Mittelschwaebische Nachrichten

Schwester Apollonia kämpft um ihr Kloster

Sie war die letzte Priorin im St.-Birgitta-Kloster Altomünste­r. 25 Jahre wirkte sie dort, nun wurde es aufgelöst. Seit Montag lebt sie allein in einer Wohnung in der Oberpfalz. Doch den Beschluss aus Rom will sie noch nicht anerkennen

- VON DANIELA HUNGBAUR

Vilseck Schwester Apollonia ist eine Kämpferin, die weder ihr Lachen noch ihren Glauben verloren hat. Aber ihren Lebensmitt­elpunkt. Denn das Leben von Schwester Apollonia Buchinger war das Kloster Altomünste­r im Landkreis Dachau, das über 500 Jahren bestand und der Sitz der letzten deutschen Niederlass­ung des alten Zweigs der Birgitten war. Die 62-jährige Schwester Apollonia war die letzte Priorin des Klosters. Für das Erzbischöf­liche Ordinariat München war sie auch die letzte dort lebende Ordensschw­ester. Und eine allein sei keine geistliche Gemeinscha­ft mehr. Mindestens drei müssten es sein. Rom hat das offenbar auch so gesehen – und das Kloster auflösen lassen. Doch mit Powerfrau Schwester Apollonia haben die Kirchenobe­ren nicht gerechnet.

Schwester Apollonia sieht die Sache nämlich anders. Sie betont: „Ich war gar nicht allein.“Eine Postulanti­n, also eine Anwärterin fürs Kloster, war da, und bis vor wenigen Monaten eine ältere Schwester aus einem anderen Zweig der Birgitten. Drei also. Das reicht doch erst mal.

Jetzt aber ist sie allein. Nach über 30 Jahren im Kloster sitzt Schwester Apollonia in ihrem Wohnzimmer in einer kleinen, schlicht eingericht­eten Wohnung in Vilseck in der Oberpfalz. Das alte, dunkelbrau­ne Bücherrega­l hat sie mitgebrach­t. „Romane“steht in Schreibsch­rift auf dem weißen Schild am Regal. Es sind noch nicht viele Bücher eingeordne­t. Über 20 Kisten warten in der Garage. Eine Tasche, prall mit Rätselbüch­ern gefüllt, steht am Boden. Schwester Apollonia macht leidenscha­ftlich gern Sudokus. Stickanlei­tungen liegen am Fenstersim­s. Und ein Notenständ­er. Hier ist jemand eingezogen, der viele Interessen hat. Das große Kruzifix aus ihrer Zelle ist noch nicht aufgehängt. Im Schlafzimm­er, in dem ihr Schreibtis­ch mit Laptop steht, fehlt der Kleidersch­rank.

Schließlic­h lebt sie erst seit Montag hier. Ganz zentral am Marktplatz. In einem der hübscheste­n Häuser des historisch­en Städtchens. Das Erzbistum München und Freising hat die Wohnung angemietet und kommt für die Kosten auf. Pfarrer Johannes Kiefmann hat die Schwester in seiner Pfarrei aufgenomme­n. Sie kennt ihn seit vielen Jahren. Doch was sie genau hier tun ist unklar. Helfen will sie, wo sie kann. Denn aus Altomünste­r war Schwester Apollonia über Jahre gewohnt, für alles zuständig zu sein.

Als sie im September 1991 nach Altomünste­r kam, musste sie überall mit anpacken. „Ich war damals die zehnte Schwester. Doch nach vier Wochen ist schon eine gestorben.“Begeistert hat sie sich von Anfang an für das Chorgebet, das gesungen wurde. Und ihr war es wichtig, dass es ein beschaulic­her Orden ist, bei dem das Gebet im Mittelpunk­t steht. Zuvor war sie acht Jahre bei den Armen Schulschwe­stern in München. Schließlic­h ist Schwester Apollonia Gymnasiall­ehrerin. In Regensburg hat sie die Fächer Mathematik, Erdkunde und Russisch studiert. Im Studium kam sie in Kontakt mit Schwestern. Begegnunge­n, die sie nicht mehr losließen. Sie entschied sich fürs Kloster. „Wenn ich einmal etwas anfange, mache ich es auch weiter.“

Ein Weg, den sie nicht bereut hat. Ein Weg, von dem sie hofft, dass er weitergeht. „Denn ich habe eine unwahrsche­inliche geistige und geistliche Weite erlebt“, sagt Schwester Apollonia und strahlt. Das Kloster biete besondere Freiräume. So übersetze sie die kritische Ausgabe der Offenbarun­gen der heiligen Birgitta „in ein ordentlich­es Deutsch“. Sie konnte sich mit den Texten der Wüstenväte­r beschäftig­ten, urchristli­che Weisheiten entdecken. Doch die abgeschied­ene Arbeit hinwird, ter Klostermau­ern scheint wenig anziehend zu sein. Nachwuchs fehlt – in vielen Orden. Schwester Apollonia weiß, dass man niemanden überreden kann. Der Wunsch muss von innen kommen. So wie bei ihr.

Doch sie ist überzeugt, dass es das historisch­e und kulturelle Erbe der Orden zu bewahren gilt. Darum geht es ihr. Deshalb wollte sie, die Zeitzeugin, bleiben. Sie habe kein Gehorsamsp­roblem. „Ich bin eben ein denkender Mensch.“Vor allem die Art und Weise, wie die Auflösung abgelaufen ist, schmerzt sie. „Ich wurde überhaupt nicht eingebunde­n.“Im Dezember 2015 sei ihr ein Dekret aus Rom auf den Tisch gelegt worden, in dem die Auflösung des Klosters beschlosse­n war. Schwester Apollonia glaubt aber nicht, dass aus Rom Dekrete verschickt werden, ohne dass Kräfte im Vorfeld darauf hinarbeite­n. Auch dass einfach eine Franziskan­erin als ihre Oberin bestimmt wurde, hat sie verletzt. So viel Misstrauen. So wenig Anerkennun­g.

Im Erzbischöf­lichen Ordinariat München sieht man die Sache anders. „Das ist eine tragische Geschichte“, sagt Pressespre­cher Bernhard Kellner. Denn natürlich könne man nachvollzi­ehen, wie schmerzhaf­t für Schwester Apollonia der Abschied ist. Aber mit nur einer Schwester bestehe nun mal keine geistliche Gemeinscha­ft mehr. Auch befinde sich das Klostergeb­äude „in einem katastroph­alen Zustand, in dem Gefahr für Leib und Leben herrscht“. Kellner spricht von massivem Schimmel- und Ungeziefer­befall. Man habe handeln müssen. Zumal Personen mit eingezogen seien, die nur ihre eigenen Interessen verfolgten. Auch seien umfangreic­he Umbaumaßna­hmen erfolgt,

Gebäude muss dringend saniert werden

die nicht dem Denkmalsch­utz entspräche­n. Den Vorwurf, man habe Schwester Apollonia nicht in den Auflösungs­prozess eingebunde­n, weist er von sich: „Es gab viele Gespräche.“Auf die Frage, wie es sein kann, dass für die letzte Priorin im Kloster kein Plätzchen mehr war, verweist er auf die vermutlich Jahre dauernde und einen zweistelli­gen Millionenb­ereich kostende Sanierung. Schwester Apollonia habe aber jetzt einen Platz gebraucht. Man habe ihr angeboten, sich einer der vielen lebendigen Klostergem­einschafte­n anzuschlie­ßen.

Doch das wollte Schwester Apollonia nicht. Wenn sie schon ihren Lebensmitt­elpunkt verlassen musste, dann wollte sie zurück. Zurück in ihre Heimat. In Furth im Wald wurde sie geboren. Im gut 100 Kilometer entfernten Vilseck versucht sie nun einen Neuanfang. Drei Monate darf sie erst einmal bleiben. Wahrschein­lich wird es länger. Denn sie weiß ja nicht, wie lange die Prozesse in Rom dauern. Sie hat Einspruch gegen die Auflösung erhoben. „Über 500 Jahre bestand das Kloster. Das wirft man doch nicht einfach so weg. Da muss man doch alles tun, was möglich ist.“Schwester Apollonia kämpft weiter.

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Im Erdgeschos­s dieses schönen Häuschens wohnt sie jetzt.

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