Mittelschwaebische Nachrichten

Der „Pharao“mit den vielen Leben

Der gestürzte Machthaber Hosni Mubarak war schon vor Jahren für tot erklärt worden. Doch er lebt noch heute. Er sollte für immer hinter Gitter – und wieder kam es anders

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Es sind unfassbare Bilder. Bewaffnete Männer preschen auf Kamelen und Pferden über den Tahrirplat­z in Kairo. Sie prügeln wahllos auf Demonstran­ten ein, die hier seit Wochen gegen den ägyptische­n Machthaber Hosni Mubarak protestier­en. Es fallen Schüsse. Hunderte sterben in diesen Tagen und auch sechs Jahre später bleibt die Frage: Wer hat die Mörder geschickt? Das höchste Gericht Ägyptens hat nun zumindest entschiede­n, wer es nicht gewesen ist. Mubarak – in erster Instanz wegen seiner Mitschuld am Tod der Menschen zu lebenslang­er Haft verurteilt – wurde freigespro­chen.

Der gestürzte „Pharao“ist also wieder davongekom­men. Und auch in seinem Land wurde die Zeit längst zurückgedr­eht. Nach drei Jahrzehnte­n unter dem früheren General Mubarak ist heute wieder ein Vertreter des Militärs an der Macht. Abdel Fattah al-Sisi führt Ägypten mit harter Hand. Von den Freiheitsr­echten, die zehntausen­de Demonstran­ten während des „Ara- bischen Frühlings“erkämpft hatten, ist praktisch nichts übrig geblieben. Die alten Seilschaft­en in der ägyptische­n Führung gibt es hingegen immer noch. Haben sie zum Freispruch Mubaraks beigetrage­n? Beweise dafür gibt es nicht. Aber mit der Machtübern­ahme des Militärs 2014 war die Wahrschein­lichkeit, dass Mubarak für die Geschehnis­se auf dem Tahrir doch noch zur Rechenscha­ft gezogen würde, zumindest nicht gestiegen.

Und so ist der inzwischen 88-Jährige, den der Westen trotz seines autokratis­chen Führungsst­ils lange als Partner akzeptiert hatte, zumindest juristisch rehabiliti­ert – zum Entsetzen seiner Gegner. Ob er noch etwas davon hat, ist eine andere Frage. Mubarak ist schwer krank, er hat die letzten Jahre in einem Militärkra­nkenhaus verbracht. Mitte 2012, kurz nach dem ersten Prozess, der mit einer lebensläng­lichen Haftstrafe endete, hatte ihn eine staatliche Nachrichte­nagentur sogar schon für klinisch tot erklärt. Doch der Despot mit den vielen Leben ist noch einmal davongekom­men.

Seitdem war Mubarak in der Öffentlich­keit nur noch selten zu sehen gewesen. Zum Freispruch kam er nun allerdings persönlich in den Gerichtssa­al. Als ihn die Richter noch einmal auf die Toten vom Tahrirplat­z und die Vorwürfe gegen ihn ansprachen, sagte er nur: „Das ist nicht passiert.“

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Archivfoto: imago 2011: Auf Kamelen und Pferden reiten bewaffnete Männer durch die Menschenme­nge auf dem Tahrirplat­z. Wer hat sie auf die Demonstran­ten gehetzt?
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Archivfoto: dpa 2016: Der kranke Hosni Mubarak winkt seinen Anhängern zu.

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