Mittelschwaebische Nachrichten
Die Sorgenkinder von der Wiese
Im Schwäbischen Donaumoos tun sich einige Tiere immer schwerer. Andere haben die Region neu oder wieder für sich entdeckt. Ein Reptil versteckt sich besonders gut
Günzburg/Gundelfingen Sie ist so etwas wie das Phantom des Donaumooses. Seit den 1960er-Jahren ist sie immer wieder einmal gesichtet worden. Sie weiß, wie sie sich unsichtbar macht. Die europäische Sumpfschildkröte. Ein einziges Mal ist es gelungen, sie auf ein Foto zu bannen. Im Landesgrenzgraben hat man sie erwischt. 2010 war das. Seither – keine Spur von ihr. Keiner weiß daher genau, ob es im Donaumoos ein bodenständiges Vorkommen der Tiere gibt. Oder ob es ausgesetzte Schildkröten waren, die dort erwischt wurden. „Der Lebensraum wäre der richtige. Aber sie sind einfach extrem selten“, sagt Dr. Ulrich Mäck, Chef der Arge Donaumoos. „Aber wenn wir hier eine echte Population hätten, wäre das der Hammer.“
Ähnlich sieht er die Sache in Sachen Fischotter. Der lebte nachweislich noch im 19. Jahrhundert in unserer Region, wurde gnadenlos bejagt und schließlich ausgerottet. Auch für den Otter, der saubere Gewässer liebt, seien die Lebensbedingungen hier gut. Und nachdem das putzige Kerlchen mittlerweile wieder im Freistaat heimisch ist, ist es nicht ausgeschlossen, dass er auch irgendwann wieder den Weg in die Landkreise Dillingen und Günzburg findet.
So wie die Seeadler, die im Winter regelmäßig am Faiminger Stausee vorbeischauen und ebenfalls bis ins 19. Jahrhundert zur Landschaft gehörten. Oder aber die Kraniche, die seit einigen Jahren auf ihrem Zug an der Donau Station machen. Zwischendrin hat es jeweils ein Pärchen auch mal mit längeren Aufenthalten Ob dann an der Donau tatsächlich kleine Kraniche und Seeadler geschlüpft sind, kann keiner sagen. Grundsätzlich zeige aber auch die Stippvisite, dass der Lebensraum für die Vögel attraktiv ist. Das war er auch lange Zeit für den Großen Brachvogel. In den 60erversucht. Jahren wurden im Donaumoos noch 31 Brutpaare gezählt. Doch der Bestand nahm immer stärker ab. Im Gundelfinger Moos gibt es seit vier Jahren kein Brutpaar mehr, im Langenauer Ried zwischen zwei und vier. „Darauf kann man sich nicht ausruhen. Die können nächstes Jahr schon weg sein.
Das ist wirklich ein tragisches Kapitel“, sagt Mäck. Das Problem: Der Große Brachvogel lässt sich ungern in vom Naturschutz extra gestalteten Gebieten nieder. Er liebt landwirtschaftlich genutzte Flächen. Doch dort ist das Gras viel dichter als früher, sodass er schlechter an die Insekten kommt. Dazu kommt, dass die Flächen häufiger gemäht und insgesamt intensiver genutzt werden als früher. Ein Umstand, der auch dem Kiebitz zu schaffen macht. „Die gab es früher bei uns wie die Spatzen“, sagt Mäck. Mitte der 90er-Jahre wurden im Donaumoos noch 120 Brutpaare kartiert. Letztes Jahr waren es noch 29. Auch der Kiebitz tut sich mit den dichten Wiesen schwer. Deshalb ist er einfach auf die lichteren Maisstoppeläcker umgezogen. Doch dort muss der Mais eigentlich gesät werden, bevor der Nachwuchs weglaufen kann.
In einem Biodiversitätsprogramm, gemeinsam mit der Regierung von Schwaben, versucht die Arge Donaumoos deshalb seit einigen Jahren Landwirte dafür zu gewinnen, in sogenannten „Kiebitzfenstern“nasse, offene Flächen, die für den Vogel interessant sind, nicht oder erst später zu bebauen. Denn im zeitlichen Ablauf liegt der Knackpunkt. Das zeigte sich im Jahr 2013. Da schoss die Zahl der Brutpaare im Donaumoos unerwartet in astronomische Höhen, nur um im Jahr darauf wieder stark abzusinken. Die Experten machten für diese Spitze schließlich das extrem nasse Frühjahr 2013 aus. Damals konnten die Landwirte erst im Mai auf ihre Felder. Und da waren die kleinen Kiebitze schon mobil. Deswegen ist Mäck hoffnungsvoll, dass man mit dem Programm hier etwas erreichen kann. So wie es mit der Bekassine schon gelungen ist. In den 60er-Jahren gab es im Moos noch 40 Brutpaare. Dann sanken auch hier die Zahlen drastisch. 1997 waren es noch sieben. Doch die Bekassine profitierte von der Wiedervernässung im Moos. Und von gezielter Entbuschung. Denn die Wiesenbrüter haben immer Angst, dass hinter der nächsten Hecke der Fuchs lauern könnte. „Sie wollen weit sehen.“Das können sie nun in bestimmten Gebieten. Und so wurden 2016 insgesamt 47 Brutpaare gezählt – während die Zahl der Vögel bundesweit um die Hälfte zurückgegangen ist. Von der anstehenden Wiedervernässung des Gundelfinger Mooses könnte die Bekassine noch einmal profitieren. „Wir hoffen, dass wir einen stabilen Bestand bekommen, der von dort aus auswandern kann.“
Da werden sich die winzigen Eiszeitameisen, die 2010 im Leipheimer Moos gefunden wurden, eher schwertun. Ganz begeistert sei der Experte gewesen, als er sie dort gefunden hatte.
Denn in ganz Süddeutschland gebe es kein derart großes Vorkommen. Für Mäck ist das eine besondere Auszeichnung. Denn die kleinen Krabbler, die sich bei Hochwasser zu einer Kugel formieren und gemeinsam umhertreiben, wohnen nur in Mooren, die eine gewisse Qualität haben. Insofern, sagt Mäck, sei das große Vorkommen der Eiszeitameise ein Gütezeichen für das Donaumoos.