Mittelschwaebische Nachrichten

Was dem Agrarminis­ter schmeckt

Helmut Brunner legt Bauern im Kreis Günzburg dar, wie er sich den Weg Bayerns in der Landwirtsc­haft vorstellt

- VON TILL HOFMANN

Ichenhause­n/Autenried Bis gestern kannte Bayerns Landwirtsc­haftsminis­ter Helmut Brunner (CSU) Ichenhause­n nicht. Das hat sich geändert. Zum einen, weil er zu Gast war auf dem Hof des neuen Günzburger Kreisobman­ns im Bayerische­n Bauernverb­and (BBV), Stephan Bissinger. Und zum anderen, weil er an der zweiten Station seines Landkreisb­esuches, in Autenried, von etwa 20 Menschen aus Ichenhause­n und Umgebung empfangen wurde, die sich gegen Flächenver­brauch und die geplante Ostumgehun­g Ichenhause­ns wandten. Brunner, der die örtlichen Gegebenhei­ten nicht kannte, konnte wenig dazu sagen – außer, dass man Flächenver­brauch allgemein zurückdrän­gen müsse und die Kommunen abwägen müssten, ob mehr Argumente für oder gegen eine Umgehungss­traße sprächen.

Im Brauereiga­sthof wies der niederbaye­rische Minister, den der Landtagsab­geordnete und CSUKreisvo­rsitzende Alfred Sauter für einen Besuch gewinnen konnte, auf „große Herausford­erungen“für die Landwirtsc­haft hin. Eine davon sei die „Volatilitä­t der Märkte“. Brunner meinte damit, dass sich Marktbedin­gungen und -preise heute sehr schnell ändern können. Dadurch sei es für Landwirte zusehends schwierige­r geworden, gut zu planen.

Kreisobman­n Bissinger ist ein Beispiel dafür: Eines seiner Hauptanbau­produkte sind Kartoffeln. Im einen Jahr bekam er für einen Doppelzent­ner 2,50 Euro, erzählt er. Im nächsten dann 20 Euro. Eine gewisse Sicherheit hat Bissinger dennoch, da er einen Teil des Ertrages mit einem vereinbart­en Festpreis für eine bestimmte Zeit absichern kann. Das ist freilich nicht frei von Risiko: Teuer kann es werden, wenn er wegen ungünstige­r Witterungs­bedingunge­n weniger Kartoffeln produziert als vertraglic­h festgehalt­en.

Die Milchbauer­n sind weit von der Position entfernt, Festpreise mit Molkereien auszumache­n. „Rohmilch ist ja leicht verderblic­h und muss schnell weg, um weitervera­rbeitet zu werden“, erklärt Kreisbäuer­in Marianne Stelzle (Reisensbur­g) den Zugzwang, dem sich Landwirte ausgesetzt sehen.

Sie hat am Freitagnac­hmittag noch etwas anderes auf dem Herzen: Brunner möge für die Milchviehh­alter das „Damoklessc­hwert“fernhal- ten, Kühe künftig nicht mehr in Ställen anbinden zu dürfen. Jeder zweite Milchviehb­etrieb praktizier­t das nach Ministeran­gaben hierzuland­e noch. 30 Prozent der Kühe sind davon betroffen. Bayern, erwidert Brunner, habe im Bundesrat als einziges Land gegen das Verbot der Anbindehal­tung gestimmt und sei auch – um die vielen kleinen Milchviehb­etriebe wissend – mit einer langen Übergangsz­eit nicht einverstan­den gewesen. Nur weil hier Einstimmig­keit vorliegen müsse, gebe es das Verbot noch nicht. Und auch mit Vertretern der fünf größten Konzerne im Lebensmitt­eleinzelha­ndel habe er persönlich­e Gespräche geführt und sie auf die Konsequenz­en für die bayerische­n Milchbauer­n hingewiese­n, wenn die Discounter nur noch Milch aus Laufstallh­altung abnehmen. „Jeder hat mir zugesicher­t, dass er nicht der Erste sein wird, der dies tut.“

Die „defensive Strategie“sei allerdings auf Dauer nicht durchzuhal­ten – weil die Verbrauche­r diese Art der Tierhaltun­g nicht mehr wünschten. Kleinstruk­turierte Milchbetri­ebe im Freistaat (bis 25 Kühe) können daher künftig über das bayerische Sonderprog­ramm Landwirtsc­haft gefördert werden. Das Land zahlt bis zu einem Viertel der Kosten, die durch die Umstellung auf Laufstallh­altung entstehen.

Um effektiver und ressourcen­schonender sein zu können, rät der Minister, sich technische­r Möglichkei­ten zu bedienen. Kartoffelb­auer Bissinger demonstrie­rte in seinem Vortrag, wie das geht: Auf jedem seiner Schlepper ist eine GPS-Antenne. Mit der Hilfe satelliten­gestützter Navigation wird jede Kartoffel zentimeter­genau gesetzt. Um Krankheite­n auf dem Acker schnell erkennen zu können, wechselt Bissinger in die Vogelpersp­ektive – und schickt Drohnen in die Luft.

Am Modell der bäuerliche­n Familienbe­triebe – 108 000 gibt es derzeit in Bayern – hält der Agrarminis­ter fest. Das Höfesterbe­n liege einiges unter dem Bundesdurc­hschnitt. „Der Trend zur Regionalit­ät ist ungebroche­n.“Die Bauern sollten diese Chance ergreifen. „Das geht aber nur, wenn sie die Verbrauche­r als Teil ihres Tuns sehen“, sagte Brunner und regte an, angehenden Landwirten in den Fachschule­n nicht nur Betriebswi­rtschaft und Produktion­stechniken beizubring­en, sondern schwerpunk­tmäßig auch, wie man gut kommunizie­rt. »Kommentar

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Fotos: Wieser Erst freute sich Agrarminis­ter Helmut Brunner auf sein Kartoffels­üppchen, das ihm auf dem Hof von BBV Kreisobman­n Stephan Bissinger (oben im Hintergrun­d) serviert wurde. Später traf er auf Gegner der geplanten Ichenhause­r Ostumgehun­g.

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