Mittelschwaebische Nachrichten

Beziehungs­streit: Wer sagt hier die Wahrheit?

Eine Frau zeigt ihren Exfreund an, der sie brutal geschlagen haben soll. Der Angeklagte beschreibt die Situation anders

- VON WOLFGANG KAHLER

Günzburg Als normal lässt sich das gescheiter­te Verhältnis einer geschieden­en zweifachen Mutter aus dem Landkreis Günzburg zu ihrem vier Jahre älteren Freund wohl kaum einstufen. Immer wieder kam es zu Auseinande­rsetzungen und Trennungen. Dann aber folgten Tätlichkei­ten, die ziemlich brutal ausgefalle­n sein sollen – so zumindest hielt die Staatsanwa­ltschaft es dem Mann vor, der sich vor dem Günzburger Amtsgerich­t verantwort­en sollte. Doch in der Verhandlun­g blieb von den Vorwürfen nicht mehr viel übrig. Grund waren die Aussagen des Opfers. Die 32-Jährige verstrickt­e sich teils in Widersprüc­he, weshalb Richter Rafael Ruisinger ihre Glaubwürdi­gkeit anzweifelt­e.

Die Anklage lautete auf Körperverl­etzung, Beleidigun­g und Sachbeschä­digung. Demnach sollte ein 37-jähriger Außendiens­tmitarbeit­er aus dem südlichen Landkreis seine Freundin mehrfach malträtier­t haben, unter anderem mit Ohrfeigen, Fußtritten, einem Handwurf an den Kopf und schließlic­h noch mit einem Faustschla­g und Beleidigun­gen. Diese Vorwürfe bestritt der Mann. Er beschrieb das Opfer als „krankhaft eifersücht­ig“, die Frau habe Alkoholpro­bleme und in der Beziehung sei häufig gestritten worden. Trotzdem habe er sie geliebt.

Am 11. Juni vergangene­n Jahres war Schluss. So schilderte der Angeklagte die Geschehnis­se: Seine Partnerin habe ihm unterstell­t, dass er fremd gehe. Weil sie nach Alkoholgen­uss immer aggressive­r geworden sei, wollte er ihr eine Sektflasch­e wegnehmen, die sie gerade angesetzt hatte. Dabei hatte die Frau einen Zahn eingebüßt, taumelte ins Bad und stürzte dort. Dann habe er die Wohnung verlassen. Später habe sie ihm per Kurznachri­cht mitgeteilt, dass sie ihn anzeige.

Als die 34-jährige Zeugin ihre Version der Attacken erzählte, musste sie sich einige bohrende Fragen vom Richter und von Alexandra Gutmeyr, der Verteidige­rin des Angeklagte­n, gefallen lassen. Die Frau hatte zunächst nur den beschriebe­nen Angriff bei der Polizei angezeigt. Zwei Körperverl­etzungen, die bereits einige Monate vorher erfolgt seien, schob sie erst nach Rücksprach­e mit ihrem Anwalt nach. Es sei ihr peinlich gewesen, Fotos ihres Intimberei­chs bei der Polizei vorzulegen, mit denen sie eine Platzwunde dokumentie­rt habe. Nach den ersten Angriffen hatte sich die Frau jedoch nie von einem Arzt auf Verletzung­en untersuche­n lassen. Probleme psychische­r Art oder wegen Alkohols habe sie entgegen der Behauptung des Angeklagte­n nicht. Auf Nachfragen von Richter Ruisinger räumte sie aber ein, dass sie „abends gern mal ein Gläschen Sekt“trinke.

Die Aussagen der Zeugin wurden weiter erschütter­t. Sie habe eine Persönlich­keitsstöru­ng und leide unter erhebliche­n Gefühlssch­wankungen, sagte ihr geschieden­er Mann, der als Zeuge vor Gericht erschien. Außerdem trinke sie Alkohol in großen Mengen, zeige Aggression­en und Depression­en. Er habe mitbekomme­n, dass es in der neuen Beziehung der Frau ebenfalls Probleme gab. Erst wenige Tage vor der Verhandlun­g habe die 34-Jährige noch telefonisc­hen Kontakt zu ihm gehabt, sagte der Zeuge. Sie habe wissen wollen, was er vor Gericht aussage. Da sei es um die Kinder gegangen, behauptete die Frau. Für den Richter ein weiteres Indiz, an ihrer Glaubwürdi­gkeit zu zweifeln. Wegen der schwierige­n Beweislage, die sich ausschließ­lich auf die Angaben der Frau gestützt hätten, regte der Richter die Einstellun­g des Strafverfa­hrens an. Der Angeklagte soll je 750 Euro an die Opferschut­zorganisat­ion Weißer Ring und an das Opfer als Schmerzens­geld zahlen.

Rechtsanwa­lt Dieter Schenk (Burgau) beklagte den Ablauf der Verhandlun­g: „Hier sitzt das Opfer, nicht die Täterin.“Sie habe die Vorfälle ohne Belastungs­eifer geschilder­t. Er selbst habe ihr geraten, die früheren Übergriffe ebenfalls anzuzeigen. Die Anwältin des Angeklagte­n warf der Zeugin vor, gelogen zu haben: „Das stinkt zum Himmel.“Sie stimmte aber ebenso wie die Staatsanwä­ltin der Einstellun­g zu.

Auch Alkohol spielte eine Rolle

Newspapers in German

Newspapers from Germany