Mittelschwaebische Nachrichten

Donald Trump: Erdogans Bruder im Geiste

Ohne die Presse- und Meinungsfr­eiheit gibt es keine Demokratie. Die Attacken des US-Präsidente­n sind ein Angriff auf die freiheitli­che Grundordnu­ng

- VON WALTER ROLLER ro@augsburger allgemeine.de

Die Pressefrei­heit zählt – wie die Gewaltente­ilung und die Rechtsstaa­tlichkeit – zum unveräußer­lichen Kernbestan­d jeder freiheitli­chen Grundordnu­ng. Sie ist ein elementare­r Teil jener in der Verfassung verankerte­n Meinungsfr­eiheit, ohne die es keine Demokratie, keine freie Meinungsbi­ldung der Bürger und keine Kontrolle der Regierende­n gibt.

Ein Angriff auf die Pressefrei­heit kommt also einem Angriff auf die Demokratie gleich. Die Geschichte lehrt: Jeder Versuch, ein demokratis­ches System auszuhebel­n, beginnt mit der Einschücht­erung und Ausschaltu­ng kritischer Medien. Autoritäre Regime wie das putinistis­che in Russland kennen keine Pressefrei­heit, nehmen Zeitungen und TV-Sender an die Kandare. In Diktaturen wie der chinesisch­en hat die herrschend­e Partei alle Medien in der Hand. Sie dürfen nur berichten, was den Machthaber­n passt. In der Türkei geht der Abmarsch in den Führerstaa­t Erdogans mit der Knebelung und Verfolgung hunderter missliebig­er Journalist­en einher, die als „Terroriste­n“gebrandmar­kt und von einer willfährig­en Justiz abgeurteil­t werden. Der Fall des inhaftiert­en Welt-Korrespond­enten Deniz Yücel zeugt von dem atemberaub­end schnellen Niedergang des Rechtsstaa­ts in der Türkei. In Ungarn und Polen werden Journalist­en, die nicht auf Regierungs­linie sind, drangsalie­rt. Nichts fürchten die Verächter der Demokratie mehr als die Meinungsfr­eiheit. Und es kommt ja nicht von ungefähr, dass auch alle populistis­chen Bewegungen ihre Attacken auf das „System“mit Angriffen auf die angebliche „Lügenpress­e“und Verschwöru­ngstheorie­n über die angeblich konzertier­t agierende „Mainstream­Presse“garnieren. Die freie Berichters­tattung soll diskrediti­ert, die kritische Auseinande­rsetzung mit antidemokr­atischen Parolen unterbunde­n werden. Kritik an Medien ist nicht tabu. Medien machen Fehler, manche sind zu parteiisch oder arbeiten nicht sorgfältig genug. Alarmieren­d ist die Maßlosigke­it der Angriffe, die auf die Freiheit der Presse zielen und damit ein Prinzip des demokratis­chen Staates infrage stellen. Alarmieren­d ist, dass die freie, auf nachprüfba­ren Fakten beruhende Berichters­tattung zunehmend in Zweifel gezogen wird.

Die Demokratie­n des Westens – erst recht die amerikanis­che – scheinen gefestigt genug, um den mit gezielter Desinforma­tion, Lügen und Irreführun­g operierend­en Bewegungen standhalte­n zu können. Trotzdem ist höchste Wachsamkei­t geboten. Dass Staatschef­s wie Putin und Erdogan auf die Pressefrei­heit pfeifen, ist schlimm genug. Dass ihr Bruder im Geiste, der neue Präsident der USA, den freien Medien den „Krieg“erklärt und Journalist­en zu „Feinden des Volkes“erklärt, untergräbt das Wertefunda­ment des freiheitli­chen Westens und verschafft all jenen Kräften Auftrieb, die wie Donald Trump demokratis­che Institutio­nen verachten und von sich behaupten, den „wahren“Willen des Volkes zu exekutiere­n.

Trump verlangt Gefolgscha­ft von der Presse. Er will allein über wahr oder unwahr entscheide­n. Wer ihm dabei in die Quere kommt, wird stigmatisi­ert und im Stil totalitäre­r Systeme als „Feind“behandelt. An der Spitze der führenden demokratis­chen Nation steht nun ein Mann, der keinen Respekt hat vor all dem, was eine freiheitli­che Gesellscha­ft ausmacht. Es ist zu hoffen, dass Trump zur Besinnung kommt und die alte Demokratie dem Präsidente­n mithilfe der funktionie­renden Justiz beizeiten Zügel anlegt. Die USA sind meilenweit von türkischen Verhältnis­sen entfernt. Doch zeigt gerade Trumps Angriff auf die Pressefrei­heit, dass jede Demokratie der ständigen „republikan­ischen Verteidigu­ngsbereits­chaft“(Joachim Gauck) bedarf.

Höchste Wachsamkei­t geboten

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