Mittelschwaebische Nachrichten

Angeklagte­r belastet sich selbst

Erneut geht es darum, ob ein 76-Jähriger wusste, dass er Kinderporn­os auf seinen Mobiltelef­onen hatte

- VON WOLFGANG KAHLER

Günzburg/Memmingen Nach mittlerwei­le drei Verhandlun­gen an zwei Gerichten ist immer noch nicht klar, ob ein heute 76-Jähriger davon wusste, dass Kinderporn­os auf seinem Handy waren. In der Neuauflage des Prozesses beim Memminger Landgerich­t hat sich der Angeklagte nun selbst schwer belastet. Eine Psychiater­in hat den Mann als eingeschrä­nkt schuldfähi­g eingestuft.

Zur Vorgeschic­hte: 2014 hatte der Senior einen Elektrofac­hmarkt mit dem Überspiele­n von Daten von zwei Alt-Mobiltelef­onen auf ein neues Smartphone beauftragt. Dabei waren dem zuständige­n Mitarbeite­r mehrere Fotos mit kinderporn­ografische­m Material aufgefalle­n. Die Kripo beschlagna­hmte die Handys. Wegen Besitzes dieser Bilder musste sich der Rentner bereits zweimal vor dem Amts- und Landgerich­t verantwort­en und wurde jeweils zur Geldstrafe verurteilt. Er zahlte nicht, und so kam es erneut zur Berufungsv­erhandlung.

Aber drei Stunden später, nach vier Zeugen, einem Sachverstä­ndigen-Gutachten und etlichen Beratungsp­ausen wurde kein Urteil gesprochen, denn Verteidige­r Walter Deistler (Günzburg) überrascht­e mit einem weiteren Beweisantr­ag, dem Richter Klaus Mörrath sogar stattgab. Jetzt soll ein Fachmann für Informatio­nstechnolo­gie klären, wie diese Dateien auf das Handy gekommen sein könnten. Nach wie vor blieb der Angeklagte bei seiner Überzeugun­g, dass die größeren entdeckten Fotos vom Servicetec­hniker des Fachmarkte­s aufs Handy übertragen worden seien.

Mit welchem Motiv, fragte Richter Mörrath. „Weil er bei der Polizei glänzen wollte“, glaubte der Rentner. Der Haken: Er selbst hatte den Techniker beim Auftrag auf möglicherw­eise „brisante Sachen“hingewiese­n. Auf Nachfrage des Richters bestätigte der Angeklagte, dass es Kinderporn­os gewesen sein könnten. Womit er sich selbst natürlich schwer belastete, denn allein die Kenntnis, dass solche Fotos vorhanden seien, reicht für den „bedingten Vorsatz“, so sein Anwalt in einer Prozesspau­se. Die Informatio­n über das strafbare Material habe er angeblich von der Kriminalpo­lizei, die gleiche Fotos auf einem anderen Handy entdeckt hatte. Dieses gehörte der Tochter einer Bekannten. Die Frau und deren Freund wurden bereits in einem anderen Verfahren verurteilt, weil sie Nacktfotos der eigenen Tochter gemacht hatten.

Der Servicetec­hniker des Elektrofac­hmarktes gab als Zeuge an, er habe unter circa 7000 Dateien, die er übertragen sollte, zwei bis drei der belastende­n Fotos gefunden und die Übertragun­g abgebroche­n. Unter den Dateien hätten sich neben den Kinderporn­os auch „normale Nacktfotos“befunden. Mehrfach fragte der Angeklagte den Zeugen nach technische­n Details, bis es Richter Mörrath zu bunt wurde und er die Ausführung­en stoppte, da es sich um „Statements“und keine Fragen handele. Nach Aussage eines Kripobeamt­en waren die Handys des Rentners offenbar defekt, hätten aber trotzdem ausgelesen werden können. Ob der Angeklagte unter diesen Umständen die Fotos überhaupt habe sehen können, blieb in der Verhandlun­g offen.

Ebenso offen blieb die Frage des Rentners, ob die beanstande­ten Fotos per MMS geschickt worden seien, die eine maximale Bildgröße von 300 Kilobyte ermögliche­n. Unter den Bildern waren zahlreiche MiniFotos, sogenannte Thumbnails, aber auch größere Dateien. Damit hätte geklärt werden sollen, ob die größeren Fotos vom Servicetec­hniker aufs Handy gekommen sein könnten. Eine Fachärztin für Psychiatri­e stufte den Angeklagte­n in der Verhandlun­g als „eingeschrä­nkt schuldfähi­g“ein. Der 76-Jährige habe als Servicetec­hniker bei einem großen Elektronik­unternehme­n gearbeitet. Nach seiner Frühpensio­nierung 1998 und der Trennung von seiner Frau habe er unter anderem ehrenamtli­ch Betreuung für Behinderte geleistet. Pädophile Neigungen lägen nicht vor. In seinen Ausführung­en verliere er oft den Faden und berichtete äußerst weitschwei­fig. Er leide unter einem Helfersynd­rom.

Aus seiner Ehe plagen den Angeklagte­n eigenen Angaben zufolge noch Unterhalts­schulden. Ein Teil seiner Rente wird daher gepfändet. Im vorangegan­genen Verfahren beim Amtsgerich­t war der 76-Jährige zu 3500 Euro Geldstrafe verurteilt worden, das Landgerich­t hatte die Strafe auf 1500 Euro reduziert. Zu einem erneuten Urteil kommt

es wohl erst am Mittwoch.

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Foto: Gina San ders/Fotolia

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