Mittelschwaebische Nachrichten
Bauchweh, Platzwunde, Herzinfarkt
Was an einem Abend in der Notaufnahme der Kreisklinik Krumbach passiert
Der Wartebereich ist voll. Wie lange es denn noch dauere, ist ein ungeduldiges Murmeln aus der Ecke zu hören. Daneben weint ein Kind. Wartende Angehörige zeigen besorgte Mienen. Vor dem Eingangsbereich der Notaufnahme stehen zwei Rettungswagen, die Hecktüren geöffnet, und werden für ihren nächsten Einsatz vorbereitet. Ein Dritter biegt gerade in die Zufahrt ein. Notfälle im Minutentakt. Szenen wie sie sich tagtäglich in den Notfallstationen der Kliniken abspielen.
Und in Krumbach? Dort werden im Jahr rund 15000 Personen notfallmäßig versorgt – im Durchschnitt sind dies über 40 pro Tag. „Es ist alles voll, und das seit Dezember“, sagt Hermann Keller, Direktor des Klinikmanagements. Und die Notaufnahme? „Die Arbeitsbelastung ist sehr hoch und stressig“, fügt er hinzu. Dazu kämen noch krankheitsbedingte Ausfälle seitens des Personals. Klar, auch dieses blieb von der Grippeund Erkältungswelle der vergangenen Wochen teilweise nicht verschont.
Dr. Gerhard Richter, Chefarzt der Inneren Medizin, blickt auf die Liste, auf der an diesem Montag bereits 21 internistisch stationäre Aufnahmen durch die Notaufnahme verzeichnet sind. Die erste erfolgte um 0 Uhr 30, die folgenden ab dem Morgen, Schlag auf Schlag über den Tag verteilt. Dass die Gesundheitsberufe immer stärkeren Belastungen ausgesetzt sind und dass die Pflegekräfte immer weniger werden, ist nichts Neues. „Der Dienst am Menschen blüht“, so sagt Dr. Richter.
Inzwischen ist es 18 Uhr, und in der Notaufnahme ist etwas Ruhe eingekehrt. Für wie lange wohl, stellt sich die Frage. Zeit, um kurz in der Teeküche die Mikrowelle für etwas Warmes in Gang zu setzen. „Wir essen, wenn Luft ist“, sagt Carina Rall, operationstechnische Assistentin an der Krumbacher Klinik. Sie hat inzwischen bis zum nächsten Morgen ihren Dienst in der Notaufnahme angetreten – zusammen mit Dr. Ondrej Bradiak und dessen ko- Kollegen Dr. Isaac Noh. Das Team besteht in der Regel aus einer Schwester, einem Assistenzarzt der Chirurgie und einem Assistenzarzt der Inneren Medizin, sowie einem Anästhesiearzt, der bei einem akuten Fall hinzugezogen wird. Im Hintergrund befinden sich weitere Chef- und Oberärzte in Bereitschaft, um jederzeit für einen Not- fall vorbereitet zu sein. „Notaufnahme“– die Aufnahme, wenn Not da ist: Eine Bezeichnung, die manche Patienten oftmals falsch verstünden und manchmal mit einer hausärztlichen Praxis verwechselten, erzählt Dr. Bradiak.
Tatsächlich meldeten sich immer wieder Menschen bei der Notaufnahme, um Wartezeiten beim Hausreanischem arzt zu vermeiden oder weil sie „sowieso gerade auf dem Weg seien“. Zumeist mit Beschwerden oder Verletzungen, deren Ursache schon Tage zurückliege. „Sie blockieren die eigentlichen Notfälle, die Patienten, für die man fit sein sollte“, bemerkt Carina Rall. Und diejenigen, die wirklich etwas hätten, seien oft die geduldigsten. Manchmal stünden die Leute Schlange und man müsse entscheiden, wer der Wichtigste sei. Ansonsten werde jeder gleich behandelt. Und, dass die Notaufnahme einer Klinik mit Sicherheit nicht die Anlaufstelle für eine Krankmeldung ist, sollte eigentlich ebenfalls klar sein. Dann wird dezent, aber bestimmt, an den Hausarzt verwiesen.
Anders dagegen die akuten Notfälle – die Versorgung eines Schwerverletzten im Schockraum, Herzinfarkte, Schlaganfälle, oder das allerschlimmste: Wenn eine ärztliche Hilfe nicht mehr möglich ist. Sie habe gelernt, damit umzugehen, sagt Carina Rall. Dennoch brauche es Zeit, manches zu verarbeiten. „Man muss einen „kalten“Kopf behalten“, fügt Dr. Bradiak hinzu. Einen anderen Beruf auszuüben, können sich beide nicht vorstellen – trotz der immer wieder vorkommenden Stresssituationen.
Gerade ist eine Patientin eingetroffen, die über Schmerzen im Bauchbereich klagt. Sie könnten von einer Entzündung, vom Blinddarm oder etwas Ähnlichem herrühren – vielleicht. Gewissheit werden erst die Laborauswertungen nach der klinischen Untersuchung bestätigen. Das Positive an diesem Abend: Dr. Noh kann sich intensiv der Patientin annehmen.
Mittlerweile ist es 22 Uhr. Inzwischen hat Dr. Bradiak die Platzwunde am Auge des kleinen Mädchens behandelt – dessen Eltern haben vorsichtshalber ebenfalls die Notaufnahme aufgesucht. Und die Verletzung der älteren Dame an Knie und Knöchel nach einem Sturz hat sich, nach der Beurteilung der von Röntgenassistentin Andrea Rothermel erstellten Röntgenbilder, lediglich als eine Prellung herausgestellt. Beide Patienten dürfen die Klinik noch am selben Abend wieder verlassen.
Es habe schon Tage gegeben, da seien sechs Rettungsfahrzeuge gleichzeitig vor der Notaufnahme gestanden, erzählt Dr. Bradiak, während Carina Rall von manch turbulenten Wochenenden gerade in den Sommermonaten berichtet. An diesem Montag ist es jedoch anders. „Ruhig, extrem ruhig“, meint der Assistenzarzt. Vielleicht auch gut so, denn akute Notfälle sind bis zu diesem Zeitpunkt ausgeblieben. Doch die Nacht ist noch nicht vorüber, bis zur Dienstübergabe werden schon noch einige Stunden vergehen und was bis dahin noch kommt, weiß keiner. Lediglich eines steht fest. Man ist in der Notaufnahme auf alles vorbereitet.