Mittelschwaebische Nachrichten

Riese Rydzek

Oberstdorf­er Kombiniere­r steigt mit dem vierten Gold in vier Wettbewerb­en zum Superstar der Titelkämpf­e in Lahti auf. Trainer Ackermann gab den entscheide­nden Tipp

- VON THOMAS WEISS

Lahti Ob das mal so eine gute Idee ist, zu Ehren von Vierfach-Weltmeiste­r Johannes Rydzek am kommenden Mittwochab­end in Oberstdorf einen Festumzug zu organisier­en? Es könnte gut sein, dass der 25-Jährige noch im WM-Modus ist, vom Start am Bahnhof einfach wild drauflos stürmt, auf der 700-MeterSprin­tstrecke zum Marktplatz all seine Gäste abschüttel­t und mit weit aufgerisse­nem Mund und hochgereck­ten Armen auf die Bühne springt.

Gestern Abend war Rydzek einmal mehr nicht zu bremsen. Nicht von seinen Konkurrent­en, nicht von einem Tritt auf seinen Stock und erst recht nicht im Zielsprint. Selbst als der WM-Held die Ziellinie überquert hatte, war er noch so schnell, dass er seinen Teamkolleg­en Eric Frenzel beinahe über den Haufen gefahren hätte. Erst nach einer künstleris­ch wertvollen Pirouette auf seinem Ski fiel er seinem Kumpel, mit dem er sich im Weltcup und auch bei der WM so unerbittli­che Zweikämpfe geliefert hatte, um den Hals – begleitet von einem lauten „Absolut unbegreifl­ich“, waren die ersten Worte, die Rydzek über die Lippen brachte.

Selbst Minuten später, als der Oberstdorf­er in die weltmeiste­rliche Verlängeru­ng ging und von Kamera zu Kamera und von Mikrofon zu Mikrofon rannte, konnte der Allgäuer seine Gefühle nicht so recht in Worte fassen: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Es ist schwer, immer neue Superlativ­e zu finden.“

Es schien, als wäre der vierte Titel nach den Wettbewerb­en von der Klein- und Großschanz­e sowie in der Staffel der härteste gewesen. Rydzek und Frenzel konnten nach einem äußerst ausgeglich­enen Springen ihre Dominanz auf der 15-Kilometer-Langlauf-Strecke diesmal nicht zu einer komfortabl­en Führung nutzen.

Dafür sorgte aber auch das für die Zuschauer unheimlich unterhalts­ame Wettkampff­ormat. Neunmal klatschten die Zweier-Teams einer Nation im Skistadion von Lahti ihren Teamkolleg­en ab und schickten ihn auf die 1,5 Kilometer lange Runde. „Jeder Wechsel kam mir noch kürzer vor“, beschrieb Rydzek hinterher die Rundenhatz.

Dass es abermals ein Happy End für die deutschen Kombiniere­r gab, lag vor allem an Rydzek, der nichts überhastet­e und laut Heimtraine­r Kai Bracht von seinem Trainerkol­legen Ronny Ackermann vor dem letzten Anstieg noch den entscheide­nden Hinweis bekommen hat: „Sachte, sachte“, soll der vierfache Weltmeiste­r gesagt haben, „hintenraus wird die Ente fett“.

Und Rydzek hielt sich daran. Erst bei der Abfahrt ins Stadion zündete er den Turbo, sprintete mit großen Skating-Schritten an seinem norwegisch­en Widersache­r Magnus Krog vorbei und hatte Glück, dass der überrundet­e Russe Viacheslav Barkov in der Kurve zur Ziellinie nicht noch in den Showdown eingriff. „Es war knapp, aber ich wusste, dass ich als Erstes auf die Zielgerade kommen muss“, sagte Rydzek.

Da war auch Bundestrai­ner Hermann Weinbuch klar, dass es für den deutschen Sieg reichen würde. „Ritschie hat derzeit die Power und den Punch, das am Ende für sich zu entscheide­n.“Rydzek, sang Weinbuch eine Lobeshymne auf seinen goldenen Vierling, sei bei der WM in Lahti endgültig aus dem SchatJubel­schrei. tendasein getreten und jetzt auch eine „der Lichtgesta­lten“bei den Kombiniere­rn. Auch Frenzel wusste, bei wem er sich zu bedanken hat: „Johannes hat das gut gemacht. Er lief taktisch ein hervorrage­ndes Rennen und hat gezockt bis zum Schluss.“Dass sie schon nächste Woche im Weltcup wieder Konkurrent­en sein werden, kümmerte den Oberwiesen­thaler nicht: „Wir sind gut befreundet und bleiben das auch.“

Rydzek ist mit mittlerwei­le sechs Titeln der erfolgreic­hste Winterzwei­kämpfer der WM-Geschichte. Auch vier Triumphe bei einer WM gab es bislang noch nie. „Jetzt freue ich mich erst mal wieder auf mein Bett“, blickte Rydzek nach vorn. Er und seine Teamkolleg­en reisen bereits am Samstagmor­gen zurück nach Deutschlan­d. Ob er das schöne Wetter zu Hause gleich wieder zu einer seiner geliebten Skitouren nutzen wolle? „Eher nicht. Ich lieg lieber ein paar Tage auf die Couch und lade meinen Akku auf.“

Am Mittwochab­end beim Festumzug in Oberstdorf könnte Riese Rydzek also wieder in Bestform sein...

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Foto: Ralf Lienert So jubelt ein Vierfachwe­ltmeister: Der Allgäuer Johannes Rydzek (rechts) umarmt Eric Frenzel, mit dem er gestern seine vierte Goldmedail­le gewann.

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