Mittelschwaebische Nachrichten
Im Sumpf aus Drogen und Kriminalität
Ein vor dem Schöffengericht verhandelter Prozess zeigt, wie ein Paar mit Einbrüchen und Prostitution seine Sucht finanzieren wollte
Ulm Es vergeht derzeit wohl kein Tag, an dem der Ulmer Polizei keine Einbruchserie gemeldet wird. Letzte Woche wurde innerhalb einer Nacht in fünf Geschäfte in der Innenstadt erfolgreich eingebrochen, in der Nacht zum Dienstag dieser Woche wurden drei Einbrüche gemeldet. In zahlreichen Fällen vermutet die Polizei Beschaffungskriminalität von Drogenabhängigen. Ein aktueller Prozess vor dem Schöffengericht Ulm beschäftigt sich derzeit mit den Hintergründen dieser Szene, die seit Monaten immer wieder für Schlagzeilen sorgt. Angeklagt ist ein junges Liebespär- das geradezu verzweifelt versucht hat, ihre Sucht zu finanzieren.
Beide Angeklagte, 27 und 26 Jahre, leben mittlerweile getrennt, stammen aus Ulm und haben als Drogenabhängige ein doch ziemlich verpfuschtes Leben hinter sich. Einen Beruf haben sie nicht gelernt, aber wie man Türen und Fenster öffnen kann, schon. Der Angeklagte schilderte, wie man mit spärlichem Werkzeugarsenal – einem kleinen Brecheisen und zwei Schraubenzieher – mühelos Türen zu Wohnungen und Häusern, bevorzugt in Böfingen und Söflingen, öffnen konnte, auch wenn man durch aktuellen Drogenkonsum ziemlich beeinträchtigt war. „Wir waren bei den Einbrüchen nicht klar bei Sinnen. Hatten Drogen konsumiert und haben nur wenig Erinnerung an die Einzelheiten“, sagt der Angeklagte. Dem Pärchen ging es darum, wieder Geld zu beschaffen, um damit vor allem am angesagten Drogenumschlagplatz Alter Friedhof in Ulm für Nachschub zu sorgen. Laut Angeklagtem gab es dort quasi rund um die Uhr einen funktionierenden Service für den Einkauf von Marihuana, Ecstasy und Kokain.
Auf die Idee, sich Geld mit Einbrüchen zu beschaffen, waren sie durch ein spezielles Video im Internet gekommen, sagt der Angeklagte, wo explizit erklärt wurde, wie man Häuser und Wohnungen erchen, folgreich öffnen kann. Das gelang dem Pärchen nicht immer. Waren sie erfolgreich etwa durch Kellerräume in Häuser eingestiegen, so nahmen sie laut Anklageschrift alles mit, was sie irgendwie in Geld umsetzen konnten. So wurden unter anderem Kleidungsstücke und Schmuck erbeutet, gelegentlich auch gut gefüllte Geldbörsen und einmal stahlen sie ein Mountainbike im Wert von 1800 Euro aus einem Hauskeller. Als der Angeklagte versuchte das Fahrrad über das Internet zu verscherbeln, wurde die Polizei auf den Deal aufmerksam, die den Abschluss des Kaufvertrages durch die Festnahme des Angeklagten verhinderte.
Die attraktive Freundin versuchte auf andere Weise – auch über das Internet – Geld zu beschaffen und bot sich als Prostituierte an. Als der Freier in ihre Wohnung kam, stahl sie ihm die Geldbörse mit 200 Euro Inhalt, als er in ihrem Waschraum duschte. Laut Anklage scheute sich die Frau auch nicht, auf der Straße einem geistig beeinträchtigten Menschen sein Handy abzuluchsen, was allerdings letztlich misslang. Auch ein Drogeriemarkt in der Blaubeurer Straße war laut Staatsanwaltschaft ein bevorzugter Tatort. Dort wurde ein 120 Euro teures Konsolenspiel gestohlen und für 20 Euro wenig später verscherbelt. Sogar eine Trompete war einmal die Beute, geht aus der umfangreichen Anklageschrift hervor: Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde bei den Diebeszügen mitgenommen, um die Sucht der beiden zu finanzieren.
Die Freundin und Mitangeklagte hat sich mittlerweile von ihrem Freund getrennt. Wie sie vor Gericht aussagte, sei sie psychisch krank. Eine halbe Stunde benötigte die Staatsanwältin, um die Einzelvorwürfe aufzulisten, zu denen auch Widerstand gegen Polizeibeamte und Körperverletzungen gehören. Insgesamt hat das Schöffengericht vier Verhandlungstage angesetzt, der Prozess wird am 7. März fortgesetzt.