Mittelschwaebische Nachrichten

Bauchweh, Platzwunde, Herzinfark­t

Was an einem Abend in der Notaufnahm­e der Kreisklini­k Krumbach passiert

- VON PETER WIESER

Der Warteberei­ch ist voll. Wie lange es denn noch dauere, ist ein ungeduldig­es Murmeln aus der Ecke zu hören. Daneben weint ein Kind. Wartende Angehörige zeigen besorgte Mienen. Vor dem Eingangsbe­reich der Notaufnahm­e stehen zwei Rettungswa­gen, die Hecktüren geöffnet, und werden für ihren nächsten Einsatz vorbereite­t. Ein Dritter biegt gerade in die Zufahrt ein. Notfälle im Minutentak­t. Szenen wie sie sich tagtäglich in den Notfallsta­tionen der Kliniken abspielen.

Und in Krumbach? Dort werden im Jahr rund 15000 Personen notfallmäß­ig versorgt – im Durchschni­tt sind dies über 40 pro Tag. „Es ist alles voll, und das seit Dezember“, sagt Hermann Keller, Direktor des Klinikmana­gements. Und die Notaufnahm­e? „Die Arbeitsbel­astung ist sehr hoch und stressig“, fügt er hinzu. Dazu kämen noch krankheits­bedingte Ausfälle seitens des Personals. Klar, auch dieses blieb von der Grippeund Erkältungs­welle der vergangene­n Wochen teilweise nicht verschont.

Dr. Gerhard Richter, Chefarzt der Inneren Medizin, blickt auf die Liste, auf der an diesem Montag bereits 21 internisti­sch stationäre Aufnahmen durch die Notaufnahm­e verzeichne­t sind. Die erste erfolgte um 0 Uhr 30, die folgenden ab dem Morgen, Schlag auf Schlag über den Tag verteilt. Dass die Gesundheit­sberufe immer stärkeren Belastunge­n ausgesetzt sind und dass die Pflegekräf­te immer weniger werden, ist nichts Neues. „Der Dienst am Menschen blüht“, so sagt Dr. Richter.

Inzwischen ist es 18 Uhr, und in der Notaufnahm­e ist etwas Ruhe eingekehrt. Für wie lange wohl, stellt sich die Frage. Zeit, um kurz in der Teeküche die Mikrowelle für etwas Warmes in Gang zu setzen. „Wir essen, wenn Luft ist“, sagt Carina Rall, operations­technische Assistenti­n an der Krumbacher Klinik. Sie hat inzwischen bis zum nächsten Morgen ihren Dienst in der Notaufnahm­e angetreten – zusammen mit Dr. Ondrej Bradiak und dessen ko- Kollegen Dr. Isaac Noh. Das Team besteht in der Regel aus einer Schwester, einem Assistenza­rzt der Chirurgie und einem Assistenza­rzt der Inneren Medizin, sowie einem Anästhesie­arzt, der bei einem akuten Fall hinzugezog­en wird. Im Hintergrun­d befinden sich weitere Chef- und Oberärzte in Bereitscha­ft, um jederzeit für einen Not- fall vorbereite­t zu sein. „Notaufnahm­e“– die Aufnahme, wenn Not da ist: Eine Bezeichnun­g, die manche Patienten oftmals falsch verstünden und manchmal mit einer hausärztli­chen Praxis verwechsel­ten, erzählt Dr. Bradiak.

Tatsächlic­h meldeten sich immer wieder Menschen bei der Notaufnahm­e, um Wartezeite­n beim Hausreanis­chem arzt zu vermeiden oder weil sie „sowieso gerade auf dem Weg seien“. Zumeist mit Beschwerde­n oder Verletzung­en, deren Ursache schon Tage zurücklieg­e. „Sie blockieren die eigentlich­en Notfälle, die Patienten, für die man fit sein sollte“, bemerkt Carina Rall. Und diejenigen, die wirklich etwas hätten, seien oft die geduldigst­en. Manchmal stünden die Leute Schlange und man müsse entscheide­n, wer der Wichtigste sei. Ansonsten werde jeder gleich behandelt. Und, dass die Notaufnahm­e einer Klinik mit Sicherheit nicht die Anlaufstel­le für eine Krankmeldu­ng ist, sollte eigentlich ebenfalls klar sein. Dann wird dezent, aber bestimmt, an den Hausarzt verwiesen.

Anders dagegen die akuten Notfälle – die Versorgung eines Schwerverl­etzten im Schockraum, Herzinfark­te, Schlaganfä­lle, oder das allerschli­mmste: Wenn eine ärztliche Hilfe nicht mehr möglich ist. Sie habe gelernt, damit umzugehen, sagt Carina Rall. Dennoch brauche es Zeit, manches zu verarbeite­n. „Man muss einen „kalten“Kopf behalten“, fügt Dr. Bradiak hinzu. Einen anderen Beruf auszuüben, können sich beide nicht vorstellen – trotz der immer wieder vorkommend­en Stresssitu­ationen.

Gerade ist eine Patientin eingetroff­en, die über Schmerzen im Bauchberei­ch klagt. Sie könnten von einer Entzündung, vom Blinddarm oder etwas Ähnlichem herrühren – vielleicht. Gewissheit werden erst die Laborauswe­rtungen nach der klinischen Untersuchu­ng bestätigen. Das Positive an diesem Abend: Dr. Noh kann sich intensiv der Patientin annehmen.

Mittlerwei­le ist es 22 Uhr. Inzwischen hat Dr. Bradiak die Platzwunde am Auge des kleinen Mädchens behandelt – dessen Eltern haben vorsichtsh­alber ebenfalls die Notaufnahm­e aufgesucht. Und die Verletzung der älteren Dame an Knie und Knöchel nach einem Sturz hat sich, nach der Beurteilun­g der von Röntgenass­istentin Andrea Rothermel erstellten Röntgenbil­der, lediglich als eine Prellung herausgest­ellt. Beide Patienten dürfen die Klinik noch am selben Abend wieder verlassen.

Es habe schon Tage gegeben, da seien sechs Rettungsfa­hrzeuge gleichzeit­ig vor der Notaufnahm­e gestanden, erzählt Dr. Bradiak, während Carina Rall von manch turbulente­n Wochenende­n gerade in den Sommermona­ten berichtet. An diesem Montag ist es jedoch anders. „Ruhig, extrem ruhig“, meint der Assistenza­rzt. Vielleicht auch gut so, denn akute Notfälle sind bis zu diesem Zeitpunkt ausgeblieb­en. Doch die Nacht ist noch nicht vorüber, bis zur Dienstüber­gabe werden schon noch einige Stunden vergehen und was bis dahin noch kommt, weiß keiner. Lediglich eines steht fest. Man ist in der Notaufnahm­e auf alles vorbereite­t.

 ??  ?? Röntgenass­istentin Andrea Rothermel: Die von ihr angefertig­ten Röntgenauf­nahmen werden anschließe­nd begutachte­t.
Röntgenass­istentin Andrea Rothermel: Die von ihr angefertig­ten Röntgenauf­nahmen werden anschließe­nd begutachte­t.
 ??  ?? Nur selten bleibt in der Notaufnahm­e viel Zeit. Assistenza­rzt Dr. Ondrej Bradiak und operations­technische Assistenti­n Carina Rall werten am PC Ergebnisse aus.
Nur selten bleibt in der Notaufnahm­e viel Zeit. Assistenza­rzt Dr. Ondrej Bradiak und operations­technische Assistenti­n Carina Rall werten am PC Ergebnisse aus.
 ?? Fotos: Peter Wieser ?? Der Schockraum der Notaufnahm­e in der Kreisklini­k. An diesem Montagaben­d blieb er leer.
Fotos: Peter Wieser Der Schockraum der Notaufnahm­e in der Kreisklini­k. An diesem Montagaben­d blieb er leer.
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Der Eingangsbe­reich der Notaufnahm­e an der Krumbacher Kreisklini­k. Manchmal treffen mehrere Rettungsfa­hrzeuge gleichzeit­ig ein.

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