Mittelschwaebische Nachrichten
Vom Wunderkind zum Ordensmann
Hermann Cohnen (1820-1871) starb an einer Pockeninfektion
Krumbach Mit dem bedeutenden Komponisten und Wiederentdecker Johann Sebastian Bachs Felix Mendelssohn-Bartholdy verbindet Hermann Cohen nicht nur der gleiche Geburtsort, nämlich Hamburg, das jüdische Elternhaus, eine Bankiersfamilie, sondern vor allem das musikalische Talent. Hermann Cohen kommt am 10. November 1820 zur Welt. Während andere Kinder am liebsten Ball spielen, fand Hermann seine Freude am Klavierspielen.
Schon mit neun Jahren trat er öffentlich auf und das Publikum war von dem virtuosen Spiel Hermann Cohens begeistert. Die Eltern ermöglichten ihm einen Aufenthalt in Paris. Franz Liszt wurde sein Lehrer. Gerade 13 Jahre alt feierten die Pariser den jungen Pianisten. Er verkehrte in den Pariser Salons. Überall war er ein gern gesehener Gast. Der Lebensstil der vornehmen Gesellschaft wurde auch sein Lebensstil. Als junger Erwachsener hatte er neben dem Klavier nur zwei Leidenschaften: Liebesabenteuer und den Besuch von Spielcasinos. Beides kostete Geld. Hermann Cohen verschuldete sich zusehends. Die Familie war nicht länger bereit, ihn finanziell zu unterstützen, zumal er eigentlich mit seinen Konzerten sehr gut verdiente. Wie sollte es weitergehen?
Seine Freundin, eine Zirkusreiterin, wollte das auch wissen. Zu diesem Zeitpunkt bat den 27-Jährigen ein Freund, ihn an der Orgel zu vertreten, da er sich nicht wohlfühlte. Hermann Cohen erlebte erstmals in seinem Leben einen katholischen Gottesdienst. Wider Erwarten hat ihn diese heilige Messe innerlich so sehr berührt, dass ihm mit einem Schlag die ganze Sinnlosigkeit und Oberflächlichkeit seines bisherigen Lebens bewusst wurde. Er wandte sich an einen Bekannten, der katholisch geworden war, Theodore Ratisbonne. Wenige Monate später empfing er die heilige Taufe. Er beglich seine Schulden und löste das Verhältnis mit seiner Freundin. In den Pariser Salons wartete man vergeblich auf seinen Besuch.
Mit der gleichen Intensität wie er sich dem Klavier gewidmet hatte, studierte er die Heilige Schrift und las geistliche Werke. Vor allem Theresa von Avila und Johannes vom Kreuz hatten es ihm angetan. Deshalb überrascht es nicht, dass er bereits 1849 in einem Kloster der unbeschuhten Karmeliten um Aufnahme bat. Bei der Aufnahme ins Kloster Le Bronssey bei Bordeaux erhielt er den Namen Augustin Marie vom Heiligsten Sakrament. Bereits 1851 empfing er die Priesterweihe. Der Orden setzte den wortgewandten jungen Mitbruder vor allem bei Volksmissionen ein. Hatte er früher als Pianist viel Erfolg, so jetzt als Prediger. Er konnte Menschen bewegen. Viele führte er zur Umkehr.
Als die Oberen eine Niederlassung in London planten, schickten sie Pater Augustin Marie nach England, denn er beherrschte auch die englische Sprache. Wenige Jahre später drohte er zu erblinden. Er reiste nach Lourdes und erhoffte sich Heilung. Seine Hoffnung war nicht vergeblich. Immer wieder wusch er seine Augen mit dem Wasser der Quelle an der Grotte von Massabielle. Nach neun Tagen konnte er wieder klar und deutlich sehen. Das erfüllte ihn mit großer Dankbarkeit. Er hatte inzwischen London gegründet und konnte wieder in sein Heimatkloster zurückkehren.
Als allerdings der deutsch-französische Krieg 1870 ausbrach, legte man dem deutschen Ordensmann nahe, Frankreich zu verlassen. In Berlin war man erfreut, dass man in Pater Augustine Marie einen Geistlichen hatte, der sich um die französischen Kriegsgefangenen kümmern konnte. Dies tat er mit Hingabe. Dabei zog er sich eine Pockeninfektion zu, an der er am 20. Januar 1871 in Spandau starb. In der Krypta von St. Hedwig in Berlin wurde der Karmelit beigesetzt. Nach der Zerstörung der Kirche 1943 kamen seine Gebeine auf den Hedwigsfriedhof, aber 2008 holten ihn die Karmeliten zurück in ihr Kloster von Le Bronssey bei Bordeaux. Dort hat inzwischen eine große Verehrung für Pater Augustine Marie eingesetzt. Der Orden strebt die Seligsprechung des bedeutenden Pianisten, der zum Ordensmann wurde, an. (gsch)