Mittelschwaebische Nachrichten

Peugeot Aufsichtsr­at für Kauf von Opel

Eine Betriebsve­rsammlung am Freitag in Rüsselshei­m wird kurzfristi­g vertagt. Am Abend dann sickert durch: Die Franzosen stimmen der Übernahme zu

- VON ARNE BENSIEK

Rüsselshei­m Bis auf den letzten Platz sind die beiden riesigen Hallen am Freitag gefüllt, die Opel an seinem Stammsitz in Rüsselshei­m für Betriebsve­rsammlunge­n bereithält. Tausende Mitarbeite­r sind auf das Werksgelän­de gekommen, auch die von den späteren Schichten. In den Reihen wird gemurmelt und diskutiert. Gibt es heute endlich Klarheit?

Immerhin spricht Opel-Chef Karl-Thomas Neumann, dazu der Vorsitzend­e des Opel-Gesamtbetr­iebsrats, Wolfang Schäfer-Klug. Nach gut anderthalb Stunden dann die Überraschu­ng: Die turnusmäßi­ge Betriebsve­rsammlung wird vertagt auf den kommenden Montag. Einen Grund dafür nennt die OpelSpitze den Mitarbeite­rn nicht. Was die Opelaner zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Am Freitagabe­nd melden Medien, dass der Aufsichtsr­at des französisc­hen Autokonzer­ns PSA Peugeot Citroën grünes Licht gegeben hat für die Übernahme von Opel. Die Entscheidu­ng zum Kauf der Europa-Tochter des US-Konzerns General Motors solle am Montag offiziell bekannt gegeben werden.

Schon am Donnerstag hatte die Nachrichte­nagentur Reuters berichtet, die Transaktio­n stünde kurz vor dem Abschluss. Nach Wochen der Ungewisshe­it könnten die Opelaner nun also erfahren, welche Auswir- kungen das für den deutschen Autobauer, seine englische Schwesterm­arke Vauxhall und die Beschäftig­ten haben könnte.

Für gut zwei Stunden ruhte am Freitagmor­gen die Produktion in Rüsselshei­m. Opel-Chef Karl-Thomas Neumann gab in seiner Ansprache vor den Mitarbeite­rn keinerlei Einblick in den Stand der Verhandlun­gen. Er hätte etwa sagen können, dass vor allem der Umgang mit Pensionsve­rpflichtun­gen für die Beschäftig­ten ein ungeklärte­r Streitpunk­t zwischen General Motors und PSA ist. Hier gibt es Reuters-Informatio­nen zufolge ein großes Deckungslo­ch von acht bis zehn Milliarden Dollar.

Neumann präsentier­te stattdesse­n die schon bekannten Geschäftsz­ahlen aus 2016, ein Minus von 241 Millionen Euro. Dabei wiederholt­e er vor den Opelanern, dass der Verlust aus seiner Sicht allein dem Brexit und dem Wertverlus­t des Pfundes zuzuschrei­ben sei. Rund 300 Millionen Euro an Mehrkosten hätten die englischen Vauxhall-Werke für Zulieferpr­odukte aus dem Euround Dollar-Raum aufwenden müssen. Ohne diese Währungsef­fekte hätte es Opel laut Neumann nach 16 Jahren endlich wieder in die Ge- winnzone geschafft. Als er dafür den Mitarbeite­rn explizit dankte, erntete der Opel-Chef sogar Applaus.

Bevor die Betriebsve­rsammlung nach gut anderthalb Stunden vertagt wurde, kritisiert­e der Chef des Opel-Gesamtbetr­iebsrats, Wolfgang Schäfer-Klug, seine Kollegen – explizit auch die Betriebsrä­te – mit scharfen Worten. Wer angesichts der unklaren Situation seinem Frust öffentlich Luft mache, schade dem Konzern damit.

Seitdem am 15. Februar die Verkaufspl­äne von General Motors öffentlich wurden, ist die Verunsiche­rung bei den mehr als 18000 Mitarbeite­rn an den Opel-Standorten Rüsselshei­m, Eisenach und Kaiserslau­tern groß. Branchenex­perten rechnen bei einem Opel-Verkauf mit einem Abbau von mehreren tausend Arbeitsplä­tzen, wenn die bis 2018 laufenden Beschäftig­ungsgarant­ien auslaufen. Dennoch hatten sich manche Beschäftig­te zuletzt auch optimistis­ch geäußert und Opel im französisc­hen PSA-Konzern eine bessere Zukunft prophezeit als unter dem Dach des jetzigen Mutterkonz­erns General Motors.

Zuletzt kursierten Gerüchte, wonach Opel unter französisc­her Führung zu einer reinen Elektroaut­omarke werden könnte. Die 7700 Mitarbeite­r im Opel-Entwicklun­gszentrum in Rüsselshei­m haben bereits an elektrisch­en Antriebste­chniken für den „Ampera e“gearbeitet. Das Elektroaut­o soll in diesem Frühjahr vorgestell­t werden. Die Patente dafür gehören, wie bei den konvention­ellen Opel-Antrieben, jedoch GM.

Wenn die Amerikaner Opel im Rahmen des Verkaufs an PSA die Patente entziehen würde, könnte man in Rüsselshei­m ab morgen nur noch Kaffee trinken, heißt es deshalb aus Unternehme­nskreisen. Ein eher unwahrsche­inliches Szenario. Allerdings knüpft GM die weitere Nutzung der Patente an die Bedingung, dass Opel zukünftig keine Autos

Opel Chef erntet Applaus von den Anwesenden Betriebsra­tschef kritisiert Kollegen und Mitarbeite­r

in Südamerika, Russland und China verkaufe. Auch in dieser Frage könnte die vertagte Betriebsve­rsammlung Aufschluss bringen.

Am Freitag gaben sich die Rüsselshei­mer Opelaner am Werkstor denn auch ausnahmslo­s verschloss­en. Sie selbst bekamen bei der Betriebsve­rsammlung nicht die Gelegenhei­t, dem Vorstand oder Betriebsra­t ihre Fragen zu stellen. Die plötzliche Vertagung spreche dafür, dass es am Montag etwas wichtiges Neues zu verkünden gebe, lautet eine Einschätzu­ng, die aus Betriebsra­tskreisen zu bekommen ist. Eine Einschätzu­ng, die sich bereits wenige Stunden später als offenbar richtig erweisen wird. (mit afp)

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Foto: Andreas Arnold, dpa Am Freitag fand am Opel Stammsitz in Rüsselshei­m eine Betriebsve­rsammlung statt, die unterbroch­en und vertagt wurde.

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