Mittelschwaebische Nachrichten

Ermittler: Verhaftete­r Salafist plante Anschlag auf Polizei

Der Mann hatte keinen Migrations­hintergrun­d. Verfassung­sschutz-Chef Maaßen warnt vor Islamisten

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Hannover Erst eine Großrazzia in Göttingen mit zwei festgesetz­ten Terrorverd­ächtigen, nun zwei Wochen später die Verhaftung eines Salafisten mit konkreten Anschlagsp­länen im nahen Northeim: Beim Kampf gegen Islamisten in Niedersach­sen geht es plötzlich Schlag auf Schlag. Zuvor hatten die Sicherheit­sbehörden trotz bekannter Brennpunkt­e und Gefährder zögerliche­r agiert. Der Zugriff in Northeim bestätigt den neuen Kurs. Der dort verhaftete 26-Jährige ohne erkennbare­n Migrations­hintergrun­d räumte ein, er habe Polizisten oder Soldaten in eine Falle locken und mit einem selbst gebauten Sprengsatz töten wollen. In seiner Wohnung fanden Fahnder Chemikalie­n und Bauteile für eine Fernzündun­g.

„Wir haben es mit extrem dynamische­n Entwicklun­gen im Bereich des islamistis­chen Terrorismu­s zu tun“, sagt Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD). Vor fast exakt einem Jahr hatten niedersäch­sische Terrorfahn­der noch das Nachsehen, als die radikalisi­erte Jugendlich­e Safia S. in Hannover einen Polizisten niederstac­h. Obwohl Beamte sie nach einer gescheiter­ten Syrien-Ausreise befragten, wurde sie nicht unter Beobachtun­g gestellt. Auch ihre Handys und damit ihr Chatverkeh­r mit Drahtziehe­rn der Terrormili­z Islamische­r Staat (IS) wurden nicht rechtzeiti­g ausgewerte­t. Ein später als Mitwisser Verurteilt­er konnte 2016 zunächst von Niedersach­sen nach Griechenla­nd fliehen, ehe er gefasst wurde.

All dies, obwohl die Bundesanwa­ltschaft schon damals gegen ihn auch wegen einer Verwicklun­g in mögliche Terrorplän­e ermittelte, die zur Absage des Fußball-Länderspie­ls in Hannover führten. Der Raum Göttingen/Hildesheim, wo die Terrorfahn­der jetzt zuschlugen, ist den Behörden schon länger als Sammelpunk­t radikaler Salafisten bekannt. In Göttingen ist nach Erkenntnis des Verfassung­sschutzes in den letzten Jahren eine junge salafistis­che Szene entstanden, die sich besonders aus der Anhängersc­haft der verbotenen islamistis­chen Organisati­on „Kalifatsta­at“rekrutiert. Und bevor es im vergangene­n Sommer erstmals zu einer Razzia in der Moschee des „Deutschspr­achigen Islamkreis­es Hildesheim“kam, den Innenminis­ter Pistorius verbieten möchte, beobachtet­en Fahnder dort schon viel früher brandgefäh­rliche Besucher. Der Berliner Attentäter Anis Amri soll dort zweifelsfr­ei schon im Februar 2016 fotografie­rt worden sein. Jahrelang agierte dort der im November 2016 verhaftete Hasspredig­er Abu Walaa, der als salafistis­cher Chefideolo­ge und als mutmaßlich­er Unterstütz­er des IS in Deutschlan­d gilt.

Einen Tag vor dem Zugriff in Northeim hatte Verfassung­sschutzPrä­sident Hans-Georg Maaßen vor den Gefahren durch eine wachsende islamistis­ch-terroristi­sche Szene gewarnt. Inzwischen würden 1600 Menschen zum islamistis­ch-terroristi­schen Personenpo­tenzial gezählt, sagte Maaßen in Berlin auf dem Europäisch­en Polizeikon­gress. Noch Ende 2016 hatten die Behörden die Zahl dieser Personengr­uppe mit gut 1200 angegeben. Zu dieser vom Verfassung­sschutz beobachtet­en Gruppe zählen sogenannte Gefährder und Menschen, die auch als Unterstütz­er oder Kontaktleu­te für Gefährder gelten. Die Zahl der in Deutschlan­d lebenden Gefährder liegt nach Polizeiang­aben bei über 500. Maaßen sagte, beim Verfassung­sschutz gingen jeden Tag bis zu vier Hinweise auf drohende Taten ein. Die Hotline des Verfassung­sschutzes habe im vergangene­n Jahr 1104 Hinweise auf mögliche Anschlagsp­lanungen oder Terrorverd­ächtige erhalten. Im Jahr 2015 seien es 520 Hinweise gewesen. Der Anstieg lasse sich aber auch durch die erhöhte öffentlich­e Aufmerksam­keit erklären. Michael Evers, dpa

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Foto: Imago Spezialkrä­fte bewachen den Europäisch­en Polizeikon­gress in Berlin. Ein Schwer punkt der Veranstalt­ung: die Bedrohung durch radikale Islamisten.

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