Mittelschwaebische Nachrichten

Wo im Jobparadie­s die Probleme liegen

Bei niedriger Arbeitslos­enquote bleiben viele Stellen offen. Wie jetzt mehr Hilfskräft­e weitergebi­ldet werden sollen

- VON ANIKA ZIDAR UND CHRISTIAN GALL

Augsburg In Schwaben ist die Arbeitslos­enquote so niedrig wie sonst nirgendwo in Bayern: 34592 Menschen waren im Februar in der Region ohne Arbeit. Die Arbeitslos­enquote lag damit bei nur 3,3 Prozent. Dennoch sind die Arbeitsage­nturen nicht arbeitslos. Sie versuchen, ein anderes Problem zu bekämpfen – den Fachkräfte­mangel. Denn im Regierungs­bezirk sind derzeit knapp 17000 Stellen unbesetzt. Besonders betroffen sind die Branchen Industrie, Pflege und Logistik. Dabei suchen Firmen fast ausschließ­lich Fachkräfte und Höherquali­fizierte. So sind von den rund 6500 offenen Stellen im Allgäu nur knapp 1100 an Hilfsarbei­ter ausgeschri­eben, fast 4200 Jobangebot­e richten sich an Fachkräfte. Die übrigen 1200 Stellen sollen mit Akademiker­n besetzt werden.

Auch in anderen Teilen Schwabens herrscht enormer Fachkräfte­bedarf. Wie die Arbeitsage­ntur meldet, ist etwa im Landkreis Dillingen die Zahl der unbesetzte­n Stellen seit einem Jahr um ein Drittel gestiegen. Gleichzeit­ig ist die Arbeitslos­enquote mit 2,6 Prozent extrem niedrig – einen so geringen Wert hat sie im Monat Februar seit 20 Jahren nicht mehr erreicht.

Um auf den frühlingsb­edingten Konjunktur­aufschwung zu reagieren, schreiben Arbeitgebe­r in der Bau-, Hotel- und Gastronomi­ebranche derzeit besonders viele Stellen aus. Deshalb sind nun viele Arbeitsplä­tze offen, von denen in der Regel der Großteil bis zum Frühjahr besetzt wird. In anderen Branchen ist der Fachkräfte­mangel nicht auf saisonale Schwankung­en zurückzufü­hren, Arbeitgebe­r suchen in manchen Berufsfeld­ern permanent nach qualifizie­rten Mitarbeite­rn.

Diese zu finden, ist aber in vielen Branchen nicht so leicht. So schrecken etwa im sozialen Bereich die Arbeitsbed­ingungen viele Bewerber ab. Für diese sind Einkommen und Arbeitszei­ten in der Kinderbetr­euung oder Altenpfleg­e unattrakti­v. Auch Mobilität und zeitliche Flexibilit­ät fordern die Arbeitgebe­r in dieser Branche, bieten aber vergleichs­weise wenig Geld.

Unternehme­n der Metallindu­strie können ihren Mitarbeite­rn dagegen bessere Konditione­n bieten. Schwierigk­eiten bei der Suche nach Fachkräfte­n bereitet ihnen aber die Tatsache, dass sie höhere Anforderun­gen stellen. So verlangen diese Arbeitgebe­r ein profundes Fachwissen, über das Bewerber oft nicht verfügen.

Darauf reagieren Bundesagen­tur für Arbeit und Jobcenter jetzt mit einem Förderungs­programm, das geringqual­ifizierten und älteren Mitarbeite­rn eine Weiterbild­ung mitten im Berufslebe­n ermögliche­n soll. Einer der Geschäftsf­ührer der Augsburger Arbeitsage­ntur, Roland Fürst, erläutert: „Wenn jemand weit über zwanzig ist, wird er nicht seine Stelle aufgeben, um eine Ausbildung anzufangen.“

Die Initiative muss dabei von den Arbeitgebe­rn ausgehen. Sie können Hilfsarbei­ter im Programm zu Fachkräfte­n weiterbild­en lassen. Das neue Konzept unterstütz­t die Arbeitgebe­r auch finanziell – sie bekommen die Ausfalltag­e bezahlt, in denen sich ihr Arbeitnehm­er weiterbild­en lässt. Gleichzeit­ig kann der Mitarbeite­r seine Stelle in der Firma behalten und muss nicht mit einem Lehrlingsg­ehalt auskommen.

Im Rahmen dieses Förderungs­programms hat die Arbeitsage­ntur Kempten-Memmingen im vergangene­n Jahr Betriebe im Allgäu mit drei Millionen Euro bei der Weiterbild­ung unterstütz­t. So bildete die Agentur im Allgäu 90 Pflegehelf­er zu Altenpfleg­ern weiter. Im laufenden Jahr plant die Behörde für die Qualifizie­rung von Hilfskräft­en zu Fachkräfte­n 3,2 Millionen Euro ein. Sprecher Reinhold Huber erläutert: „Wer eine Helfertäti­gkeit ausübt, hat höhere Risiken, arbeitslos zu werden. Wir wollen die Menschen aus diesem Risiko holen und Fachkräfte aus ihnen machen.“Auf diese Weise profitiert­en Unternehme­n und Arbeitnehm­er gleicherma­ßen.

Inwiefern der Fachkräfte­mangel mithilfe der Beschäftig­ung von Geflüchtet­en gelöst werden kann, muss sich nach Meinung von Experten erst zeigen. „Die Arbeitgebe­r sind noch in Abwartehal­tung. Sie können nicht sicher sein, ob diese Menschen dauerhaft in Deutschlan­d bleiben werden“, sagt Huber. Zudem sehen die Arbeitsage­nturen noch eine große Barriere – die Sprache. Denn solange die sprachlich­en Grundlagen nicht gegeben sind, fällt es den Geflüchtet­en schwer, in Deutschlan­d Fachwissen zu erwerben. Bislang finden anerkannte Asylbewerb­er meist Anstellung­en als Hilfskräft­e.

Arbeitsmar­kt in Bayern

Die Arbeitslos­enquote ist im Februar in vier bayerische­n Regierungs bezirken im Vergleich zum Vormonat leicht zurückgega­ngen. In den drei Regionen Ober und Niederbaye­rn sowie der Oberpfalz blieb sie un verändert. Verglichen mit den Quoten vor einem Jahr ging die Erwerbslo sigkeit in allen Regionen deutlich zu rück – am stärksten in Niederbay ern, Mittelfran­ken und Schwaben. Die Quote sank hier je um 0,4 Punkte. An der Spitze steht weiter Schwaben mit einer Arbeitslos­en quote von 3,3 Prozent. Mittelfran­ken bildet mit 4,4 Prozent den Schluss. Ende Dezember hatten in Bayern rund 5,36 Millionen Menschen ei nen regulären Job. Die Zahl der offenen Stellen stieg um rund 36 000 auf fast 109 000. (dpa)

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Foto: Sebastian Kahnert, dpa In Schwaben sind derzeit 17 000 Stellen unbesetzt.
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