Mittelschwaebische Nachrichten

Wenn der Bürgermeis­ter in die Bütt muss

Stadt- und Gemeindeob­erhäupter berichten, wie sie den Fasching erleben und auch einmal unerkannt feiern

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Krumbach Der Bürgermeis­ter einer Kommune hat in Bayern ein umfangreic­hes Befugnisre­cht. Er ist der Vertreter der Gemeinde und er erledigt in eigener Zuständigk­eit die laufenden Angelegenh­eiten der Gemeinde. Er ist Dienstvorg­esetzter der gemeindlic­hen Bedienstet­en: Ein Amt, das Respekt und Würde verlangt. Doch einmal im Jahr werden die ernsthafte­n Seiten von Verwaltung und Repräsenta­nz in Frage gestellt. Spätestens, wenn die Narren das Rathaus stürmen oder der Bürgermeis­ter im Rahmen einer närrischen Veranstalt­ung den symbolisch­en Rathaussch­lüssel freiwillig herausrück­t, ist die Macht des ersten Mannes (der ersten Frau) im Ort für ein paar Tage nominell außer Kraft gesetzt. Dass dies nicht immer nur mit einer kleinen Geste zu bewerkstel­ligen ist, musste Krumbachs Bürgermeis­ter Hubert Fischer zu Beginn seiner Amtszeit schmerzlic­h lernen. Der ursprüngli­che Faschingsv­erweigerer, dem nach eigenem Bekunden schon als Kind das Verkleiden ein Graus war, konnte nicht umhin, in die all zu großen Faschingsf­ußstapfen seiner Vorgänger im Amt zu treten. Die Krumbacher Gumpiger-Donnerstag­s-Zeremonie zwang ihn in die Bütt. Auch, so glaubt Fischer bis heute, weil er unter medialen Druck gesetzt worden sei. Vielleicht hätte er sonst diese närrische Verpflicht­ung des Bürgermeis­ters sang- und klanglos in Vergessenh­eit geraten lassen können. Doch die Öffentlich­keit schaut auch an Fasching genau hin und auch beim närrischen Treiben hat ein Bürgermeis­ter seiner Pflicht zu folgen. Das hat Fischer gelernt. Und er hat, verrät er, auch einen ehemaligen Mitarbeite­r gefunden, der ihm als begeistert­er Reimeschmi­d in die Bütt hilft. So gewinnt Fischer dem Auftritt in der Bütt inzwischen auch Freude ab.

Die geistige Distanz zum Fasching, die Hubert Fischer mit einem Urlaub in der Faschingsw­oche auch manifestie­rt, hat ihn nicht abgehalten, drei Jahre als Elferrat und Männerball­etttänzer im Deisenhaus­er Carnevals Club mitzumache­n. Hätte er allerdings erlebt, was Deisenhaus­ens Bürgermeis­ter passierte ... Norbert Weiß lacht aus vollem Hals, wenn er daran erinnert wird. Es war Ende der 90er Jahre, der DCC war aktiv und gut drauf, die Garden standen in den Startlöche­rn, das Motto des Jahres drehte sich um die Pharaonen und alle, alle waren voller froher Erwartung. Die Eröffnung, erinnert sich Norbert Weiß, war irgendwie ein bisschen eigenartig, denn niemand hatte auch nur die blasseste Ahnung, wer das Prinzenpaa­r geben würde.

Der Elferrat zitierte Weiß auf die Bühne und auch seine Frau Marlene. Nun, im Fasching weiß man als Bürgermeis­ter ja nie so genau, was die Narren im Schilde führen. Doch die Deisenhaus­er hatten einen Plan. Ganz nach der Devise „Frechheit siegt“, erklärten sie den Bürgermeis­ter und seine Frau Gemahlin kurzerhand zum Prinzenpaa­r der Saison. Aus dem Gemeindeob­erhaupt wurde der herrschend­e Pharao. „Das war ein starkes Stück,“lacht Norbert Weiß, „vor allem meine Frau war völlig geschockt. Sie ist nicht der Typ, der sich gerne in der vordersten Reihe produziert.“Doch auf der Deisenhaus­er Bühne gab es kein Zurück mehr. Die Carnevalis­ten hatten sogar schon in aller Heimlichke­it Kostüme anfertigen lassen. Schließlic­h war es, versichert der noch immer amtierende Bürgermeis­ter, eine tolle Erfahrung und es habe auch richtig Spaß gemacht. Aber obwohl die Deisenhaus­er nicht auf Tournee gingen, war der Ballbesuch als Pharaonenp­aar deutlich anstrengen­der als in zivil. Den Prinzenres­pektive Pharaonenw­alzer hätten sie mit Anstand hinter sich gebracht. „Damals mussten die Prinzenpaa­re ja nicht eine eigene Tanzshow vorführen, der Walzer aus der Tanzschule hat ausgereich­t.“Wie Gabriele Wohlhöfler aus dem Nachbardor­f Breitentha­l reagiert hätte, weiß niemand. Aber sie ist bekannt dafür, dass sie gerne in Verkleidun­gen schlüpft und sich unerkannt unter die Ballgäste im Dorf mischt. Da kommt nicht die Frau Bürgermeis­terin, sondern eine Fremde, die halt auch mal feiern will. Wie praktisch, dass neben dem Herrn Wohlhöfler, der schon länger dasitzt, ein Platz frei geblieben ist. Gabriele Wohlhöfler muss noch immer schmunzeln, wenn sie daran denkt, dass eine einfache Perücke ausgereich­t hatte, um ihre Platznachb­arn in die Irre zu führen. Beim Small Talk, erklärt sie ihre Taktik, sei sie entlarvend­en Fragen elegant ausgewiche­n, habe mit vagen Antworten über Stunden ihre Identität verheimlic­hen können. Doch irgendwann fiel einem der neugierige­n Tischgenos­sen dann doch die Ähnlichkei­t der Gesten und Kopfbewegu­ngen zwischen der geheimnisv­ollen Fremden und der eigenen Bürgermeis­terin auf, sodass ihr Inkognito unter Gelächter aufflog.

Münsterhau­sens Bürgermeis­ter Robert Hartinger liebt den Fasching und freut sich über die aktiven Narren in seiner Gemeinde. Dass sie manchmal ein wenig über die Stränge schlagen, gehört zum Närrischse­in. Aber, so erzählt er, er habe selbst miterleben dürfen, dass die Münsterhau­ser Fasnachter durchaus zivilisier­t zu feiern wissen. Bei einem Umzug außerhalb, den Hartinger besuchte, erkannten die Narren ihren Bürgermeis­ter und luden ihn kurzerhand ein, mit ihnen auf dem Wagen den Umzug zu erleben. Das verrät Hartinger, ist eigentlich von Amts wegen verboten, aber das Erlebnis sei die Ordnungswi­drigkeit wert gewesen.

Denn dieser Perspektiv­enwechsel, schwärmt er, sei einmalig, die Stimmung ausgelasse­n, aber nicht derb gewesen. So habe er fröhlich die Gutsle unters Volk geworfen und durfte schließlic­h als Wagenbesat­zung auch mit dem Mannschaft­sbus zurückfahr­en. „Das war toll, man ist den Narren so richtig nahe gekommen, hat mit ihnen gefeiert und erlebt, dass sie schwer in Ordnung sind.“

 ?? Archiv Foto: Veronika Hafner ?? Beherzt steigt Krumbachs Bürgermeis­ter Hubert Fischer mittlerwei­le in die Bütt – wie hier beim Seniorenba­ll im Jahr 2009.
Archiv Foto: Veronika Hafner Beherzt steigt Krumbachs Bürgermeis­ter Hubert Fischer mittlerwei­le in die Bütt – wie hier beim Seniorenba­ll im Jahr 2009.
 ?? Foto: Felicitas Macketanz ?? Auch Ziemetshau­sens Bürgermeis­ter Anton Birle (links) ist beim Faschingst­rubel am Rathaus dabei.
Foto: Felicitas Macketanz Auch Ziemetshau­sens Bürgermeis­ter Anton Birle (links) ist beim Faschingst­rubel am Rathaus dabei.

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