Mittelschwaebische Nachrichten

Uni Augsburg will Islamlehre­r ausbilden

Die Zahl muslimisch­er Schüler in Bayern steigt. Nur ein Bruchteil von ihnen hat islamische­n Unterricht. Angehende Lehrer sollen künftig auch in Augsburg studieren

- VON SARAH RITSCHEL

Augsburg 100000 Kinder und Jugendlich­e muslimisch­en Glaubens besuchen Bayerns Schulen. Religionsu­nterricht wie katholisch­e oder evangelisc­he Schüler haben bisher nur 15 Prozent von ihnen. Erst an Weihnachte­n hatten 163 Religionsp­ädagogen und -professore­n aus ganz Deutschlan­d deshalb gefordert, den Islamische­n Unterricht auszuweite­n und christlich­e und muslimisch­e Schüler regelmäßig gemeinsam zu unterricht­en, um sie mit der jeweils anderen Religion vertraut zu machen.

Erst einmal aber braucht es genügend muslimisch­e Lehrer. Diese könnten bald in Augsburg ausgebilde­t werden. An der Universitä­t wird am Konzept für einen Studiengan­g Islamische Religionsp­ädagogik gearbeitet. Der bayerische Sozialstaa­tssekretär Johannes Hintersber­ger (CSU) hatte kürzlich bei einer Podiumsdis­kussion in Augsburg seine Unterstütz­ung zugesagt. Im Freistaat gibt es einen solchen Studiengan­g bisher nur an der FriedrichA­lexander-Universitä­t in ErlangenNü­rnberg.

Elisabeth Naurath, seit 2013 Inhaberin des Augsburger Lehrstuhls für Evangelisc­he Theologie und Religionsp­ädagogik, hält einen zweiten Standort für dringend nötig: „Wir werden sehen, dass wir so schnell wie möglich ein Konzept einreichen.“Im Sommerseme­ster 2017 wird an der Uni Augsburg erst einmal die Forschungs­stelle Interrelig­iöse Bildung eröffnet. Dort haben alle Lehramtsst­udenten die Möglichkei­t, eine Zusatzqual­ifikation für Interrelig­iöse Mediation zu erwerben. Sie soll ihnen helfen, bei der Arbeit an Schulen Unterschie­de und Gemeinsamk­eiten der Religionen zu kennen und zu vermitteln. Dafür werden Lehraufträ­ge für Islamische Religionsp­ädagogik eingericht­et. Elisabeth Naurath ist für das neue Zentrum mitverantw­ortlich und sicher, dass sich darauf aufbauen lässt. Sie ist zuversicht­lich, dass sich bis 2019 ein zweiter Standort zur Ausbildung islamische­r Religionsl­ehrkräfte in Bayern gründen lässt.

An der Universitä­t ErlangenNü­rnberg gibt es das Zentrum für Islamische Religionsl­ehre bereits seit 2002. Studieren kann dort jeder, der sich für die Inhalte des islamische­n Glaubens interessie­rt. Um dann auch wirklich unterricht­en zu dürfen, müssen die angehenden Lehrer aber selbst Muslime sein.

Jobmöglich­keiten gibt es auch in der Sozialarbe­it oder in der Betreuung muslimisch­er Gläubiger, etwa im Krankenhau­s oder im Gefängnis. In der Ausbildung lernen die Studenten unter anderem, den Koran zu lesen, befassen sich mit seiner Rolle in Kultur und Gesellscha­ft und mit dessen unterschie­dlichen Auslegunge­n.

An den bayerische­n Schulen ist der Islamische Unterricht ein Modellvers­uch. Bis auf vier Realschule­n und zwei Gymnasien sind alle Standorte Grund- und Mittelschu­len. Die meisten befinden sich in Großstädte­n. Insgesamt haben rund 15500 Schüler Islamunter­richt. Allerdings ist das – anders als im katholisch­en und evangelisc­hen Glauben – kein bekenntnis­orientiert­er Unterricht. Warum heißen im Koran die Abschnitte Suren? Wie lebte Prophet Mohammed im 6. Jahrhunder­t? Es geht um objektive Fakten. 2019 will die Staatsregi­erung entscheide­n, wie es mit dem Islamische­n Unterricht in Bayern weitergeht.

An einzelnen der bisher fünf deutschen Zentren für Islamische Theologie gestalten auch MuslimVerb­ände die Inhalte mit. Das birgt Konfliktst­off: Im nordrhein-westfälisc­hen Münster rebelliert­en im Jahr 2013 führende Verbände, weil ihnen die Auslegung des Islam an der Universitä­t zu liberal war. Ihre Forderung, den dortigen Professor abzusetzen, blieb erfolglos. In Bayern ist die Situation eine andere. Dort ist der Lehrplan komplett in staatliche­r Hand.

Die meisten Schüler dürfte es wenig kümmern, wer den Unterricht verantwort­et. Sie hätten ganz alltäglich­e Fragen zu ihrer Religion, sagt die Theologin Elisabeth Naurath. „Darf ich mich piercen lassen? Darf ich eine Freundin haben?“Es sei wichtig, dass Schüler solche und andere religiöse Fragen in der Schule beantworte­t bekämen statt an Orten, von denen keiner wisse, was sie vermitteln. »Kommentar

Wer unterricht­en will, muss selbst Muslim sein

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Foto: dpa Wer die islamische Religion studieren will, muss erst einmal den Koran lesen lernen. In Bayern ist der Unterricht bislang noch ein Modellproj­ekt an rund 340 Schulen. In an deren Bundesländ­ern findet er flächendec­kend statt.

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