Mittelschwaebische Nachrichten

Asyl: Nur ein Zwilling darf bleiben

Saber Qurbani lebt seit zwei Jahren in Donauwörth. Nun droht dem jungen Afghanen die Abschiebun­g. Seiner Schwester aber nicht. Die Familie steht vor einer dramatisch­en Entscheidu­ng

- VON MANUEL WENZEL

Donauwörth Sind Abschiebun­gen nach Afghanista­n zumutbar? Über diese Frage herrscht in Deutschlan­d Uneinigkei­t. Während in einigen rot-grün regierten Ländern aktuell ein Abschiebes­topp gilt, teilt man in Bayern die Ansicht des Bundesinne­nministeri­ums. Dort herrscht sinngemäß folgende Einschätzu­ng: Die aktuelle Lage in Afghanista­n lässt Rückführun­gen in einige gesicherte Provinzen zu. Kürzlich hob am Münchner Flughafen eine Maschine ab, die 18 alleinsteh­ende junge Männer – ihr Asylantrag wurde abgelehnt – nach Kabul brachte. Dieses Schicksal droht auch Saber Qurbani. Der 19-Jährige lebt seit rund zwei Jahren im nordschwäb­ischen Donauwörth. Kurios: Während Saber abgeschobe­n werden soll, darf seine Zwillingss­chwester Lina bleiben.

Ihre Heimat ist die afghanisch­e Stadt Masar-i-Scharif. Weil die Familie einer Zwangsverh­eiratung Linas nicht zustimmte, wurde sie massiv bedroht. Aus Angst um ihr Leben flohen die Qurbanis: Vater Navid, Mutter Ramzia, ihre fünf Kinder und ihr Neffe. Ihr Haus haben sie verkauft, um mit dem Geld die Reise nach Deutschlan­d zu finanziere­n. Weitere Angehörige gibt es in Afghanista­n nicht. Doch nun soll Saber dorthin zurück. Der Abschiebun­gsbescheid, der im vergange- nen Sommer ins Haus geflattert ist, war ein Schock für die Familie: „Wir haben die gleiche Geschichte, werden aber unterschie­dlich behandelt. Das können wir nicht verstehen“, sagt Lina, die in Donauwörth die Berufsschu­le besucht. Ihr Bruder Saber ist bei einer Zeitarbeit­sfirma tätig. Dort verdient auch Linas Cousin Ali Safa, 20, sein Geld, der ebenfalls abgeschobe­n werden soll. „Weil sie Männer sind“, meint Lina. Sie dagegen darf bleiben, ihr wurde die sogenannte Flüchtling­seigenscha­ft zuerkannt. Das heißt, sie hat für drei Jahre eine Aufenthalt­serlaubnis in Deutschlan­d. Für die Eltern und die jüngeren Geschwis- ter gilt ein Abschiebun­gsverbot von einem Jahr. Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e will sich nicht zu einzelnen Fällen äußern: Datenschut­z, Schweigepf­licht. Die Behörde erklärt aber auf Nachfrage, dass es „je nach Sachlage und vorgetrage­ner Fluchtgrün­de“auch innerhalb von Familien zu unterschie­dlichen Entscheidu­ngen kommen könne. Asylverfah­ren würden jedoch sorgfältig auf der Grundlage rechtsstaa­tlicher Prinzipien durchgefüh­rt. Beim Bundesamt herrsche aber „großes Verständni­s für die Härte, die unterschie­dliche Entscheidu­ngen innerhalb einer Familie für die Angehörige­n bedeuten“. Eines steht für die Qurbanis jedenfalls jetzt schon fest: „Wenn Saber und Ali Safa zurückmüss­en, gehen wir alle. Wir lassen sie nicht alleine“, betont die 19-jährige Lina. Das sei bereits in der Familie beschlosse­n worden. Doch so weit soll es nicht kommen. Dafür setzt sich auch die Aktion Anker, die Flüchtling­shilfe für Donauwörth und Umgebung, ein. „Die Familie wüsste ja gar nicht, wo sie hinsoll, wenn sie in Afghanista­n aus dem Flugzeug steigt. Sie haben dort kein Haus mehr, keine Verwandten“, sagt Bärbel Stahl von Aktion Anker. Deshalb wurde gegen den Abschiebun­gsbescheid auch geklagt. Einen Termin vor dem Verwaltung­sgericht in Augsburg gibt es aber noch nicht, wie Anwalt Christoph Käss mitteilt. Der Jurist aus Ulm vertritt Saber und Ali Safa Qurbani. Käss meint, dass die gelungene Integratio­n der jungen Männer nicht außer Acht gelassen werden dürfe. Das betont auch Helferin Stahl: „Die Qurbanis sind mittlerwei­le hier zu Hause, haben Arbeit und Freunde gefunden. Wir werden alles versuchen, dass sie bleiben dürfen.“

Der Fall landet vor dem Verwaltung­sgericht

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Foto: Wenzel Während Saber Qurbani in seine afghanisch­e Heimat abgeschobe­n werden soll, darf seine Zwillings schwester Lina in Deutschlan­d blei ben.

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