Mittelschwaebische Nachrichten
Beziehungsstreit: Wer sagt hier die Wahrheit?
Eine Frau zeigt ihren Exfreund an, der sie brutal geschlagen haben soll. Der Angeklagte beschreibt die Situation anders
Günzburg Als normal lässt sich das gescheiterte Verhältnis einer geschiedenen zweifachen Mutter aus dem Landkreis Günzburg zu ihrem vier Jahre älteren Freund wohl kaum einstufen. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen und Trennungen. Dann aber folgten Tätlichkeiten, die ziemlich brutal ausgefallen sein sollen – so zumindest hielt die Staatsanwaltschaft es dem Mann vor, der sich vor dem Günzburger Amtsgericht verantworten sollte. Doch in der Verhandlung blieb von den Vorwürfen nicht mehr viel übrig. Grund waren die Aussagen des Opfers. Die 32-Jährige verstrickte sich teils in Widersprüche, weshalb Richter Rafael Ruisinger ihre Glaubwürdigkeit anzweifelte.
Die Anklage lautete auf Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung. Demnach sollte ein 37-jähriger Außendienstmitarbeiter aus dem südlichen Landkreis seine Freundin mehrfach malträtiert haben, unter anderem mit Ohrfeigen, Fußtritten, einem Handwurf an den Kopf und schließlich noch mit einem Faustschlag und Beleidigungen. Diese Vorwürfe bestritt der Mann. Er beschrieb das Opfer als „krankhaft eifersüchtig“, die Frau habe Alkoholprobleme und in der Beziehung sei häufig gestritten worden. Trotzdem habe er sie geliebt.
Am 11. Juni vergangenen Jahres war Schluss. So schilderte der Angeklagte die Geschehnisse: Seine Partnerin habe ihm unterstellt, dass er fremd gehe. Weil sie nach Alkoholgenuss immer aggressiver geworden sei, wollte er ihr eine Sektflasche wegnehmen, die sie gerade angesetzt hatte. Dabei hatte die Frau einen Zahn eingebüßt, taumelte ins Bad und stürzte dort. Dann habe er die Wohnung verlassen. Später habe sie ihm per Kurznachricht mitgeteilt, dass sie ihn anzeige.
Als die 34-jährige Zeugin ihre Version der Attacken erzählte, musste sie sich einige bohrende Fragen vom Richter und von Alexandra Gutmeyr, der Verteidigerin des Angeklagten, gefallen lassen. Die Frau hatte zunächst nur den beschriebenen Angriff bei der Polizei angezeigt. Zwei Körperverletzungen, die bereits einige Monate vorher erfolgt seien, schob sie erst nach Rücksprache mit ihrem Anwalt nach. Es sei ihr peinlich gewesen, Fotos ihres Intimbereichs bei der Polizei vorzulegen, mit denen sie eine Platzwunde dokumentiert habe. Nach den ersten Angriffen hatte sich die Frau jedoch nie von einem Arzt auf Verletzungen untersuchen lassen. Probleme psychischer Art oder wegen Alkohols habe sie entgegen der Behauptung des Angeklagten nicht. Auf Nachfragen von Richter Ruisinger räumte sie aber ein, dass sie „abends gern mal ein Gläschen Sekt“trinke.
Die Aussagen der Zeugin wurden weiter erschüttert. Sie habe eine Persönlichkeitsstörung und leide unter erheblichen Gefühlsschwankungen, sagte ihr geschiedener Mann, der als Zeuge vor Gericht erschien. Außerdem trinke sie Alkohol in großen Mengen, zeige Aggressionen und Depressionen. Er habe mitbekommen, dass es in der neuen Beziehung der Frau ebenfalls Probleme gab. Erst wenige Tage vor der Verhandlung habe die 34-Jährige noch telefonischen Kontakt zu ihm gehabt, sagte der Zeuge. Sie habe wissen wollen, was er vor Gericht aussage. Da sei es um die Kinder gegangen, behauptete die Frau. Für den Richter ein weiteres Indiz, an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Wegen der schwierigen Beweislage, die sich ausschließlich auf die Angaben der Frau gestützt hätten, regte der Richter die Einstellung des Strafverfahrens an. Der Angeklagte soll je 750 Euro an die Opferschutzorganisation Weißer Ring und an das Opfer als Schmerzensgeld zahlen.
Rechtsanwalt Dieter Schenk (Burgau) beklagte den Ablauf der Verhandlung: „Hier sitzt das Opfer, nicht die Täterin.“Sie habe die Vorfälle ohne Belastungseifer geschildert. Er selbst habe ihr geraten, die früheren Übergriffe ebenfalls anzuzeigen. Die Anwältin des Angeklagten warf der Zeugin vor, gelogen zu haben: „Das stinkt zum Himmel.“Sie stimmte aber ebenso wie die Staatsanwältin der Einstellung zu.
Auch Alkohol spielte eine Rolle