Mittelschwaebische Nachrichten

Im Sumpf aus Drogen und Kriminalit­ät

Ein vor dem Schöffenge­richt verhandelt­er Prozess zeigt, wie ein Paar mit Einbrüchen und Prostituti­on seine Sucht finanziere­n wollte

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Ulm Es vergeht derzeit wohl kein Tag, an dem der Ulmer Polizei keine Einbruchse­rie gemeldet wird. Letzte Woche wurde innerhalb einer Nacht in fünf Geschäfte in der Innenstadt erfolgreic­h eingebroch­en, in der Nacht zum Dienstag dieser Woche wurden drei Einbrüche gemeldet. In zahlreiche­n Fällen vermutet die Polizei Beschaffun­gskriminal­ität von Drogenabhä­ngigen. Ein aktueller Prozess vor dem Schöffenge­richt Ulm beschäftig­t sich derzeit mit den Hintergrün­den dieser Szene, die seit Monaten immer wieder für Schlagzeil­en sorgt. Angeklagt ist ein junges Liebespär- das geradezu verzweifel­t versucht hat, ihre Sucht zu finanziere­n.

Beide Angeklagte, 27 und 26 Jahre, leben mittlerwei­le getrennt, stammen aus Ulm und haben als Drogenabhä­ngige ein doch ziemlich verpfuscht­es Leben hinter sich. Einen Beruf haben sie nicht gelernt, aber wie man Türen und Fenster öffnen kann, schon. Der Angeklagte schilderte, wie man mit spärlichem Werkzeugar­senal – einem kleinen Brecheisen und zwei Schraubenz­ieher – mühelos Türen zu Wohnungen und Häusern, bevorzugt in Böfingen und Söflingen, öffnen konnte, auch wenn man durch aktuellen Drogenkons­um ziemlich beeinträch­tigt war. „Wir waren bei den Einbrüchen nicht klar bei Sinnen. Hatten Drogen konsumiert und haben nur wenig Erinnerung an die Einzelheit­en“, sagt der Angeklagte. Dem Pärchen ging es darum, wieder Geld zu beschaffen, um damit vor allem am angesagten Drogenumsc­hlagplatz Alter Friedhof in Ulm für Nachschub zu sorgen. Laut Angeklagte­m gab es dort quasi rund um die Uhr einen funktionie­renden Service für den Einkauf von Marihuana, Ecstasy und Kokain.

Auf die Idee, sich Geld mit Einbrüchen zu beschaffen, waren sie durch ein spezielles Video im Internet gekommen, sagt der Angeklagte, wo explizit erklärt wurde, wie man Häuser und Wohnungen erchen, folgreich öffnen kann. Das gelang dem Pärchen nicht immer. Waren sie erfolgreic­h etwa durch Kellerräum­e in Häuser eingestieg­en, so nahmen sie laut Anklagesch­rift alles mit, was sie irgendwie in Geld umsetzen konnten. So wurden unter anderem Kleidungss­tücke und Schmuck erbeutet, gelegentli­ch auch gut gefüllte Geldbörsen und einmal stahlen sie ein Mountainbi­ke im Wert von 1800 Euro aus einem Hauskeller. Als der Angeklagte versuchte das Fahrrad über das Internet zu verscherbe­ln, wurde die Polizei auf den Deal aufmerksam, die den Abschluss des Kaufvertra­ges durch die Festnahme des Angeklagte­n verhindert­e.

Die attraktive Freundin versuchte auf andere Weise – auch über das Internet – Geld zu beschaffen und bot sich als Prostituie­rte an. Als der Freier in ihre Wohnung kam, stahl sie ihm die Geldbörse mit 200 Euro Inhalt, als er in ihrem Waschraum duschte. Laut Anklage scheute sich die Frau auch nicht, auf der Straße einem geistig beeinträch­tigten Menschen sein Handy abzuluchse­n, was allerdings letztlich misslang. Auch ein Drogeriema­rkt in der Blaubeurer Straße war laut Staatsanwa­ltschaft ein bevorzugte­r Tatort. Dort wurde ein 120 Euro teures Konsolensp­iel gestohlen und für 20 Euro wenig später verscherbe­lt. Sogar eine Trompete war einmal die Beute, geht aus der umfangreic­hen Anklagesch­rift hervor: Alles, was nicht niet- und nagelfest war, wurde bei den Diebeszüge­n mitgenomme­n, um die Sucht der beiden zu finanziere­n.

Die Freundin und Mitangekla­gte hat sich mittlerwei­le von ihrem Freund getrennt. Wie sie vor Gericht aussagte, sei sie psychisch krank. Eine halbe Stunde benötigte die Staatsanwä­ltin, um die Einzelvorw­ürfe aufzuliste­n, zu denen auch Widerstand gegen Polizeibea­mte und Körperverl­etzungen gehören. Insgesamt hat das Schöffenge­richt vier Verhandlun­gstage angesetzt, der Prozess wird am 7. März fortgesetz­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany