Mittelschwaebische Nachrichten
Doppelmord: Was geschah in Hirblingen?
Im Dezember wurde bei Augsburg ein lesbisches Paar umgebracht. Die Polizei hat viele Indizien gegen den Verdächtigen gesammelt. Doch entscheidende Fragen bleiben offen
Augsburg Samstagabend, 25. Februar, in Königsdorf nahe Bad Tölz: Eine Polizeistreife findet in einem Einfamilienhaus im abgelegenen Weiler Höfen zwei Tote. Montagabend, 27. Februar, in Rott am Inn: Zwei ältere Menschen werden erstochen. Es sind aber nicht nur diese zwei Fälle von Doppelmord, die die Polizei in Bayern beschäftigen. Anfang Dezember wurden im Gersthofer Ortsteil Hirblingen (Landkreis Augsburg) zwei Frauen in ihrer Wohnung ermordet. Was gibt es Neues bei den Ermittlungen?
Die Rollläden im Erdgeschoss des Hauses an der Ortsdurchgangsstraße sind immer noch unten. Vorne in der Einfahrt stehen einige erloschene Grabkerzen. Ein paar gelbe Blumen liegen auf den Steinen. Hier wohnten die Lebensgefährtinnen Beate N., 50, und Elke W., 49. Bis zum 9. Dezember 2016. Dann verschwanden die beiden Frauen. Nach wenigen Tagen ging die Polizei davon aus, dass sie einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind. Der 31-jährige Waldemar N. aus dem Nachbarhaus wurde verhaftet. Und kurz vor Heiligabend wurden nach einem gewaltigen Polizeieinsatz die Leichen der beiden Frauen gefunden. Der Täter hatte sie neben dem Flüsschen Schmutter vergraben.
Die Augsburger Kripo hat seither intensiv weiterermittelt und etliche Spuren zusammengetragen, die den inhaftierten Waldemar N. schwer belasten. „Wir sind sicher, dass wir den Täter haben“, sagt Kripochef Gerhard Zintl. Da ist der Spaten, den N. am Abend nach dem Verschwinden der Frauen gekauft hat. Den fanden die Ermittler neben dem Erdgrab der Frauen. Da sind die Überwachungsfotos von Geldautomaten in Bayern und Prag. Sie zeigen nach Ansicht der Polizei N., wie er Bargeld von einem Konto der Frauen abhebt. Und da sind Bargeldbündel im aufgemotzten 3er BMW von N.
Zu diesen belastenden Indizien sind nach Recherchen unserer Zeitung noch einige hinzugekommen. Neben dem Leichen-Fundort an der Schmutter sollen zusätzlich zum Spaten auch persönliche Gegenstände von Waldemar N. gefunden worden sein. Seinen genetischen Fingerabdruck haben die Spurensucher offenbar an den Leichen der beiden getöteten Frauen gesichert. DNA-Spuren des mutmaßlichen Doppelmörders sollen auch an einigen Stellen des braunen Peugeots der Opfer entdeckt worden sein. Die Ermittler gehen daher davon aus, dass er die toten Frauen mit deren eigenem Auto abtransportiert hat. Zumal auch Blutspuren von Beate N. und Elke W. im Kofferraum des Wagens gefunden worden sind.
Als Motiv hat die Kriminalpolizei Geldnot bei Waldemar N. ausgemacht. Er soll Schulden gehabt haben und über seine finanziellen Verhältnisse gelebt haben. Diese These widerspricht aber Aussagen von Bekannten des Mannes: Sie beschreiben ihn als ruhig, zurückhaltend und eher sparsam. Sein einziger Luxus sei der weiße BMW gewesen.
Die Frage nach dem Motiv scheint also ebenso wenig endgültig beantwortet wie eine weitere entscheidende Frage zu diesem spektakulären Kapitalverbrechen: Was geschah in dem Haus der beiden Frauen?
Auf den Tatort haben sich die Ermittler festgelegt, auf eine ungefähre Tatzeit ebenfalls. Sie sind sicher, der Doppelmord hat in der Wohnung im Erdgeschoss stattgefunden, und zwar am Vormittag des 9. Dezember 2016, nachdem Waldemar N. von der Nachtschicht heimgekehrt war. Doch mit der Rekonstruktion des exakten Tathergangs sind die Kripoleute noch beschäftigt. Die Opfer sind tot. Augenzeugen gibt es nicht. Waldemar N. sitzt in seiner Gefängniszelle in der JVA Gablingen und schweigt beharrlich. Das macht es nicht einfach.
Am besten zu erklären ist noch, wie N. in die Wohnung gekommen sein kann: Seine Mutter hatte den Schlüssel – offenbar im Rahmen einer guten Nachbarschaft. Aber dann? Traf er eine der Frauen oder beide an? Wollte er Geld klauen, wurde ertappt und rastete dann aus? Konnte er die Frauen gleichzeitig töten? Und wenn ja, wie? Kam es zum Kampf? Die Leichen waren jedenfalls mit Stichen übersät, manche davon gingen mehr als 20 Zentimeter tief in den Körper. Wann vergrub N. die Leichen? Wohl eher nicht am helllichten Tag. An diesem Puzzle basteln die Ermittler noch. Und klar ist: „Es gibt Dinge, die man nicht restlos aufklären kann“, wie Kripochef Zintl sagt. Dennoch betont er, wie stolz er auf seine Leute ist: „Das war außergewöhnlich gute Polizeiarbeit, angefangen von den Kollegen in Gersthofen über die Bereitschaftspolizei bis hin zu meinen Leuten.“
Die Augsburger Staatsanwaltschaft will sich zu Details nicht äußern und verweist auf die laufenden Ermittlungen, die aber laut Pressesprecher Matthias Nickolai „weit fortgeschritten sind“. Nickolai bestätigt, dass zahlreiche Spuren gefunden worden sind, darunter auch DNA-Spuren. Alle Spuren müssten dann in einer Gesamtschau bewertet werden. Wann Waldemar N. angeklagt wird, ist derzeit noch offen.