Mittelschwaebische Nachrichten
Wenn der Bürgermeister in die Bütt muss
Stadt- und Gemeindeoberhäupter berichten, wie sie den Fasching erleben und auch einmal unerkannt feiern
Krumbach Der Bürgermeister einer Kommune hat in Bayern ein umfangreiches Befugnisrecht. Er ist der Vertreter der Gemeinde und er erledigt in eigener Zuständigkeit die laufenden Angelegenheiten der Gemeinde. Er ist Dienstvorgesetzter der gemeindlichen Bediensteten: Ein Amt, das Respekt und Würde verlangt. Doch einmal im Jahr werden die ernsthaften Seiten von Verwaltung und Repräsentanz in Frage gestellt. Spätestens, wenn die Narren das Rathaus stürmen oder der Bürgermeister im Rahmen einer närrischen Veranstaltung den symbolischen Rathausschlüssel freiwillig herausrückt, ist die Macht des ersten Mannes (der ersten Frau) im Ort für ein paar Tage nominell außer Kraft gesetzt. Dass dies nicht immer nur mit einer kleinen Geste zu bewerkstelligen ist, musste Krumbachs Bürgermeister Hubert Fischer zu Beginn seiner Amtszeit schmerzlich lernen. Der ursprüngliche Faschingsverweigerer, dem nach eigenem Bekunden schon als Kind das Verkleiden ein Graus war, konnte nicht umhin, in die all zu großen Faschingsfußstapfen seiner Vorgänger im Amt zu treten. Die Krumbacher Gumpiger-Donnerstags-Zeremonie zwang ihn in die Bütt. Auch, so glaubt Fischer bis heute, weil er unter medialen Druck gesetzt worden sei. Vielleicht hätte er sonst diese närrische Verpflichtung des Bürgermeisters sang- und klanglos in Vergessenheit geraten lassen können. Doch die Öffentlichkeit schaut auch an Fasching genau hin und auch beim närrischen Treiben hat ein Bürgermeister seiner Pflicht zu folgen. Das hat Fischer gelernt. Und er hat, verrät er, auch einen ehemaligen Mitarbeiter gefunden, der ihm als begeisterter Reimeschmid in die Bütt hilft. So gewinnt Fischer dem Auftritt in der Bütt inzwischen auch Freude ab.
Die geistige Distanz zum Fasching, die Hubert Fischer mit einem Urlaub in der Faschingswoche auch manifestiert, hat ihn nicht abgehalten, drei Jahre als Elferrat und Männerballetttänzer im Deisenhauser Carnevals Club mitzumachen. Hätte er allerdings erlebt, was Deisenhausens Bürgermeister passierte ... Norbert Weiß lacht aus vollem Hals, wenn er daran erinnert wird. Es war Ende der 90er Jahre, der DCC war aktiv und gut drauf, die Garden standen in den Startlöchern, das Motto des Jahres drehte sich um die Pharaonen und alle, alle waren voller froher Erwartung. Die Eröffnung, erinnert sich Norbert Weiß, war irgendwie ein bisschen eigenartig, denn niemand hatte auch nur die blasseste Ahnung, wer das Prinzenpaar geben würde.
Der Elferrat zitierte Weiß auf die Bühne und auch seine Frau Marlene. Nun, im Fasching weiß man als Bürgermeister ja nie so genau, was die Narren im Schilde führen. Doch die Deisenhauser hatten einen Plan. Ganz nach der Devise „Frechheit siegt“, erklärten sie den Bürgermeister und seine Frau Gemahlin kurzerhand zum Prinzenpaar der Saison. Aus dem Gemeindeoberhaupt wurde der herrschende Pharao. „Das war ein starkes Stück,“lacht Norbert Weiß, „vor allem meine Frau war völlig geschockt. Sie ist nicht der Typ, der sich gerne in der vordersten Reihe produziert.“Doch auf der Deisenhauser Bühne gab es kein Zurück mehr. Die Carnevalisten hatten sogar schon in aller Heimlichkeit Kostüme anfertigen lassen. Schließlich war es, versichert der noch immer amtierende Bürgermeister, eine tolle Erfahrung und es habe auch richtig Spaß gemacht. Aber obwohl die Deisenhauser nicht auf Tournee gingen, war der Ballbesuch als Pharaonenpaar deutlich anstrengender als in zivil. Den Prinzenrespektive Pharaonenwalzer hätten sie mit Anstand hinter sich gebracht. „Damals mussten die Prinzenpaare ja nicht eine eigene Tanzshow vorführen, der Walzer aus der Tanzschule hat ausgereicht.“Wie Gabriele Wohlhöfler aus dem Nachbardorf Breitenthal reagiert hätte, weiß niemand. Aber sie ist bekannt dafür, dass sie gerne in Verkleidungen schlüpft und sich unerkannt unter die Ballgäste im Dorf mischt. Da kommt nicht die Frau Bürgermeisterin, sondern eine Fremde, die halt auch mal feiern will. Wie praktisch, dass neben dem Herrn Wohlhöfler, der schon länger dasitzt, ein Platz frei geblieben ist. Gabriele Wohlhöfler muss noch immer schmunzeln, wenn sie daran denkt, dass eine einfache Perücke ausgereicht hatte, um ihre Platznachbarn in die Irre zu führen. Beim Small Talk, erklärt sie ihre Taktik, sei sie entlarvenden Fragen elegant ausgewichen, habe mit vagen Antworten über Stunden ihre Identität verheimlichen können. Doch irgendwann fiel einem der neugierigen Tischgenossen dann doch die Ähnlichkeit der Gesten und Kopfbewegungen zwischen der geheimnisvollen Fremden und der eigenen Bürgermeisterin auf, sodass ihr Inkognito unter Gelächter aufflog.
Münsterhausens Bürgermeister Robert Hartinger liebt den Fasching und freut sich über die aktiven Narren in seiner Gemeinde. Dass sie manchmal ein wenig über die Stränge schlagen, gehört zum Närrischsein. Aber, so erzählt er, er habe selbst miterleben dürfen, dass die Münsterhauser Fasnachter durchaus zivilisiert zu feiern wissen. Bei einem Umzug außerhalb, den Hartinger besuchte, erkannten die Narren ihren Bürgermeister und luden ihn kurzerhand ein, mit ihnen auf dem Wagen den Umzug zu erleben. Das verrät Hartinger, ist eigentlich von Amts wegen verboten, aber das Erlebnis sei die Ordnungswidrigkeit wert gewesen.
Denn dieser Perspektivenwechsel, schwärmt er, sei einmalig, die Stimmung ausgelassen, aber nicht derb gewesen. So habe er fröhlich die Gutsle unters Volk geworfen und durfte schließlich als Wagenbesatzung auch mit dem Mannschaftsbus zurückfahren. „Das war toll, man ist den Narren so richtig nahe gekommen, hat mit ihnen gefeiert und erlebt, dass sie schwer in Ordnung sind.“