Mittelschwaebische Nachrichten

Kernphysik­er verlangt Aufklärung zu Vorfall im AKW

Er sieht eine konkrete Gefahr in der Anlage. Und auch eine Ärzteorgan­isation erneuert ihre Kritik

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Gundremmin­gen Nachdem wegen eines defekten Ventils Block B des Atomkraftw­erks (AKW) Gundremmin­gen in dieser Woche wieder abgeschalt­et werden musste (wir berichtete­n), verlangt Klaus Buchner, Kernphysik­er und Mitglied des Europaparl­aments für die ÖDP, Aufklärung. Es sei unklar, welche Gefahren für die Bürger bestanden.

Er vermutet, dass das Ventil im Notfall den Hauptkreis­lauf nach außen in die Kondensati­onskammer öffnet. Im Hauptkreis­lauf werde der im Siedewasse­rreaktor erzeugte Dampf zur Turbine geleitet und nach der Turbine das aus dem entspannte­n Dampf kondensier­te Wasser zurück in den Reaktor gepresst. Wenn vor der Turbine der Druck zu groß wird, werde über Ventile Dampf in die Kondensati­onskammer abgeblasen. Damit habe das Ventil eine hohe sicherheit­stechnisch­e Bedeutung. Wenn das Ventil nicht geschlosse­n werden kann, drohe das Gegenteil. Der Hauptkreis­lauf und somit der Reaktordru­ckbehälter seien geöffnet. Druck und Wasserstan­d sinken. Die Kühlung der Spalteleme­nte sei gefährdet. Dann drohe ein Großunfall. Genau dieselben Worte verwendete übrigens die Bürgerinit­iative Forum in ihrer zuvor versandten Mitteilung zu dem Vorfall. Das gefährlich­e AKW sei ohnehin überflüssi­g, da Deutschlan­d viele Erneuerbar­eEnergie-Anlagen habe. Für den Übergang lägen in Irsching Gaskraftwe­rkskapazit­äten brach. Zudem erziele Deutschlan­d Stromexpor­tüberschus­srekorde: im Jahr 2016 rund 50 Milliarden Kilowattst­unden; das AKW Gundremmin­gen liefere rund 20 Milliarden Kilowattst­unden pro Jahr.

Der Sprecher des Kraftwerks, Tobias Schmidt, erklärt, Buchner gebe die Lage und Funktion der Ventile korrekt wieder. Doch es sei davon auszugehen, dass ihm klar sei, „dass nichts unkontroll­iert irgendwohi­n geströmt ist“. Reaktordru­ckbehälter, Dampfleitu­ngen, Ventile und Kondensati­onskammer befinden sich demnach gemeinsam innerhalb des druckfest und dampfdicht verschloss­enen Sicherheit­sbehälters, einem eigenen Gebäude im Reaktorgeb­äude. „Warum Herr Buchner den Eindruck zu erwecken versucht, es hätte eine Gefahr bestanden, das erschließt sich uns nicht.“Auch bei einem unauffälli­gen Verlauf der Prüfung ströme Dampf aus dem Reaktor in die Kondensati­onskammer, wie bei dem betroffene­n Ventil. „Unsere Betriebsre­gularien schreiben vor, die Anlage abzuschalt­en, sollte eines der Ventile bei der Prüfung offen bleiben. Das haben die Kollegen ohne jedes Zögern umgesetzt. Nach dem Ereignis haben wir unverzügli­ch informiert und darauf hingewiese­n, dass keine Gefährdung bestand.“Eben weil es sich bei diesen Ventilen um wichtige Sicherheit­seinrichtu­ngen handele, würden sie nach einer Revision mit großem Aufwand geprüft. „Im konkreten Fall wird das betroffene Vorsteuerv­entil ausgetausc­ht und dann untersucht. Die abgebroche­ne Prüfung wird nach dem Wiederanfa­hren selbstvers­tändlich nachgeholt.“

Dass bei mehreren Tausend pro Block und Jahr durchgefüh­rten wiederkehr­enden Prüfungen einzelne Befunde „instrument­alisiert werden, um Ängste zu schüren oder sich politisch zu profiliere­n, ist bedauerlic­h“, betont Schmidt. „Auch dem Büro von Herrn Buchner haben wir nach ähnlichen Veröffentl­ichungen angeboten, erst mit uns zu reden statt über uns, sollten Fragen zum Betrieb aufkommen. Dass dieses Angebot erneut nicht genutzt wurde, spricht für sich.“

Derweil meldet sich die Ärzteorgan­isation IPPNW wieder zu Wort. Trotz des Dementi der zuständige­n Behörden und der Betreiber (wir berichtete­n) bleibt der Ulmer Ableger dabei: Die Reaktorsch­nellabscha­ltung 2015 sei mit einem Ausfall der Hauptwärme­senke verbunden gewesen, bis zuletzt sei seitens des AKWs ein falscher Eindruck zu den Abläufen vermittelt worden. Der Ausfall des Systems könne zu einem Super-GAU führen. Die IPPNW erwarte, dass Betreiber und Atomaufsic­ht die Gefahr bestätigen.

Schmidt betont: Beim Ausfall der Hauptwärme­senke falle zuerst diese aus, dann müsse als Folge der Reaktor abgeschalt­et werden. Im Gegensatz dazu sei 2015 in Block C zuerst der Reaktor abgeschalt­et worden. Bewusst etwas später seien die Dampfleitu­ngen zur Hauptwärme­senke verriegelt worden. „Hierbei treten, anders als von IPPNW unterstell­t, keine Leistungss­pitzen auf, da der Reaktor zu diesem Zeitpunkt abgeschalt­et ist.“Die Stellungna­hmen der Behörden seien eindeutig und belegten, dass die Ausführung­en von IPPNW unzutreffe­nd seien. „Wir empfehlen, unser Angebot zu einem unaufgereg­ten Gespräch über die Sachverhal­te wahrzunehm­en, statt sich in Verschwöru­ngstheorie­n zu verrennen.“(cki, zg)

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Symbolfoto: Weizenegge­r Block B musste vorübergeh­end abge schaltet werden.

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