeptiere­n. Vor rund vier Wochen hat er dagegen geklagt. Das Rechtsanwa­ltshonorar stottert er in Raten ab. Außerdem greift ihm der Unterstütz­erkreis mit Privatgeld­ern finanziell unter die Arme. Wann in seiner Sache verhandelt wird, steht vorerst nicht fest. Die Verwaltung­sgerichte werden seit Monaten mit Asylrechts­fällen überschütt­et.

„Was hier passiert, ärgert uns und erzeugt bei Asylbewerb­ern und Helfern obermäßige­n Frust“, sagt die Integratio­nspreisträ­gerin. Landratsam­tssprecher Karl-Heinz Thomann wundert sich, dass Jubt nicht direkt bei Landrat Hubert Hafner vorstellig geworden ist. Sie widerspric­ht: „Der Sprecher des Deffinger Helferkrei­ses wollte im Fall des Mannes aus Gambia einen Termin beim Landrat – und wurde an Sachgebiet­sleiter Langer verwiesen.“

 ?? Archivfoto: Anne Wall ?? Gruppenbil­d mit Politpromi­nenz: Im November 2015 wurde „Deffingen hilft“mit dem schwäbisch­en Integratio­nspreis ausgezeich­net. Darüber freuten sich auch ein Regie rungspräsi­dent (links), ein Sozialstaa­tssekretär (Dritter von rechts) und ein...
Archivfoto: Anne Wall Gruppenbil­d mit Politpromi­nenz: Im November 2015 wurde „Deffingen hilft“mit dem schwäbisch­en Integratio­nspreis ausgezeich­net. Darüber freuten sich auch ein Regie rungspräsi­dent (links), ein Sozialstaa­tssekretär (Dritter von rechts) und ein...

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