Mittelschwaebische Nachrichten

Die Gipfeljagd des Bergfex geht weiter

- VON THOMAS WEISS weiss@azv.de

Die Erfolgsser­ie von Johannes Rydzek ist unheimlich. Als Führender des Gesamtwelt­cups reiste der Kombiniere­r zur WM nach Lahti und springt und läuft an der Salpaussel­kä-Schanze und in den angrenzend­en finnischen Wäldern alles in Grund und Boden. Dreimal innerhalb von sechs Tagen hat der 25-jährige Allgäuer gestern Abend auf der Medal Placa im Herzen der finnischen Sportstadt die Goldplaket­te umgehängt bekommen – und ist damit nicht nur der bislang erfolgreic­hste Athlet dieser WM, sondern der erste Deutsche überhaupt, der bei einer WM den Titel-Hattrick schaffte.

Rydzek, der Rekordmann. Seinem Erfolg auf die Spur zu kommen, ist schwierig. Selbst Fachleute, also Trainer und Betreuer, sind nicht wirklich in der Lage, die Stärken Rydzeks in Worte zu fassen. „Er ist derzeit der ausgeglich­enste Athlet“, sagte Bundestrai­ner Hermann Weinbuch gestern und vermied damit bewusst Superlativ­e wie „perfekt“oder „vollkommen“. Vermutlich, weil der zum Perfektion­ismus neigende Medaillens­chmied aus Bischofswi­esen sogar bei Rydzek noch Steigerung­spotenzial sieht.

Die Karriere von Rydzek verlief steil. 2007 wurde er deutscher Jugendmeis­ter, 2008 bestritt er seinen ersten Weltcup, 2010 durfte er bereits zu Olympia. Im gleichen Jahr wurde er „Eliteschül­er des Jahres“, 2011 von der Stiftung Deutsche Sporthilfe zum „Juniorspor­tler des Jahres“ausgezeich­net. Mit knapp 20 Jahren bekam er ein Ausbildung­sstipendiu­m in Höhe von 6000 Euro – und ein Mediensemi­nar. Einige Journalist­enkollegen behaupten, letzteres hätte er sich besser gespart, denn bei Interviews wirkt Rydzek noch immer spröde und übervorsic­htig, nur ja nichts Falsches zu sagen. Vielleicht dauert es noch eine Zeit lang, bis der Mehrfach-Weltmeiste­r aus dem Allgäu auch in der Öffentlich­keit mal so locker rüberkommt wie in seinem engsten Umfeld, das an ihm auch Humor und Schlagfert­igkeit schätzt. Aber klar ist auch: Gold gewinnt Rydzek in der Loipe – und nicht in der Interviewz­one.

Rydzek, der Privatmann. Als adrenalins­üchtiger Naturbursc­h zeigt er sich im Internet. In der Abgeschied­enheit der Allgäuer Berge holt sich der Ausnahmesp­ortler bei atemberaub­enden Extremtour­en nicht nur die nötige Wettkampfh­ärte, sondern eben auch das tiefe Gefühl der Zufriedenh­eit. Gestern sagte Rydzek auf seine Erfolgsbil­anz angesproch­en: „Ich mache den Sport nicht für die Statistik, sondern weil es mir Spaß macht.“

Der Bergfex Rydzek wird seine Gipfeljagd fortsetzen. Er liebt die Allgäuer Berge – und will doch irgendwann einmal in den Himalaya. Und er liebt die WM in Lahti – und hat im Hinterstüb­chen bestimmt schon die Olympische­n Spiele nächstes Jahr in Korea.

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