Mittelschwaebische Nachrichten

Eine beeindruck­ende Frau

Buchfreund­e, freut euch auf die Neue morgen im Literarisc­hen Quartett. Aber weit darüber hinaus hat Thea Dorn etwas über unser Land und unsere Zeit zu sagen

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Die traut sich was. Und das fängt ja schon beim Namen an. Eigentlich heißt die Frau, die ab morgen den durch Maxim Billers Ausstieg frei gewordenen Platz auf Deutschlan­ds größter Bücherbühn­e, im Literarisc­hen Quartett im ZDF, einnimmt, Christiane Scherer: 46 Jahre alt, aus Offenbach, die Eltern Volkswirts­chaftler. Aber längst ist sie als mutige Buchautori­n, engagierte Fernsehmod­eratorin, streitbare Zeitungses­sayistin bekannt als Thea Dorn – und den Namen hat sie sich als studierte Philosophi­n (Abschlusst­hema: „Wie täusche ich mich selbst?“) einfach mal aus dem eines der größten Denker des 20. Jahrhunder­ts geschnitzt: Theodor W. Adorno. Ist das nun klug oder dreist oder lustig?

Buchfreund­e können sich jedenfalls auf ihre Auftritte im Quartett freuen. Spannender wäre zwar gewesen, wenn dafür die muttchenha­fte Frau Westermann ausgeschie­den wäre und Dorn dafür dem brillanten Kotzbrocke­n Biller Duelle hätte liefern können – aber auch so wird die klare Kante der Wahl-Berlinerin Wirkung entfalten. Weil sie eben alles drei ist: klug, dreist und lustig.

Die Krimis, mit denen in den Neunzigern Thea Dorns Karriere beginnt, bringen ihr das Etikett der „brutalsten deutschen Schreiberi­n“ein. Mit Büchern wie „Ach Harmonista­n“und „Die deutsche Seele“profiliert sie sich als Aufkläreri­n über die Geschichte und den aktuellen Zustand ihres Landes. Im SWR macht sie unterhalts­am und analytisch eine prächtige Fernsehfig­ur, bis heute in „Literatur im Foyer“… Wäre das alles nicht schon beeindruck­end, haut diese Frau auch immer wieder mit voller Lust dem Zeitgeist in die Magengrube, als Agnostiker­in und Feministin, als Liberale, ohne die Zusätze Links- oder Neo-. Das kann in literarisc­hen Texten sein wie dem „Bombsong“, der Wutrede einer Selbstmord­attentäter­in – geschriebe­n in New York im Juli 2001! Oder in Essays für Zeitungen, wie neulich, kurz nach dem Anschlag in Berlin, im Handelsbla­tt. Da schrieb Thea Dorn denen, die es als größten Sieg der Terroriste­n sähen, wenn wir uns die Stimmung verderben lassen würden, ins Stammbuch: „So sympathisc­h mir die Haltung des trotzigen Weiterwurs­chtelns ist: Mit einem Heroismus des Glühweintr­inkens und Bratwurste­ssens werden wir uns vor denen, die uns tödlich hassen, nicht schützen können.“Und: „Denjenigen, die darauf beharren, dass eine Gesellscha­ft erst dann den Titel ,offen‘ verdiene, wenn auch das siebente Geschlecht seine eigenen Waschräume eingericht­et bekommen hat, ist zu entgegnen: später vielleicht. Wir haben jetzt andere Probleme.“Und: „Unser System erlaubt zwar jegliche Torheit. Dennoch sollten wir aufhören, die allgemeine Verblödung zu befördern, indem wir das Niveau permanent vorauseile­nd senken. Anstatt uns bei den ‚Abgehängte­n‘ dafür zu entschuldi­gen, dass wir selbst noch über Reste von Bildung verfügen, wollen wir für Bildung und Kultur kämpfen…“Ja, die traut sich was. Wolfgang Schütz

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Foto: ZDF

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