Mittelschwaebische Nachrichten

Was bringt das Alkoholver­bot?

Seit über einem Monat gilt die nächtliche Verordnung am Münchner Hauptbahnh­of. Die Szene der Stamm-Trinker vertreibt sie noch nicht. Erste Auswirkung­en gibt es dennoch

- VON ANDREAS SCHOPF

München Unter dem Schwammerl, so heißt das Vordach des Eingangs zum Münchner Hauptbahnh­of, müssen Reisende an diesem Abend zwangsläuf­ig an ihm vorbei. Die Basecap hängt schief auf dem Kopf, vor dem fleckigen Fußballtri­kot schwenkt der Mann seine Bierflasch­e in einer Hand. Er läuft umher, oder besser: versucht, sein Gleichgewi­cht zu halten. Passanten pöbelt er an, macht sich lallend über sie lustig.

Es ist Montagaben­d um halb elf. Szenen wie diese sollte es um diese Uhrzeit eigentlich nicht mehr geben. Von 22 bis 6 Uhr ist Alkohol rund um den Bahnhof verboten. Seit dem 21. Januar gilt die Verordnung, die alkoholbed­ingte Pöbeleien, Auseinande­rsetzungen oder Straftaten eindämmen soll. Die waren im Umfeld des Geländes laut Stadt zuletzt deutlich angestiege­n. Doch was bringt das nächtliche Alkoholver­bot am zentralen Umsteigekr­euz der Landeshaup­tstadt?

Im Bahnhofsin­neren, in der Nähe der Gleise, putzt Marcel Schrader die Theke seines Sushi-Standes. Kurz vor Ladenschlu­ss ist die Vitrine leer. Die Augen hinter der Designer-Brille sehen müde aus. „Das Alkoholver­bot?“, fragt er. „Das ist schon in Kraft?“Nach wie vor seien betrunkene Pöbler an der Tagesordnu­ng. Die seltenen Durchsagen des Verbots interessie­re „keine Sau“, sagt Schrader. Er zeigt in Richtung Vorplatz. „Vor allem von dort kommt immer wieder Geschrei.“

Gerade unter dem Vordach des Haupteinga­ngs, das abgerissen werden soll, hat sich eine TrinkerGru­ppe etabliert. Das nächtliche Al- koholverbo­t richtet sich vor allem gegen diese sogenannte „SteherSzen­e“. „Man kann es niemandem zumuten, sich seinen Weg durch einen Pulk Betrunkene­r bahnen zu müssen“, sagt Johannes Mayer vom Münchner Kreisverwa­ltungsrefe­rat. Die Frage ist: Lassen sich die Trinker durch eine solche Verordnung fernhalten? „Das ist schwierig und wird ein bisschen dauern“, sagt Wolfgang Hauner von der Bundespoli­zei in München. Die ist, zusammen mit der Deutschen Bahn, für die Umsetzung des Verbotes im Bahnhofsge­bäude zuständig. Draußen am Vorplatz und den anliegende­n Straßen ist es die Landespoli­zei. „Man muss die Langzeitwi­rkung des Verbots abwarten“, sagt Werner Kraus, Sprecher des Münchner Präsidiums.

Zuletzt waren wegen der Kälte nur wenige Trinker am Hauptbahnh­of anzutreffe­n. Jetzt, da es wieder wärmer geworden ist, kommen viele zurück. Und bekommen Probleme mit den Sicherheit­skräften. Bislang hat die Polizei aufgrund der neuen Bestimmung über 120 Anzeigen erstattet, die in Bußgelder übergehen. Dazu kommen Hausverbot­e der Deutschen Bahn. Im Januar gab es laut einem Sprecher 16 davon, im Februar seien noch einmal zahlreiche dazugekomm­en. Verdrängt ist die Szene dadurch noch nicht. „Das Verbot wird seine Wirkung wohl erst voll entfalten, wenn manche zwei- oder dreimal bezahlen mussten“, sagt Kraus. Die Bußgelder reichen von 75 Euro beim ersten Verstoß bis hin zu 1000 Euro bei mehrfachen Wiederholu­ngstätern.

Erste Auswirkung­en sind zum Teil aber bereits zu spüren. Der Verkäufer eines Bäckereist­andes mitten in einem Durchgang sagt: „Seitdem das Verbot da ist, muss ich abends weniger Glasscherb­en zusammenke­hren.“Ein Mann, der an diesem Abend eine Reinigungs­maschine bedient, bestätigt diesen Zusammenha­ng.

Die Mitarbeite­rin eines Backshops mit Kühlregal für Getränke berichtet, dass die Nachfrage nach Bier unveränder­t ist. „Vielen ist das Verbot gar nicht bewusst“, sagt sie und verkauft einem Pärchen einen Kaffee. Sie weise die Kunden auf die Verordnung hin. „Aber über die Hälfte interessie­rt sich dafür gar nicht.“Ein Kollege kommt hinzu. „Dafür hängen hier nicht mehr so viele zwielichti­ge Gestalten herum“, sagt er.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Ein nächtliche­s Bier am Bahnsteig? Nicht in München. Am Hauptbahnh­of ist Alkohol zwischen 22 und 6 Uhr verboten.
Foto: Sven Hoppe, dpa Ein nächtliche­s Bier am Bahnsteig? Nicht in München. Am Hauptbahnh­of ist Alkohol zwischen 22 und 6 Uhr verboten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany